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KRISENBEWÄLTIGUNG: Regierung muss Bürokratie abbauen
Der Wohnungsbau leidet unter Hemmnissen. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, ruft die Politik auf, endlich zu handeln.
Stand:
Herr Pakleppa, in Deutschland herrscht Wohnungsnot. Ein Grund ist, dass die Unternehmen der Bauwirtschaft unter einer aus dem Ruder gelaufenen Bürokratie leiden. Trauen Sie der zukünftigen Bundesregierung aus Union und SPD zu, dass sie dieses Thema erfolgreich angehen wird?
Das Thema Bürokratieabbau muss die nächste Bundesregierung unbedingt anpacken, ihr wird gar nichts anderes übrigbleiben. Das heutige Planungsrecht und die langen Genehmigungsverfahren haben sich zu einer echten Bremse, einem Investitions- und Modernisierungshemmnis, entwickelt. Wenn wir uns den gesamten Bauprozess anschauen, also vom Beginn der Planung bis zur Fertigstellung, gehen in öffentlichen Verfahren, also zum Beispiel im Straßenbau, teilweise bis zu 85 Prozent des zeitlichen Aufwands für die Genehmigungsverfahren drauf. Im privaten Wohnungsbau sieht es nicht viel besser aus. Hier haben wir den Flaschenhals, der das Bauen so langwierig und schwierig macht, nicht in der eigentlichen Bauphase und auch nicht im Fachkräftemangel.
Ein Grund für die Bürokratie und Kosten sind die Klimaschutzvorgaben. Wird hier überreguliert?
Dass das Bauen teurer geworden ist, hat mehrere Gründe: steigende Zinsen und Bodenpreise, eine hohe Grunderwerbsteuer und Inflation sowie kriegsbedingt gestiegene Material- und Energiekosten. Hinzu kommt, dass wir noch zu wenig CO₂-freie Energien haben, mit denen wir heizen, das Warmwasser aufbereiten und Strom beziehen. Ich glaube, wir sind gut beraten, in den nächsten Jahren weiter mit Effizienzstandard EH 55 zu bauen. Denn das reicht vollkommen aus, wenn wir zukünftig immer mehr CO₂-freie Energie nutzen werden. Es ist auch zu begrüßen, dass die EU-Kommission die Nachhaltigkeitsverpflichtungen für die Bauunternehmen etwas zurückschrauben will.
Wie sieht es bei der Sanierung von Bestandsbauten aus, die einen viel größeren Anteil als Neubauten haben?
Das Wohnungsproblem kann man wegen des ständigen Zuzugs nach Deutschland nur durch mehr Wohnungsbau lösen. Doch klar ist, dass wir im Bereich der Sanierung von Bestandsbauten eine viel zu niedrige Quote haben. Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen, benötigen wir eine Quote von zwei Prozent jährlich – wir kommen aber nur auf rund 0,7. Besonders geschadet hat die Debatte um das Heizungsgesetz, denn die Unstimmigkeiten und Unsicherheiten haben zu einer Art Attentismus bei den Eigentümern geführt. Viele warten lieber ab, wie irgendwann die Förderkonditionen wirklich gestaltet sein werden. Das hat die Sanierungsquote stark gedrückt.
Auch weil die staatliche Förderung unklar war?
Ja – wir haben im Moment Sanierungskredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), für die sich täglich oder wöchentlich die Zinsen ändern. Da kann kein Hauseigentümer mehr vernünftig kalkulieren. Das zerstört jedes Finanzierungskonzept. Kein Wunder also, dass viele erst einmal die Finger von der Sache lassen. Aber auch andere Herausforderungen sind nicht geregelt. Beispiel EPBD, also die Europäische Energieeffizienzrichtlinie: Die alte Regierung hatte noch nicht einmal mit der Umsetzung begonnen, obwohl das bis Mai 2026 geschehen sein muss. Brüssel aber plant derweil schon eine Novelle für 2028, wie ich aus eigenen Gesprächen dort weiß.

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Funktionieren denn die kommunalen Verwaltungen überhaupt ausreichend?
Wir benötigen unbedingt eine umfassende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Ohne sie werden wir die Probleme nicht in den Griff bekommen, denn der Personalstand wird sich angesichts der demografischen Entwicklung nicht bessern. Und wir müssen zum Beispiel dringend auch viel mehr mit Typengenehmigungen arbeiten. Das heißt, wenn in einem Bundesland ein Bautyp von Experten genehmigt wurde, muss er auch in allen anderen Bundesländern automatisch freigegeben sein und nicht überall neu genehmigt werden müssen. Das spart viel Geld und Aufwand. Solche Dinge haben wir in Deutschland in den 60er- und 70er-Jahren schon mal gekonnt, aber das ist verlorengegangen. Kommunen auf dem Land können übrigens auch zusammenarbeiten und zum Beispiel ihre Genehmigungs- und Prüfstellen zusammenlegen. Es gibt viele Möglichkeiten, die Verfahren schneller zu machen.

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Mehr Wohnungsbau wäre auch gut, um die Gesamtwirtschaft wieder anzukurbeln.
Richtig! Aber das klappt nur, wenn dafür gesorgt wird, dass die mittelständisch geprägte deutsche Baubranche mit ihren qualifizierten Beschäftigten zum Zuge kommt, die hier auch Steuern und Abgaben zahlen.
WOHNRAUMMANGEL
Die Kosten müssen sinken
Die Politik muss dringend den Wohnungsbau ankurbeln, fordert Katarzyna Urbanczyk-Siwek. Sie ist Geschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg.
Frau Urbanczyk-Siwek, die Kosten für den Neubau von Wohnraum sind stark gestiegen. Welche Folgen hat das?
Von 2019 bis 2024 sind die Baupreise um 40 Prozent gestiegen. Das übte einen negativen Einfluss auf die Investitionstätigkeit aus. Diese Entwicklung zeigt sich besonders im Wohnungsbau deutlich: 2024 verzeichnete der Sektor einen preisbereinigten Rückgang von fünf Prozent.
Also wird zu wenig gebaut, um dem Wohnungsmangel Herr zu werden?
Obwohl der jährliche Wohnungsbedarf in Deutschland auf 400.000 Einheiten beziffert wird, liegt die prognostizierte Fertigstellung für 2025 lediglich bei 225.000 bis 230.000 Wohneinheiten. Auch Berlin verfehlt seine selbst gesetzten Wohnungsbauziele von 20.000 Einheiten Jahr für Jahr deutlich.
Welche Aufgaben hat hier die Politik?
Es sind dringend verlässliche Rahmenbedingungen erforderlich. Besonders der regionale Mittelstand muss stärker adressiert werden. Die Baukosten müssen spürbar gesenkt werden, wobei die Einführung des Gebäudetyps E eine zentrale Maßnahme darstellt. Gleichzeitig braucht es eine verlässliche und verständliche Förderkulisse, die Investoren und Bauherren Sicherheit gibt. Weitere Verschärfungen der Energiestandards sind nicht tragbar. Stattdessen müssen Bauordnungen vereinfacht und bundesweit synchronisiert werden.
Hat diese Krise möglicherweise auch soziale Sprengkraft?
Ja, eine enorme gesellschaftliche Sprengkraft sogar. Daher muss der Wohnungsbau prioritär behandelt werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat im Dezember 2024 einen Vorschlag für einen sogenannten „Bau-Turbo“ zur Beschleunigung des Wohnungsbaus in den Bundestag eingebracht. Ziel ist es, dass die Gemeinden eine befristete Sonderregelung bis Ende 2029 bekommen, um von aufwändigen und kostentreibenden Vorschriften des Baugesetzbuches abzuweichen. Grundsätzlich begrüßen wir alle Lösungsansätze, die dazu führen, dass einfacher und schneller neuer Wohnraum entsteht.

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NACHHOLBEDARF
„Krise mit sozialem Sprengsatz“
Der Wohnungsbau muss forciert werden, fordern die Parteien. Die Vorschläge reichen von mehr Förderung bis zur Typengenehmigung.
Das Thema Mieten und Wohnen gehört für viele Menschen zu den beherrschenden Gesprächsthemen. Ob in den sozialen Netzwerken, beim Party-Talk oder am Frühstückstisch zu Hause: Überall wird über die explodierenden Mieten und den knappen Wohnraum gesprochen. Kein Wunder, denn Mieten und Wohnen gehen jeden etwas an. Doch die Lage ist düster. „Wir haben in den Ballungsräumen wie Berlin, München und Hamburg eine geradezu dramatische Wohnungsknappheit. Darin liegt ein gefährlicher sozialer Sprengsatz“, sagt Christian Gräff, Wohnungsbauexperte der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Caren Lay, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, stimmt dem CDU-Mann zu: „Es ist keineswegs übertrieben, von einer echten Wohnungskrise mit sozialem Sprengsatz zu sprechen.“
Besonders besorgniserregend sei, dass diese Krise längst nicht mehr nur die ärmeren Schichten, Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende trifft. „Sie betrifft längst auch die Mittelschicht“, so Lay.
Da stellt sich natürlich die Frage nach den Gründen. Vor allem die hohen Kosten stellen ein wichtiges Hemmnis für den Neubau dar. Neben den gestiegenen Preisen für Material und Rohstoffe kommt mit den Zinssteigerungen der jüngeren Zeit ein weiteres Problem hinzu. Allerdings sei das eigentliche Problem nicht in erster Linie der Anstieg als solcher, sondern die Tatsache, dass die Bauherren sich in den vergangenen Jahren sehr an die Nullzinsen gewöhnt hätten, meint Andreas Otto, baupolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. „Dabei waren früher in der Bundesrepublik Zinssätze von vier bis sieben Prozent der Normalfall.“ In eine ähnliche Kerbe schlägt Berlins früherer SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz, wenn er von einer „Krise der Geschäftsmodelle“ spricht. „Es gibt erheblich zu hohe Gewinnerwartungen, die der Markt nicht erfüllen kann. In der Folge wird häufig am Bedarf vorbeigebaut. Statt bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, werden teure Luxuswohnungen gebaut.“
Was aus den hohen Kosten für Rohstoffe und Energie folgen muss, liegt für CDU-Mann Gräff auf der Hand: „Die nächste Bundesregierung muss schnell ein Milliarden-Förderprogramm für den Wohnungsbau auflegen. Anders bekommen wir das Problem nicht in den Griff.“ Das sieht Andreas Otto genauso, denn „sonst ist Wohnraum für Menschen mit wenig Einkommen nicht mehr bezahlbar“. Die Linkspartei pocht ebenfalls auf ein Investitionsprogramm, das jedoch auf gemeinnützige Genossenschaften fokussiert werden sollte, so Caren Lay.
Aber Geld ist nicht alles. Es gibt auch andere Hemmnisse, die den Bau von Wohnraum erschweren. Zum Beispiel die langen Genehmigungsverfahren. „Sie sind die viel größere Hürde als der eigentliche Bau. Und leider herrscht in der Berliner Verwaltung überhaupt kein Gespür dafür, wie teuer Verzögerungen die Bauherren zu stehen kommen. Hier benötigen wir eine Änderung des Mindsets“, so Christdemokrat Gräff.
Um die Verfahren wenigstens bei kleineren Bauprojekten für den Wohnungsbau zu beschleunigen, schlägt sein grüner Counterpart Otto vor, in solchen Fällen auf die Genehmigungsverfahren zu verzichten und die Verantwortung in die Hände der Bauherren und Architekten zu legen. Linken-Politikerin Lay kann sich vorstellen, die Landesbauordnungen zu harmonisieren und eine Musterbauordnung auf Bundesebene zu erlassen. „Zudem benötigen wir eine Typengenehmigung, sodass nicht jedes Bauwerk neu genehmigt werden muss.“
Sozialdemokrat Kollatz verweist auf den Ansatz des schwarz-roten Berliner Senats: „In Berlin haben wir gerade das Schneller-Bauen-Gesetz verabschiedet, welches das Bauen unkompliziert und zügiger machen wird. So muss zum Beispiel ein Haus beim Aufstocken nicht mehr in eine neue Gebäudeklasse überführt werden, denn das verteuert und verlängert den Bau erheblich. Auch die geplatzte Ampel-Regierung wollte ein Beschleunigungsgesetz verabschieden, ist aber nicht mehr dazu gekommen. Das ist eine wichtige Aufgabe für die nächste Regierung.“
CDU-Mann Matthias Gräff hat noch eine weitere Forderung: „Entgegen vieler meiner Parteifreunde bin ich der Auffassung, dass wir unbedingt weiterhin ein eigenständiges Bundesbauministerium benötigen, das sich nur auf diese eine Aufgabe konzentrieren kann.“
KLIMASCHUTZ
Effizient und nachhaltig
Nachhaltiges Bauen kann ein Projekt beschleunigen, sagt Christine Lemaitre von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e.V.
Frau Lemaitre, der Ruf nach schnellem und preiswerten Bauen wird immer lauter. Droht das Thema Nachhaltigkeit da nicht, an Bedeutung zu verlieren?
Nein, das befürchte ich nicht. Es gibt natürlich Vertreter bestimmter Interessen, die eine solche Situation zu nutzen versuchen, um das Thema nachhaltiges Bauen abzuräumen. Aber wir haben die Transformation so weit vorangetrieben, dass man das Rad gar nicht mehr zurückdrehen kann. Zumal es ja auch den Banken- und Investorenbereich erfasst hat. Es handelt sich um einen Prozess, der in vollem Gange ist.

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Wie wichtig ist es, das Thema von Anfang an zentral bei einem neuen Bauprojekt mitzudenken?
Das ist eminent wichtig. Man muss sich von Anfang an klar machen, für wen und für was man baut und ob man eigentlich wirklich alles neu bauen muss. Das Thema ist sehr komplex, es reicht nicht, zum Beispiel nur zu entscheiden, dass man ein Haus aus Holz baut. Diese Komplexität stellt die Beteiligten natürlich vor Herausforderungen, da Bauen kleinteilige Strukturen hat, an denen viele verschiedene Planer und Ausführende mitwirken.
Ist nachhaltiges Bauen nicht auch einer der Gründe für hohe Kosten und die Langwierigkeit von Bauprojekten?
Im Gegenteil. Wer nachhaltig baut, geht von Anfang mit einer Haltung der Suffizienz an die Sache. Das spart Ressourcen, Zeit und Kosten. Nachhaltiges Bauen ist also ein Beschleunigungsthema. Und da es vor allem ein Thema für mittelständische Unternehmen ist, die sehr kontextbezogen ihre Projekte betreuen, ist es auch ein Qualitätsthema.
ANALYSE
Fünf Gründe für die Krise
Der Wohnungsbau in Deutschland ist gleich aus mehreren sich überlappenden Gründen in eine Krise geraten. Erstens hat sich das Bauen in den vergangenen Jahren infolge der Pandemie und des Ukraine-Kriegs stark verteuert. Das gilt zum Beispiel für Baustoffe wie Beton, Holz und Stahl. Zugleich haben sich die Bauzinsen deutlich erhöht. In der Folge wurden viele Bauprojekte gestoppt oder zurückgestellt. Zweitens sind die Genehmigungsverfahren erheblich zu lang und die Bürokratie zu kompliziert. Hier schlägt auch die schleppende Digitalisierung der Bauämter zu Buche. Drittens leidet das Baugewerbe wie andere Branchen auch unter einem Mangel an Fachkräften. Viertens sind die stetig wachsenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und den Klimaschutz eine zusätzliche Herausforderung für die Bauherrn. Denn energieeffizientes Bauen ist zwar notwendig, aber auch kostspielig. Fünftens sind die Förderprogramme für private Bauherrn oft kompliziert und unzureichend. Sie setzen daher lieber auf die Sanierung von Bestandsbauten statt auf teure Neubauprojekte. Vielen privaten Investoren fehlen schlicht die Anreize.
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