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Mit klinischer Forschung : (zurück) an die Spitze
Pfizer Deutschland-Chef Patrick van der Loo plädiert für mehr Tempo, Pragmatismus und Entschlossenheit am hiesigen Forschungsstandort.
Stand:
Klinische Forschung ist weit mehr als Wissenschaft – sie gibt Hoffnung. Für viele Menschen ist die Teilnahme an einer klinischen Studie die Chance auf frühzeitigen Zugang zu innovativen Therapien, oft dann, wenn andere Behandlungsoptionen ausgeschöpft sind. Doch klinische Studien stiften nicht nur persönlichen, sondern auch gesellschaftlichen Nutzen. Sie zeigen, ob neue Wirkstoffe wirksam und verträglich sind. Und wenn Ärzt:innen hierzulande in die Forschung involviert sind, bleiben sie am Puls des medizinischen Fortschritts. Relevantes Wissen wird vor Ort generiert und weitergetragen – das kommt allen Patient:innen im Versorgungsalltag zugute. Gleichzeitig stärkt jede Studie den Forschungsstandort Deutschland.
Spitzenforschung „made in Germany“?
Kaum ein Land verfügt über so gute Voraussetzungen für Spitzenforschung wie Deutschland. Wir haben eine starke Tradition in Forschung und Entwicklung, eine exzellente Wissenschaftslandschaft und breite Infrastruktur für klinische Studien. Doch wir machen zu wenig daraus. Zu häufig bremst die Bürokratie. Während andere Länder schneller sind und an Vorsprung gewinnen, dauert es in Deutschland bis zu 300 Tage, bis ein Vertrag zwischen Sponsor und den Studienzentren unterschrieben wird. Das ist zu lange. In Spanien fällt der Startschuss für eine Studie im Schnitt schon nach 111 Tagen.
Die Folge: Wir verlieren international den Anschluss. Die Gefahr strategischer Abhängigkeiten wächst. Lange wurden nur in den USA mehr Studien als in Deutschland durchgeführt. Inzwischen hat uns nicht nur China überholt, sondern auch europäische Länder wie Großbritannien und Spanien. Noch deutlicher wird dies beim Blick auf die Zahlen: Zwischen 2016 und 2023 ist die Anzahl klinischer Studien hierzulande von 641 auf 519 gesunken. Das darf nicht unser Anspruch sein.

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Wie gelingt uns die Trendwende?
Die gute Nachricht: Wir können das Ruder herumreißen. Deutschland ist nach wie vor ein Hort der Ideen für neue Wirkstoffe und Therapien. Damit diese Ideen nicht im Labor steckenbleiben, sondern den Weg in die Anwendung finden, müssen wir unkomplizierter und schneller werden. Das gilt auch für die Digitalisierung. Denn moderne Forschung ist – besonders in der personalisierten Medizin – auf Daten angewiesen. Noch werden Gesundheitsdaten jedoch nicht systematisch erfasst und sind kaum für die Forschung nutzbar.
Zuversichtlich stimmt mich allerdings, dass die Politik den Handlungsbedarf erkannt hat und „Deutschland zum weltweit innovativsten Pharma- und Biotechnologiestandort“ machen will, wie es im Koalitionsvertrag der Bundesregierung heißt. Mit der Pharmastrategie sind die richtigen Weichen gestellt – dazu gehört allen voran das Medizinforschungsgesetz. Auf seiner Grundlage wurden kürzlich Standardvertragsklauseln eingeführt, um die Verhandlungen zwischen Studienzentren und Pharmaunternehmen zu erleichtern. Auch das Strahlenschutzrecht wurde vereinfacht. Gut so! Damit gehen wir wichtige Schritte in die richtige Richtung, denn wir erleben derzeit eine ungeheure Beschleunigung des medizinischen Fortschritts an der Schnittstelle von Biomedizin und künstlicher Intelligenz. Hier ganz vorne mit dabei zu sein, ist für ein ressourcenarmes Land wie Deutschland eine riesige Chance.
Forschung ins Bewusstsein rücken
Um diese Chance zu nutzen, muss das Gesetz nun konsequent weiterentwickelt und zügig praxisnah umgesetzt werden – zum Beispiel durch weitere Entbürokratisierung des Regelwerks, mehr forschungsrelevante Inhalte in der medizinischen Aus- und Weiterbildung sowie die Einführung eines leicht zugänglichen, einfach verständlichen Studienportals. Denn nur, wenn Menschen um die Möglichkeit einer Studienteilnahme wissen, können sie diese in Anspruch nehmen. Eine aktuelle Umfrage zeigt: Nur 11 % aller Patient:innen wird die Mitarbeit an einer Studie proaktiv angeboten. Eine Zahl, die mich sehr umtreibt.
Wir müssen also mehr Bewusstsein dafür schaffen, was es bedeutet, an klinischen Studien teilzunehmen und diese im eigenen Land zu haben. Das geht nur, wenn wir Forschung in der Gesundheitsversorgung und Gesellschaft stärker verankern. Dazu gehört einerseits Information und Aufklärung, um mehr Teilnehmer:innen zu gewinnen. Und andererseits sollten Patient:innen stärker in die Studienprozesse eingebunden werden, damit sich ihre Perspektive in den Studiendesigns widerspiegelt.

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Innovationen brauchen Investitionen
Ich bin überzeugt davon, dass Deutschland wieder zu einem Standort für Spitzenforschung werden kann. Dazu wollen wir bei Pfizer unseren Beitrag leisten und engagieren uns hierzulande schon heute mit mehr als 70 laufenden Studien. Doch wir tun noch mehr: Bis 2030 wollen wir die Zahl der Patient:innen in unseren onkologischen Studien in Deutschland verdreifachen und weltweit bis 2040 die Überlebensrate bei vielen der tödlichsten Krebsarten verdoppeln.
Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, sind wir als Industrie mit langen Investitionszyklen auf stabile und verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen. Dazu gehört auch eine Nutzenbewertung neuer Arzneimittel, die den medizinischen Fortschritt reflektiert und den Wert therapeutischer Innovationen honoriert. Denn das ermöglicht uns wiederum den finanziellen Spielraum, um an den Therapien von morgen zu forschen – davon profitieren Patient:innen, Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen.
Wenn wir die klinische Forschung noch strategischer und langfristiger denken und über Sektorengrenzen hinweg stärken, kann es uns gemeinsam gelingen, den Forschungsstandort Deutschland fit für die Zukunft zu machen. In einer sich wandelnden Welt ist Tempo dabei der entscheidende Faktor. Wir müssen bei klinischen Studien schneller, effizienter und wettbewerbsfähiger werden. Was es dafür braucht? Ein optimistisches Mindset, politischen Mut und unternehmerische Entschlossenheit.