zum Hauptinhalt

© Marie Staggat

Anzeige

Unsichtbare Volkskrankheit?: Wege aus der Depression

Fachforum Gesundheit zeigt auf: Für Depressionen gibt es gute Behandlungsmöglichkeiten und verschiedenste Präventions- und Unterstützungsangebote, dennoch erfahren Betroffene und ihre Angehörigen oft nicht ausreichend Hilfe. 

Stand:

Die Depression ist eine Volkskrankheit: Laut Bundesgesundheitsministerium erkranken in Deutschland bis zu 20 Prozent der Menschen im Lauf ihres Lebens mindestens einmal an einer Depression. Grund genug für den Tagesspiegel, ein Fachforum Gesundheit zum Thema zu veranstalten. Fachleute aus Politik, Wissenschaft, Medizin, Industrie sowie Betroffene und Angehörige kamen zusammen, um über eine Erkrankung zu sprechen, der immer noch zu wenig Aufmerksamkeit zuteil wird.

„Sie sind wie erstarrt, geradezu gefühllos, und gleichzeitig so angespannt, als ob ihnen eine große Prüfung bevorsteht“ – so charakterisierte Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Depressionshilfe, die Erkrankung einleitend. Aber: Depressionen seien gut behandelbar, ob psychotherapeutisch oder medikamentös – oder auch durch eine Kombination aus Psycho- und Pharmakotherapie.

Depressionen gehen mit einem hohen Leidensdruck einher, nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für deren Angehörige. Wer mit einer unbehandelten oder nicht ausreichend behandelten Depression lebt, kann den Alltag immer weniger meistern – das schlägt sich nieder in häufigen Fehlzeiten, sinkender Leistungsfähigkeit und einer höheren Anfälligkeit für andere Erkrankungen. Nicht selten kommt es vor, dass Betroffene ihren Arbeitsplatz verlieren oder weit vor dem Rentenalter erwerbsunfähig werden.

© Marie Staggat

Eine wesentliche Unterstützung sind in vielen Fällen die Angehörigen – so auch beim ehemaligen Tech-Manager Dr. Thomas Reinbacher, der im Rahmen der Veranstaltung Einblick in seine eigene Depressionserfahrung gab und die Angehörigen als „hidden heroes“ sieht. Der promovierte technische Informatiker war Forscher bei der NASA, McKinsey-Berater und später Manager bei Amazon und Google – und erkrankte an einer Depression. „Ich war wie erstarrt.“ Seine Frau habe ihn dann in eine Klinik gebracht – seinen Weg aus der Depression beschreibt er in seinem Buch „Nach Grau kommt Himmelblau“.

„Die Angehörigen haben eine entscheidende Rolle“, sagt auch Silke Pech, die das Thema Depression aus dem engen Familienkreis kennt. Ob ein Gespräch mit dem Hausarzt, das Finden eines Therapieplatzes oder das Einfordern einer passenden Behandlung – Angehörige seien zentral dafür, dass Menschen einen Weg aus der Depression finden können.

Klar ist auch: Depressionen verursachen nicht nur enormes individuelles Leid, sondern auch beträchtliche gesamtwirtschaftliche Verluste: „2,3 Prozent der gesamten Versorgungskosten in Deutschland entfallen auf Depressionen“, erklärte Gesundheitsökonom Dr. Julian Witte von der Vandage GmbH.

Vor allem aber gäbe es hohe indirekte Kosten: Einkommensverluste, Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit. „Die Fehltage infolge psychischer Erkrankungen sind seit 2013 um 52 Prozent gestiegen“, so Witte. Und: „Daten der Rentenversicherung zeigen, dass psychische Erkrankungen der Hauptgrund für Erwerbsminderungsrenten sind.“

Dass Depressionen ein ernstzunehmendes Problem sind, steht also außer Frage. Es braucht – so die einhellige Meinung auf dem Gesundheitsforum – mehr Prävention, einen besseren Zugang zu Therapieplätzen und innovativen Behandlungsmöglichkeiten sowie mehr einschlägige Forschung.

© Marie Staggat

„Immer noch werden viele Betroffene nicht ausreichend behandelt“, stellte etwa Dr. Christian Beugholt von Johnson & Johnson fest.

Er plädierte dafür, das gesamte Therapiespektrum auszuschöpfen, damit jede:r Patient:in die für sie/ihn richtige Therapie zum richtigen Zeitpunkt erhalten könne. Insbesondere bei Betroffenen, die nicht oder nicht ausreichend auf die ersten Therapieansätze ansprächen, sei eine leitliniengerechte Therapie mit entsprechender Eskalationsstrategie entscheidend.

Auch Dr. Ute Lewitzka, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, sprach sich für eine leitliniengerechte Versorgung aus. Zudem sollte ihrer Meinung nach auch die Suizidproblematik mehr in den Fokus gerückt werden. „Es hat 2023 zehn Prozent mehr Suizide gegeben als im Jahr zuvor“, so Lewitzka – und häufig seien diese durch psychische Erkrankungen bedingt.

Einigkeit gab es ebenfalls beim Wunsch nach mehr Forschung. „Es muss mehr in den Forschungsstandort Deutschland investiert werden“, forderte Lewitzka. Dr. Christian Beugholt stimmte zu: „Wir müssen besser verstehen, was physiologisch hinter Depressionen steckt.“ So sei mittlerweile deutlich, dass bisherige Ansätze wie die sogenannte Monoamin-Hypothese die Depression nicht ausreichend erklärten. Es gäbe inzwischen Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Neuroplastizität, also der Fähigkeit des Gehirns, sich an veränderte äußere Anforderungen (z. B. chronischer Stress) oder bei Schädigungen des Gehirns anzupassen, und der Entwicklung einer Depression. Andere Theorien wiesen darauf hin, dass auch chronische Entzündungen und eine gestörte Darmflora depressive Symptome hervorrufen könnten.

„Depressionen sind individuell unterschiedlich“, betonte Waltraud Rinke, Vorsitzende der Deutschen Depressionsliga. Gerade weil die Krankheit viele Facetten habe, brauche es eine personalisierte Therapie. Die für die Behandlung Zuständigen – also die Haus-, Fachärzt:innen und Psychotherapeut:innen – sollten sich die Lebens- und Arbeitswelt der Betroffenen anschauen und entsprechende Empfehlungen ableiten.

Generell müsse man aber viel früher ansetzen: „Viele gestehen sich nicht ein, dass sie krank sind“, gab Dr. Silke Heinemann, Abteilungsleiterin im Bundesgesundheitsministerium, zu bedenken. Depressionen seien nach wie vor mit einem gewissen Stigma behaftet. Sie appellierte daran, die Selbstwahrnehmung zu stärken – und zwar auch bei den Angehörigen.

Entscheidend seien außerdem Prävention und Früherkennung – ein Feld, in dem auch die Krankenkassen aktiv sind. „Wir haben eine Reihe an Präventionsmaßnahmen, die gut angenommen werden“, erklärte Anne-Kathrin Klemm aus dem Vorstand des BKK-Dachverbands. Es hake aber daran, die verschiedenen Angebote miteinander zu verzahnen – und das gelte auch für die Behandlung von Menschen mit Depression. „Es bräuchte einen Patientenpfad, mehr Austausch und Wissensvermittlung zwischen den behandelnden Ärzt:innen und weniger Silodenken“, so Klemm.

Wichtig sei zudem, auch die Hausärzt:innen zu stärken und mit den entsprechenden Ressourcen auszustatten, um Betroffene einer Depression leitliniengerecht behandeln zu können, ergänzte Dr. Christian Beugholt.

Weitere Informationen zum Leben mit Depression und zusätzliche Ressourcen – etwa ein Begleitheft für Angehörige – gibt es auf dem Portal www.gemeinsam-gegen-depression.de

Mit freundlicher Unterstützung der Janssen-Cilag GmbH, a Johnson & Johnson Company

EM-166682    

Zur Startseite

console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })