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Carl Saltzmann malt den Potsdamer Platz.

© Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Berlins elektrisches Licht ab 1879: „Die best-beleuchtete Stadt der Welt“, schrieb die New York Times

Folge 11 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte dreht sich um den Siegeszug der Beleuchtungstechnik.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

Wenn man abends durch Berlin läuft, kann man über die Straßenbeleuchtung kaum meckern. Viel hat sich getan seit dem späten 17. Jahrhundert, als der Große Kurfürst das Aufhängen von Öllampen auf jedem dritten Haus entlang Hauptstraßen angeordnet hatte, um die nächtliche „Todesfallen“ zu erhellen. Im Jahr 1932 schrieb Mildred Adams, eine Reporterin der „New York Times“, Berlin sei „die best-beleuchtete Stadt der Welt“.

Es gab Neonlichter, die elektrische Beleuchtung im öffentlichen Raum, jede Menge neuer Lichtkonzepte überhaupt. Daran hatte die Firma Siemens & Halske (die ab 1901 übrigens im heutigen Verlagshaus des Tagesspiegels am Anhalter Bahnhof residierte) einen großen Anteil. Sie präsentierte ihre ersten elektrische Straßenlichter am „Sedantag“ (2. September) 1879 vor dem Roten Rathaus. Leider bestand die Anlage den Test nicht. Die Ingenieure mussten nacharbeiten.

Ein Jahr später erstrahlte der Pariser Platz am Brandenburger Tor in neuem Licht und diesmal überzeugte die Technik. Jedoch als man 1882 am Potsdamer Platz ausgestellte strombetriebene Lampen anknipste, fielen die Reaktionen sehr unterschiedlich aus: von bedingungsloser Begeisterung bis zu brodelnden Entrüstung. Die Gegner hatten eine klare Meinung: zu hell, zu grell, zu deutlich! Betrachtet man heute das von Carl Saltzmann im Jahr 1884 gemalte Bild vom „PoPla“ teilt man den Eindruck, dass das Licht ziemlich gnadenlos schien.

Das Gemälde „Erste elektrische Straßenbeleuchtung“ von Carl Saltzmann, gemalt um 1884. Das damalige Berliner Reichspostmuseum erwarb das Gemälde im Entstehungsjahr für 500 Reichsmark direkt vom Künstler.
Das Gemälde „Erste elektrische Straßenbeleuchtung“ von Carl Saltzmann, gemalt um 1884. Das damalige Berliner Reichspostmuseum erwarb das Gemälde im Entstehungsjahr für 500 Reichsmark direkt vom Künstler.

© Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Auch an der Innenraumbeleuchtung spalteten sich die Berliner Geister. Nicht, weil es schlechter war. In der „Kaisergalerie“ (auch als „Kaiserpassage“ bekannt) im Block Friedrich-/Behrenstraße/Unter den Linden, brachten die Differenzial-Bogenlampen schon seit 1879 den Schmuck der Besucher:innen zum Funkeln.

Als man aber vorschlug, das Preußische Herrenhaus (damalige Landtag) und den Reichstag elektrisch zu beleuchten, war Schluss mit lustig. Da meldeten sich die Nörgler und warfen den Ingenieuren vor, ihren Augen schaden zu wollen. Erst nachdem man eine ganze Truppe von Siemens & Halske-Mitarbeiter (Werner Siemens mag auch selbst dabei gewesen sein) zu sogenannten „Lichtsitzungen“ in verschiedene Räumen delegiert hatte und sich selbst überzeugen könnte, dass am Ende niemand erblindet war, wurde die Idee von elektrischen Lampen im Reichstag akzeptiert.

Berlin aufgenommen in der Internationalen Raumstation ISS in rund 400 Kilometer Höhe am 30. März 2016. Gut lassen sich die unterschiedlichen Lichtfarben der Straßenlaternen in West und Ost erkennen.
Berlin aufgenommen in der Internationalen Raumstation ISS in rund 400 Kilometer Höhe am 30. März 2016. Gut lassen sich die unterschiedlichen Lichtfarben der Straßenlaternen in West und Ost erkennen.

© FU BERLIN/FU Berlin

Nicht nur im Reichstag. In neun langen Jahren zwischen 1882 und 1891 (es war nicht einfach, die alten Gemäuer zu verkabeln) stellten Siemens & Halske auch Berliner Stadtschloss unter Strom.

Elektrizität war fortan „in“. Im Jahr 1884 entstanden AG „Städtische Elektricitäts-Werke zu Berlin“, Europas erster öffentliche Stromversorger, gegründet von Oskar von Miller und Emil Rathenau – der Mann hinter der Deutsche Edison Gesellschaft (später AEG) und bald Siemens größter Konkurrent. Ein Jahr danach wurde in der Markgrafenstraße 44 Deutschlands erstes Wärmekratwerk, mit zwölf Dynamomaschinen und 540 Kilowatt Gesamtleistung, eingeweiht.

Ein Kandelaber am Potsdamer Platz im Jahr 1905.
Ein Kandelaber am Potsdamer Platz im Jahr 1905.

© zlb digital/ZLB Digital

Die späten 1920er- und frühen 1930er-Jahre brachten Quantensprünge in der Beleuchtungstechnik, die bekannterweise eine große Rolle im Berliner Nachtleben spielte. Alles funkelte, leuchtete und lebte auf, wie es Curt Moreck in seinem 1931 „Führer durch lasterhaftes Berlin“ darstellt: „Der echte Großstadtmensch spürt in seinen Adern und Nerven, wenn der elektrische Strom in die Millionen Glühlampen schießt und sie aufflammen lässt.“ Ein Bummel unter Lichtreklamen sei „wie eine belebende Dusche“.

So war es allerdings nur im Stadtzentrum: Die meisten gewöhnlichen Straßen abseits von Ku’damm, den Linden und der Leipziger Straße wurden bis in die 1960er mit Gaslaternen beleuchtet. Komplett dunkel wurde es am 20. März 1935, als die Stadtverwaltung erstmals eine Verdunkelungsübung ansetzte. Sie war der Anfang eines sehr dunklen Kapitels in der Geschichte der Stadt. Zehn Jahre später gingen in Berlin alle Lichter aus.

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