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Felix Ayoh’Omidiré.

© privat

Die Ahnen ehren: „Wir freuen uns über einen guten Tod“

Belohnung für ein verantwortungsvoll geführtes Leben: Felix Ayoh’Omidire erklärt, warum die Yoruba bei Beerdigungen feiern und lachen.

Professor Ayoh’Omidire, gibt es so etwas wie einen guten Tod?

Auf jeden Fall! Wenn ein Mensch in einem höheren Alter stirbt, umgeben von Kindern und Enkeln, nach einem erfüllenden, verantwortungsvollen Leben, dann ist das für uns Yoruba ein guter Tod - auch wenn er durch eine Krankheit oder einen Unfall hervorgerufen wurde. Wir beglückwünschen dann die Angehörigen und feiern mit ihnen.

Das heißt, Sie trauern gar nicht um einen solchen Menschen?

Doch, natürlich weinen wir auch, jeder möchte ja seine geliebten Angehörigen und Freunde so lange wie möglich um sich haben. Wenn ich zu einer Beerdigung gehe, dann weine ich zuerst mit den Hinterbliebenen. Aber danach essen, trinken und lachen wir alle zusammen. Denn es ist ein großes Glück, wenn ein Mensch so stirbt, dass die Nachfahren zu ihm oder ihr aufsehen können, dass die Verstorbenen zu würdigen Ahnen werden können.

Was ist das, ein würdiger Ahne?

Wir Yoruba glauben, dass es drei Welten gibt, die miteinander in Kontakt stehen: die Welt der Lebenden, die der Verstorbenen und die Welt derjenigen, die noch auf ihre Geburt warten. Alle drei können sich an einem Ort treffen, den wir „Marktplatz“ nennen. Die Verstorbenen leben weiter, in der Erinnerung ihrer Nachfahren, und sie können Einfluss auf deren Leben nehmen. Es ist wichtig für die Lebenden, Hilfe und Schutz von den Ahnen zu bekommen, und daher kümmern sie sich auch um die alten Menschen bis zu deren Tod.

Wie weit sind diese kulturellen Praktiken auch heute noch in Nigeria, etwa in der Millionenstadt Lagos, lebendig?

Kultur ist immer dynamisch, niemals statisch, und vieles verändert sich. Zum Beispiel hat man früher die Toten tagelang, manchmal wochenlang bei sich zu Hause behalten und sie auch so nah wie möglich am Haus oder im Haus begraben. Ich selbst habe als Junge meine Schularbeiten über dem Grab meines Großvaters gemacht. Das ist in einem Hochhausapartment in Lagos nicht möglich. Aber die Essenz bleibt. Wir sehen den Tod nicht als etwas Negatives, sondern als Übergang in eine andere Welt. Und eine Beerdigung ist eine Gelegenheit zusammenzukommen und Menschen zu treffen, die man lange nicht gesehen hat.

Sie sind Gastprofessor an der Humboldt-Universität. Hatten Sie schon Gelegenheit, eine deutsche Beerdigung zu erleben?

Nein, aber ich gehe fast täglich auf dem Weg zur Arbeit über einen Friedhof. Dort sehe ich, dass die Menschen Blumen an den Gräbern ablegen oder Kerzen aufstellen: Das ist auch eine Art, mit den Verstorbenen zu kommunizieren. Jede Kultur geht unterschiedlich mit ihren Toten um, aber eines ist doch allgemein menschlich: dass wir versuchen, die Toten mit Respekt zu behandeln. Keine menschliche Kultur würde empfehlen, verstorbene Angehörige zu kochen und zu essen.  

Können die Europäer womöglich etwas von den Yoruba lernen, was den Umgang mit dem Tod betrifft?

Wir glauben nicht an das Paradies oder die Hölle. Aber wir sind überzeugt, dass es eine Belohnung für ein gutes Leben gibt: in der Erinnerung der Nachfahren, mit ihnen weiterzuleben. Von uns lernen? Nein. Wenn euch etwas daran gefällt, macht es gerne nach – aber wir wollen niemanden belehren und denken nicht, dass unser Weg der einzig richtige wäre.

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