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Die Bezirksverordnetenversammlung tagt im Sitzungssaal des Rathauses.

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Berlin-Spandau: Realsatire in der BVV Spandau: "Sie Pseudo-Politiker!"

Äääh, hat hier jemand die Bodenwelle gesehen? Die Sitzungen der Spandauer Bezirksverordnetenversammlung gleichen manchmal eher einer Doku-Soap. Ein Ortstermin.

Eigentlich bildet der Gunfight den Höhepunkt am Ende eines jeden guten Western. Doch im wilden Westen von Berlin bat CDU-Fraktionsvize Thorsten Schatz Bürgermeister Helmut Kleebank (SPD) am Mittwochabend schon zu Beginn der Sitzung der Spandauer Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zum Showdown. Gleich mit drei mündlichen Anfragen zu Verzögerungen von Schulsanierungen versuchte er im begonnenen Wahljahr vergeblich, den Bezirkschef aus der Ruhe zu bringen.
Auffällig dagegen, wie die jeweiligen Parteifreunde die Teilnehmer des verbalen Schlagabtausches anfeuerten.

Jede Nachfrage von Schatz - drei sind pro Vorgang zulässig und das wurde natürlich auch ausgereizt - bedachten die Christdemokraten mit frenetischem Applaus, indem sie auf ihre Tische klopften. Und bei jeder Antwort des Bürgermeisters klopften die Sozialdemokraten gleichermaßen begeistert zurück. Dabei waren die so gefeierten Dialoge eher bescheiden. Schatz: „Wurden die rechtlichen Möglichkeiten auf Schadenersatz geprüft?“ Gepolter! Kleebank: „Selbstverständlich.“ Gepolter!

Himmel, wo ist diese Bodenwelle?!

Indessen gab es ganz andere Themen, die eine volle Aufmerksamkeit der geplagten Volksvertreter erforderten. So beantragten die Piraten die Beseitigung einer Bodenwelle in der Neuendorfer Straße, bei der es sich um eine Fata Morgana zu handeln schien. Sie bringt die Autos schon seit Jahren zum Hüpfen, klagte die Bezirksverordnete Marion Schunke. Doch Jochen Liedtke von der SPD konnte bei diversen Besuchen der fraglichen Kreuzung „außer der normalen Erdkrümmung“ nichts feststellen.

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Prompt meldete sich Brigitte Apel-Sielemann (Grüne) zu Wort, um zu bekräftigen, dass sie bei häufigen Fahrten in diesem Straßenabschnitt auch nichts bemerkt hat und es für „nicht richtig“ hält, „über eine nicht vorhandene Bodenwelle abzustimmen“. Worauf Jens Julius (SPD) per Zwischenruf forderte, dass alle weiteren Bezirksverordneten aufstehen sollten, falls sie dort auch schon einmal entlanggefahren sind. Während Piratin Schunke ankündigte, die vermeintliche Bodenwelle nunmehr zum Beweis fotografieren zu wollen, wurde der Antrag von den Verordneten vorsorglich schon einmal zur weiteren Prüfung an den zuständigen Ausschuss überwiesen, man kann ja nie wissen.

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Sitzungsstopp nach Verbal-Attacke

Wer da schon die Besucherterrassen verließ, vor Verzweiflung oder weil lautes Gelächter der Zuhörer als Störung der Sitzung ausgelegt werden kann, verpasste den nächsten Höhepunkt. Aus der Frage, ob der CDU-Antrag zur Einrichtung von Unterrichtsräumen direkt in den neu in Siemensstadt entstehenden Flüchtlingsquartieren sofort beschlossen oder in den Ausschüssen diskutiert werden soll, entspann ich eine Endlos-Debatte. Dabei erhitzten sich die Gemüter derart, dass SPD-Fraktionschef Christian Haß den CDU-Mann Schatz und den parteilosen Ex-Sozialdemokraten Jürgen Kessling als „Pseudo-Integrationspolitiker“ titulierte. Damit war nach einer guten Stunde erst einmal Schluss, denn Kessling ließ die Sitzung unterbrechen und den Ältestenrat einberufen, um über den Affront unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu debattieren.

BVV als neue Doku-Soap im TV?

Ein solcher Verlauf ist kein Einzelfall und so verirrt sich kaum noch ein nicht von den behandelten Themen betroffener Bürger in die Sitzungen der BVV. Diese haben besonders in Wahlkampfzeiten oft wenig kommunalpolitischen Nutzen, aber umso mehr Unterhaltungscharakter. Vielleicht liegt in der allmonatlichen Realsatire ja eine Chance zur Aufbesserung der knappen Bezirksfinanzen. RTL und SAT1 dürften sich bei einem Verkauf der Senderechte bestimmt gegenseitig überbieten. „Bezirksverordnete im Einsatz“ zwischen „Auf Streife“, „Richterin Barbara Salesch“ und den Geissens wären mit ein paar fest installierten Kameras leicht zu inszenieren und hätten sicher große Einschaltquoten. Wie bei den anderen Doku-Soaps würden sich die Zuschauer fragen, ob denn das alles echt sein kann, was sie da sehen. Doch selbst die Sitzungsunterbrechungen wären gewollt, denn es muss ja noch Platz für die Werbeblöcke geben: BVV Spandau, präsentiert von MacBurger und Bubble-Schaumbad. Ob ein solches Projekt wohl mehrheitsfähig bei den Bezirksverordneten wäre?

Wie es weiterging lesen, Sie unter diesem Tagesspiegel-Link - wir sind am nächsten Mittag zur ominösen Bodenwelle gefahren.

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