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Hochhäuser im Osten von Berlin.

© IMAGO/Funke Foto Services

Bis zu 3,7 Prozent: Landeseigene Wohnungsunternehmen in Berlin dürfen Mieten stärker erhöhen als gedacht

Bislang hieß es, Mieten bei den Landeseigenen dürften ab Januar um 2,9 Prozent jährlich angehoben werden. Doch im Einzelfall könnten Erhöhungen deutlich darüber liegen.

Die Mieten bei den Landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin dürfen ab Januar stärker erhöht werden als dies bisher vom Senat kommuniziert wurde: um bis zu 3,7 Prozent pro Jahr. Ende September schrieb die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in einer Pressemitteilung noch, die Bestandsmieten der etwa 360.000 Wohnungen könnten laut der neuen Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und Landeseigenen „pro Jahr um 2,9 % erhöht werden“.

Nun stellt sich heraus: Bei den 2,9 Prozent handelt es sich um Durchschnittswerte für das jeweilige Unternehmen und nicht um Grenzwerte für die einzelnen Mieterhaushalte. Das bestätigte der zuständige Senator Christian Gaebler (SPD) am Montag im Stadtentwicklungsausschuss.

Damit haben wir, glaube ich, eine gute Absicherung, dass es hier nicht zu übermäßigen Belastungen kommt.

Christian Gaebler, SPD, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

Zuvor hatte die „Berliner Zeitung“ von einem Schreiben des Staatssekretärs Stephan Machulik (SPD) an die Landeseigenen Wohnungsgesellschaften berichtet, in dem es heißt: „Die Mieterhöhungen basieren auch auf dem Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen, sodass bei Mieterhöhungen die Grenze von 11 Prozent zur Anwendung kommt.“ Machulik bezieht sich hier offenbar auf die Mieterhöhungsgrenze von maximal elf Prozent in drei Jahren, die im Wohnungsbündnis zwischen einigen Akteuren der privaten Wohnungswirtschaft und dem Senat geschlossen wurde.

Im Einzelfall: elf Prozent in drei Jahren

Im Stadtentwicklungsausschuss bestätigte Gaebler nun auf Nachfrage der Grünen-Abgeodneten Katrin Schmidberger, dass die Mieten „in Summe“ nur um den festgelegten Prozentsatz von 2,9 Prozent steigen dürften. Im Volltext der Kooperationsvereinbarung wird tatsächlich genau diese Formulierung verwendet: „dass in Summe die Mieten für die Bestandsmietverträge um nicht mehr als 2,9 % jährlich steigen“. Abweichungen in Einzelfällen seien möglich, sagte der Senator nun im Ausschuss, diese dürften insgesamt die Höhe von elf Prozent in drei Jahren nicht überschreiten.

Außerdem gebe es absolute Beträge, die bei den Erhöhungen durch die Landeseigenen nicht überschritten werden dürften: Wohnungen des Landeseigenen mit einer Größe bis zu 65 Quadratmeter dürften Mieterhöhungen von 50 Euro bekommen, Wohnungen bis zu einer Grüße von 100 Quadratmeter maximal 75 Euro und Wohnungen bis 125 Quadratmeter maximal 100 Euro. Außerdem gebe es das sogenannte Leistbarkeitsversprechen, laut dem bei Haushalten mit Wohnberechtigungsschein die Nettokaltmiete nicht mehr als 27 Prozent des Haushaltseinkommens übersteigen darf. „Damit haben wir, glaube ich, eine gute Absicherung, dass es hier nicht zu übermäßigen Belastungen kommt“, sagte Gaebler im Ausschuss.

Dies sei im Übrigen genau die gleiche Regelung, die in der ersten Kooperationsvereinbarung unter der einstigen Linken-Senatorin Katrin Lompscher getroffen worden sei, sagte Gaebler. Man schreibe diese nun lediglich mit einem neuen Prozentsatz fort.

Wirklich die gleiche Regelung wie 2017?

Das stimmt allerdings nur halb: Tatsächlich findet sich in der alten Kooperationsvereinbarung aus dem Jahr 2017 zunächst die gleiche Formulierung: Dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sicherstellen sollten, dass „in Summe die Mieten für die Bestandsmietverträge“ um nicht mehr als einen festgelegten Prozentsatz, damals von zwei Prozent, jährlich steigen. Dann geht es allerdings mit Sätzen weiter, die sich nur auf die individuellen Mietverhältnisse beziehen können: „Einmalige Mietanhebungen um 8 % innerhalb von vier Jahren sollen nicht erfolgen. Einmalige Mietanhebungen bis zu 4 % innerhalb von 2 Jahren sind möglich.“

Vergleichbare Sätze, die sich auf maximale Anhebungen für die einzelnen Mieterhaushalte beziehen, fehlen in der neuen Kooperationsvereinbarung. Für die einzelnen Mieterhaushalte der Landeseigenen heißt das nun, dass ihnen innerhalb von drei Jahren die Mieten um elf Prozent erhöht werden könnten – statt wie in der vorangegangenen Kooperationsvereinbarung um vier Prozent in zwei Jahren.

Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, sagte dem Tagesspiegel, die neue Regelung sei deutlich schlechter als bisher: „Statt bisher eine verbindliche Grenze bei 4% in 2 Jahren zu ziehen, gibt es jetzt eine Durchschnittszahl 2,9% für das gesamte Unternehmen, auf die keine Mieterin ein Recht anmelden kann.“ Das seien große Defizite beim Mieterschutz: „Hier wurde nur auf die Interessen der Unternehmen geachtet, nicht auf gestärkte Rechte der Mieter:innen.“

Auch Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) reagiert verärgert auf die nun bekanntgewordende Möglichkeit zu höheren Mieterhöhungen: „Zwar lässt der Wortlaut der Regelung in der Kooperationsvereinbarung für das einzelne Mietverhältnis auch eine höhere Mieterhöhung zu, jedoch hätte dies von Anfang an unmissverständlich öffentlich kommuniziert werden müssen. Stattdessen ist suggeriert worden, dass die 2,9 % für das einzelne Mietverhältnis gelten. Dies ist ein ganz schlechter Stil.“

Der Senat reagiere extrem intransparent, kritisiert der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker: „Mit bis zu 11 Prozent Mietsteigerungen reizt der Senat fast vollständig den gesetzlich zulässigen Spielraum aus. Das ist ein echter Hammer.“ Angesichts ohnehin steigender Kosten für Lebensmittel und Energie sei das für Viele nicht leistbar. Der Verweis des Senats auf das sogenannte Leistbarkeitsversprechen“ sei nicht sehr beruhigend, so Schenker: „In den vergangenen Jahren haben nur sehr wenige Mieterinnen und Mieter Härtefallanträge gestellt, noch weniger wurden bewilligt. Ich bin nicht sehr optimistisch, dass sich das ändert.“

Auch die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger reagiert verärgert: „Die niedrigere Zahl in der Öffentlichkeit als Grenze zu kolportieren, aber dann im Konkreten doch höhere Mieten durchzusetzen, wirkt nicht nur wie eine politisch beabsichtigte Täuschung, sondern wird zu viel Unmut bei den Mieter*innen führen und steigert nicht das politische Vertrauen in den Senat.“ Dass der Senat sich jetzt nur an die Regelungen, die im Rahmen des Bündnisses mit den privaten Wohnungsunternehmen vereinbart wurden, halten wolle, werde dem Anspruch der landeseigenen Wohnungsunternehmen für eine soziale Wohnraumversorgung nicht gerecht, so Schmidberger: „Das wird die Mietpreisdämpfende Wirkung das Landeseigenen auf die Mietspiegel auch leider deutlich verringern.“

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