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Polizeiwagen stehen am Dienstag (11.09.2012) vor dem Landgericht Moabit in Berlin. Der Prozess gegen vier Mitglieder der Rockergruppe Bandidos wegen eines Racheaktes an den verfeindeten Hells Angels ist streng bewacht eröffnet worden. Im Prozess sitzt ein Aussteiger, der sich den Ermittlern anvertraute.

© dpa

Ex-Rocker als Kronzeuge vor Gericht: Großes Polizeiaufgebot für 24-jährigen Aussteiger

Streng bewacht sagte am Dienstag erstmals in Berlin ein früherer Rocker gegen einstigen "Brüder" aus. Im Gegenzug kann der Kronzeuge mit einer sehr milden Strafe rechnen.

Keine Lederkutten, keine martialischen Aufnäher, keine einschüchternden Symbole. Nur einige Herren mit breiten Schultern saßen auf den hinteren Zuschauerbänken des Gerichtssaales. Sie schienen die vier Männer auf der Anklagebank zu kennen. Doch die tätowierten Besucher gingen bald. Die Polizeipräsenz war ihnen möglicherweise zu stark: Streng bewacht sagte am Dienstag erstmals in Berlin ein früherer Rocker gegen einstige „Brüder“ aus.

In der Szene gilt ein striktes Redeverbot gegenüber der Polizei. Konflikte tragen die gegnerischen Rocker untereinander aus. Doch Roman L. brach die Mauer des Schweigens. „Ich will mit der kriminellen Vergangenheit komplett abschließen.“ Er und die drei Mitangeklagten seien im Januar 2010 als Mitglieder des Bandido-Supporterklubs La Onda nach Marzahn gefahren und hätten ein Auto angezündet. Es war nach seinen Angaben ein Racheakt gegenüber den Hells Angels. „Es ging um Vergeltung“ für einen Angriff auf einen „Bruder“.

Aussteiger L. ist jetzt Kronzeuge. Er sitzt im Saal weit entfernt von den anderen einstigen Rockern und zudem in einem Kasten aus Panzerglas. Er soll bei der Aufklärung des Brandanschlags und weiterer Taten geholfen haben. Es wird aufgrund seiner Aussagen demnächst noch einen zweiten Prozess geben, in dem sich weitere mutmaßlich kriminelle Rocker verantworten müssen. In dem laufenden Prozess kann L. damit rechnen, dass er im Gegenzug eine sehr milde Strafe erhält. Das Landgericht stellte in Aussicht, ihn schuldig zu sprechen und von Strafe abzusehen.

In den letzten Monaten ist in der Rockerszene viel passiert: Gewalt eskalierte, Innensenator Henkel verbot im Mai eine wichtige Abteilung der Hells Angels. Die Ermittler machen Druck, eine „Task Force Rocker“ hat ihre Arbeit aufgenommen. Und die Polizei will kriminellen Rockern offensiver als bislang beim Ausstieg aus der Szene helfen. Seit 2009 existiert die Kronzeugenregelung für jene, die sich aus dem Milieu lösen und zur Aufklärung von schweren Straftaten beitragen. Die Ankläger hoffen, dass ein Absehen von Strafe gegen L. als Signal in die Szene geht, „dass wir Aussteiger, die andere belasten, nicht im Regen stehen lassen“.

Der Kronzeuge ist wie die Mitangeklagten Konstantin S. (25) und Benno Sch. (22) vorbestraft. Es ging jeweils um milieutypische Auseinandersetzungen. Sie sind inhaftiert, haben sich inzwischen angeblich alle aus der Szene gelöst und legten kurze Geständnisse ab. Der Expräsident des Klubs allerdings warf L. vor, er wolle sich „als Unschuldslamm hinstellen“, habe seinen Beitrag zur Zündelei runtergespielt. „Dabei hatte er alles geplant“, sagte der Expräsident. Der Prozess geht heute weiter. Kerstin Gehrke

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