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Update

Vier Monate ohne Bewährung: Erstmals Klimaaktivistin in Berlin zu Haftstrafe verurteilt

In Berlin wurde die erste Klimaaktivistin zu einer Haftstrafe verurteilt. Sie hatte sich vergangenes Jahr an den Rahmen eines Cranach-Gemäldes geklebt.

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Die Klimaaktivistin und ihr Anwalt schienen fassungslos. „Das ist lächerlich und populistisch“, erklärte der Verteidiger und legte umgehend Rechtsmittel ein. Vier Monate Haft hat das Amtsgericht Tiergarten am Mittwoch gegen Maja Winkelmann verhängt. In Berlin wurde damit erstmals eine Klimaaktivistin zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt.

Maja Winkelmann musste sich am Mittwoch vor dem Amtsgericht verantworten.

© dpa/Paul Zinken

Maja Winkelmann war eine der beiden Frauen, die im August 2022 in der Berliner Gemäldegalerie ihre Hände am Rahmen des Gemäldes „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ von Lucas Cranach dem Älteren (1472-1553) festklebten. Zudem ging es im Prozess um eine Straßenblockade – im Juni 2022 hatte sich die 24-Jährige bei einer Aktion am Hohenzollerndamm festgeklebt.

Im Fall der Aktion in der Gemäldegalerie sprach das Gericht Maja Winkelmann der gemeinschädlichen Sachbeschädigung schuldig; im Fall der Blockade der versuchten Nötigung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. „Die Grenzen des legitimen Protests wurden überschritten“, befand Richterin Susanne Wortmann. Es sei nicht hinnehmbar, dass sich „Teile der Gesellschaft mit Hinweis auf ihr Ziel nicht an die Gesetze halten“.

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Zum Prozess war es gekommen, weil die 24-Jährige gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte. Darin war eine Geldstrafe verhängt worden. Wenn die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl beantragt, wird von einem Geständnis ausgegangen.

Das aber könne man von Maja Winkelmann nach der Verhandlung nicht mehr sagen, erklärte die Richterin. Die 24-Jährige – schon oft als Aktivistin in Erscheinung getreten, aber noch nicht rechtskräftig verurteilt – habe sich uneinsichtig gezeigt und erklärt, dass sie derartige Aktionen fortsetzen werde. „Das Gericht sieht keine positive Sozialprognose.“ Die Strafe sei aus „spezial- und generalpräventiven Gründen erforderlich“.

Maja Winkelmann ist eine ruhig und zurückhaltend wirkende Frau. Sie stammt aus Bayern, hat Design studiert. „Seit einem Jahr leiste ich friedlichen Widerstand“, berichtete die 24-Jährige. Sie sei davon überzeugt, dass sie angesichts des Klimanotstands moralisch richtig handle. Bei der Aktion in der Gemäldegalerie hätten sie und ihre Mitstreiterin darauf geachtet, dass das Bild nicht beschädigt wird – „ich schätze Kulturgüter“. Sie sprach in der Öffentlichkeit für die „Letzte Generation“ und wurde von der Gruppe mehrfach wegen Aktionen namentlich präsentiert.

Winkelmanns Verteidiger stellte unermüdlich Beweisanträge. Dabei ging es unter anderem um die Frage, ob der Holzrahmen tatsächlich einzigartig und wertvoll ist. 2385 Euro soll die Restaurierung gekostet haben.

Von dem Urteil zeigte sich auch die Staatsanwaltschaft überrascht. Sie hatte 900 Euro Strafe – 90 Tagessätze zu je zehn Euro – verlangt. Der Verteidiger plädierte auf Freispruch. Der Fall wird in die nächste Instanz gehen.

Diese Verurteilung macht mir unheimlich Angst, aber es macht mich auch unglaublich wütend.

Maja Winkelmann, Klimaaktivistin

„Diese Verurteilung macht mir unheimlich Angst, aber es macht mich auch unglaublich wütend“, kommentierte Winkelmann. „Hier werden Menschen hinter Gitter gebracht, die sich dafür einsetzen, dass unsere Grundrechte eingehalten werden.“

Das Cranach-Gemälde „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ zeigt Maria und Joseph mit dem Jesus-Kind, die sich auf ihrer Flucht umringt von einer Schar von Engeln erschöpft ausruhen. Die „Letzte Generation“ hatte die Wahl des Bildes so begründet: „Auf einer zwei oder vier Grad heißeren Welt wird es keine sichere Zuflucht mehr geben.“

Bislang waren Klimaaktivisten in Berlin nur zu Geldstrafen verurteilt worden. Nach der jüngsten Statistik der Justiz bis 20. April sind 63 Entscheidungen – Urteile und Strafbefehle – gegen Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ ergangen. Davon sind 23 Entscheidungen des Amtsgerichts Tiergarten rechtskräftig, ebenso durch Urteil des Landgerichts in einem Berufungsverfahren. Gegen Aktivisten der Gruppe „Extinction Rebellion“ sind fünf Urteile und Strafbefehle ergangen, davon ist ein Fall rechtskräftig.

Die Staatsanwaltschaft führt aktuell mehr als 1700 Ermittlungsverfahren zu Aktionen der „Letzten Generation“, mehr als 600 Strafbefehle wurden beantragt, knapp 20 Anklagen erhoben. In den meisten Fällen geht es um Nötigung, hinzu kommen seltener Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruch. Die Ausnahme bildet der Vorwurf der Gefährdung des Straßenverkehrs.

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