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Brandenburg: Hundert Jahre Arbeit statt Almosen

Mehr als 2500 Menschen werden in den Hoffnungstaler Anstalten betreut. Am Montag ist Jubiläumsfeier

Lobetal - Es herrscht eine gespannte Stimmung in der kleinen, schlichten Kirche von Lobetal. Das Fernsehteam verfolgt mit mehreren Kameras die Heimbewohner und Mitarbeiter der Hoffnungstaler Anstalten: den Chor beim Singen, die Kinder beim Pantomimenspiel, den Anstaltsleiter bei seiner Andacht. Es ist die Generalprobe für den Gottesdienst zum hundertjährigen Bestehen des Vereins „Hoffnungstal“, der am Ostermontag um 10 Uhr in der ARD übertragen werden soll.

Pastor Johannes Feldmann spricht immer wieder von Anstaltsgründer Friedrich von Bodelschwingh und dessen Vermächtnis, „…dass ihr mir niemanden abweist!“ Vor hundert Jahren wurden Hoffnungstal, Lobetal und Gnadental als Arbeiterkolonien für Berliner Obdachlose gegründet. „Friedrich von Bodelschwingh nannte sie nicht Abschaum der Gesellschaft, wie es manche andere taten, sondern Brüder der Landstraße“, sagt Feldmann.

Das 700-Seelen-Dorf Lobetal im Landkreis Barnim hat sich zum Zentrum der Hoffnungstaler Anstalten entwickelt. In den verschiedenen Wohnheimen, rund um das Ursprungshaus „Alt-Lobetal“ in den Wald und an den Mechesee gebaut, leben heute mehr als 300 Alte, Behinderte oder Suchtkranke in betreuten Heimen. Ebenso viele Pfleger und Helfer lernen am Diakonischen Bildungszentrum ihren Beruf. Über mehrere Nebenstellen in den Nachbardörfern und ganz Brandenburg verteilt bieten die Hoffnungstaler Anstalten mehr als 2500 Menschen Platz zum Leben und Arbeiten, zum Beispiel in der anstaltseigenen Baumschule.

„Diese gelebte Integration ist einmalig“, sagt Feldmann, der seit elf Jahren die Anstalten leitet. „Es ist wunderschön, den Menschen, für die ich arbeite, auf der Straße als Nachbarn zu begegnen.“ Auch wenn es finanziell schwieriger geworden sei, habe die Anstalt es geschafft, ihren Anspruch aufrechtzuerhalten. „Der Mensch muss bestimmen, was für ihn gut ist“, heiße die Maxime.

Regina Hofmann zum Beispiel hat sich entschlossen, ihren Zimmernachbarn zu heiraten. Die 44-Jährige lebt in einem Haus für geistig Behinderte, das in kleine familiäre Wohngruppen unterteilt ist. „Der arbeitet hier so gerne, und ich führe hier den Haushalt“, beschreibt sie ihr Zusammenleben, während ihr Verlobter draußen Laub harkt.

Als die ersten Kolonisten alt wurden, wuchs die ursprüngliche Arbeiterkolonie um ein Altersheim. Später kamen immer mehr Menschen, die von der Gesellschaft ausgestoßen waren, nach Lobetal. Von 1929 bis 1990 waren die Anstaltsleiter gleichzeitig Bürgermeister. Einige von ihnen machten sich einen Namen, indem sie Bodelschwinghs Auftrag auch gegen äußeren Druck treu blieben. Paul Gerhard Braune wehrte sich gegen die Vernichtung des von den Nazis so genannten „unwerten Lebens“. Lobetal wurde zur sicheren Zuflucht vor allem für geistig Behinderte – allerdings nicht für alle. Am Ostermontag 1942 konnte Pastor Braune die Deportation jüdischer Heimbewohner ins Warschauer Ghetto nicht mehr verhindern.

Nach der Wende zeigte Uwe Holmer, dessen zehn Kinder in der DDR nicht die Erweiterte Oberschule besuchen durften, Großmut: Der geschasste Staatsratsvorsitzende Erich Honecker und seine Frau Margot kamen von Januar bis April 1990 auf ihrer Flucht im Lobetaler Pfarrhaus unter. Inzwischen sind die Hoffnungstaler Anstalten mit mehr als 900 Beschäftigten Teil des Diakonischen Werks und arbeiten eng mit den von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, der Schwestereinrichtung, von der sie im Kalten Krieg getrennt waren, zusammen.

Am 19. Juni erreicht das Jubiläum mit dem Sommerfest seinen Höhepunkt. Bischof Wolfgang Huber soll eine Festpredigt unter freiem Himmel halten, Katja Ebstein und der Bundestagsabgeordnete Markus Meckel moderieren Gespräche im Bibelzelt, auch Manfred Stolpe wird erwartet. Er war schließlich mal Kassenwart des Vereins.

Lobetal im Internet:

www.lobetal.de

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