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Oberst Assimi Goita, Führer der Junta in Mali.

© REUTERS/Francis Kokoroko

Malis Zeitplan für den Übergang stockt: Braucht das Land überhaupt eine neue Verfassung?

Die Verschiebung des Referendums über ein neues Grundgesetz schürt Ängste – eigentlich sollen 2024 wieder Zivilisten die Macht übernehmen.

Mali befindet sich seit dem Militärputsch gegen das Regime von Ibrahim Boubacar Keita am 18. August 2020 in einem politischen Übergangsprozess. Doch fast drei Jahre später tut sich das Land schwer, den Übergang hinter sich zu lassen und zu Legalität und Demokratie zurückzukehren.

Das eigentlich für den 19. März geplante Referendum über eine neue Verfassung hätte ein wichtiger nächster Schritt sein sollen. Die Durchführung eines Referendums in ganz Mali wurde von Beobachtern als ein Testlauf für die Übergangsregierung bezeichnet.

Offiziell hieß es, dass die Wahlbehörde noch nicht operational sei und der Verfassungsentwurf noch besser bekannt gemacht werden müsse. Daher wurde das Referendum verschoben.

Militär versichert Einhaltung des Zeitplans

Um jeden Verdacht auszuräumen, dass das Militär die Übergangsperiode verlängern wolle, erklärte der Regierungssprecher, Oberst Abdoulaye Maïga, in seiner Pressekonferenz am 10. März, dass der Übergang gemäß dem mit der Westfrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas ausgehandelten Zeitplan im Februar 2024 enden werde.

Die Nichteinhaltung des 19. März als Termin für das Referendum wird von vielen Maliern als gefährliches Abgleiten in eine weitere Verlängerung der Übergangszeit angesehen. Für Hamidou Doumbia, führendes Mitglied der Partei Yelema („Wechsel“), ist die Verschiebung das Ergebnis einer „schlechten Planung“. Er fügte hinzu: „Der Minister spricht von einem späteren Termin, aber wir wissen nicht, wann dieser Termin sein soll.“

Verfassungsentwurf ist umstritten

Obwohl die Ausarbeitung einer neuen Verfassung eine der wichtigsten Empfehlungen der Konsultationstage nach im Mai 2021 war, werden immer mehr Stimmen laut, die sich dafür aussprechen, das Projekt einer neuen Verfassung aufzugeben. Zudem der Verfassungsentwurf nicht unumstritten ist. Unter anderem schwächt er die Rolle des Parlaments und stärkt die des Präsidenten. Auch gibt es eine Kontroverse um das Wort „Laizität“.

Die neue politische Bewegung „Appell des 20. Februar“, die mehrere politische Parteien und andere Vertreter der Zivilgesellschaft vereint, fordert die Einhaltung der Frist für das Ende des Übergangs. Und den Verzicht auf eine neue Verfassung. Sie ist der Ansicht, dass das Militär nicht die Legitimität hat, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Vor allem aber sei das keine Priorität, sondern die Eihaltung des Zeitplans für die Parlaments- und Präsidentschaftwahlen.

Als die Bewegung auf einer Pressekonferenz in Bamako ihre Forderungen erhob, kam es zu einer Schlägerei im Haus der Presse. Dieser Vorfall wurde weithin verurteilt und könnte die Debatte über Meinungsfreiheit und Grundrechte weiter polarisieren.

Übergangszeit nach zweitem Putsch verlängert

Das ideale Szenario wäre gewesen, wenn die Abstimmung am 19. März stattgefunden hätte. Nach dem Staatsstreich vom 18. August 2020 hatten die Militärs, die die Macht übernommen hatten, Tage der nationalen Konzertierung organisiert, bei denen die Prioritäten des Übergangs und seine Dauer auf 18 Monate festgelegt wurden.

Im Mai 2021 kam es jedoch zu einem zweiten Putsch, der von denselben Akteuren verübt wurde. Dieser zweite Putsch innerhalb von weniger als einem Jahr katapultierte Oberst Assimi Goita, der bis dahin Vizepräsident des Übergangs gewesen war, an die Spitze des Landes. Neue Absprachen ermöglichten eine Verlängerung der Übergangszeit bis Februar 2024.

Eine Anhängerin des Interimspräsidenten Oberst Assimi Goita.
Eine Anhängerin des Interimspräsidenten Oberst Assimi Goita.

© AFP/FLORENT VERGNES

Der Zeitplan für die Wahlen, der eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung ermöglichen soll, wurde mit der Westafrikanischen Wirtschftasgemeinschaft ausgehandelt, die aufgrund der Nichteinhaltung der ersten Frist wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen gegen das Land verhängt hatte, die schließlich wieder aufgehoben wurden.

Trotz des wachsenden Widerstands gegen eine neue Verfassung weicht Oberst Assimi Goita nicht zurück. In einem Kommuniqué, das am 15. März im nationalen Fernsehen verlesen wurde, forderte er die Regierungsmitglieder auf, „sich den Verfassungsentwurf anzueignen und alle geeigneten Vorkehrungen zu treffen, um ihn zu verbreiten“, bis ein neues Datum für das Referendum über die Annahme der Verfassung bekannt gegeben wird.

Diese politische Debatte findet vor dem Hintergrund einer angespannten Sicherheitslage statt, insbesondere in den zentralen Regionen des Landes (Mopti und Segou). Seit dem zweiten Staatsstreich im Mai 2021 haben sich die Militärs an der Spitze des Landes Russland angenähert, das nicht nur Waffen einschließlich Kampfflugzeugen liefert, sondern auch Ausbilder zur Verfügung stellt.

Der Abzug von „Barkhane“, der französischen Sahel-Truppe, aus Mali war eine Forderung von Teilen der Bevölkerung gewesen. Besonders wortstark sind die Mitglieder der Organisation „Yerewolo-Debout sur les remparts“, einer Organisation, die der Regierung nahe steht und sich für den Abzug der ausländischen Streitkräfte aus Mali einsetzt.

Die französische Einsatztruppe Barkhane hat Mali im August 2022 verlassen.
Die französische Einsatztruppe Barkhane hat Mali im August 2022 verlassen.

© AFP / MICHELE CATTANI/AFP

Diese Ablehnung der Sicherheitspolitik Frankreichs hat die Annäherung an Russland stark begünstigt. In einem gemeinsamen Kommuniqué, das im Dezember 2021 veröffentlicht wurde, bedauerten westliche Länder, dass Mali die Dienste der russischen Söldner-Gruppe Wagner in Anspruch genommen habe, doch die malischen Behörden wiesen diese Behauptung stets zurück und sprachen von russischen Hilfskräften.

4600
Menschen wurden in den vergangenen 12 Monaten getötet

Das Sicherheitsproblem betraf vor allem die nördlichen und zentralen Regionen des Landes, doch in den letzten Monaten wurden auch Anschläge in der Umgebung von Bamako verzeichnet. In den letzten 12 Monaten wurden laut der Nichtregierungsorganisation ACLED mehr als 4600 Menschen getötet. Die Unsicherheit breitet sich aus.

Neben dem Sicherheitsproblem stellen die schwierige Umsetzung des 2015 unterzeichneten Abkommens für Frieden und Versöhnung sowie Schwierigkeiten bei der Erstellung der Wahlkarten weitere Hindernisse für die Einhaltung des Wahlkalenders dar.

„Mein Wunsch ist, dass sich alle Akteure bei der Umsetzung des Abkommens die Hand reichen und dass das Vertrauen zurückkehrt“, hatte Hadizatou Mint Ziddou, Vertreterin der bewaffneten Unabhängigkeitsgruppen im Monitoringausschuss des Abkommens, vor einigen Tagen erklärt.

Die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali, Minusma, die seit 2013 in Mali tätig ist, hat nun Schwierigkeiten, ihre Arbeit zu machen. Neben ihrer Aufgabe, die Bevölkerung zu schützen, erstellt sie regelmäßig Berichte über die Menschenrechtslage im Land. Diese Berichte werden von den Behörden in Bamako aber als destabilisierende Maßnahmen bewertet.

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