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US-Präsident Joe Biden und der indische Premierminister Narendra Modi talks im November 2022.

© IMAGO/ZUMA Press

Washingtons Interesse an Indien: „Es geht vor allem um den Aufstieg Chinas“

Der Indien-Experte Richard Rossow über die Erwartungen an den Besuch des indischen Premierministers Modi in Washington und die Sorgen um den Zustand der bevölkerungsreichsten Demokratie.

Herr Rossow, warum ist das Weiße Haus so daran interessiert, die Beziehungen zu Indien zu vertiefen?
Dafür gibt es zwei Hauptgründe. Ein großer Teil der Konsultationen in dieser Woche wird sich auf die Verteidigungs- und Sicherheitsbeziehungen konzentrieren. Dabei geht es vor allem um die gefährlichen Elemente des Aufstiegs Chinas.

Indien teilt die Einschätzung der USA, dass China heute die größte Bedrohung für die globale und regionale Sicherheit darstellt. Wir müssen nun Wege der Zusammenarbeit finden, um sicherzustellen, dass wir diese Bedrohungen so weit wie möglich eindämmen können.

Und zweitens?
Das wirtschaftliche Wohlergehen unsere beiden Länder. Wichtig ist, dass unsere Volkswirtschaften in Zukunft viel stärker zusammenarbeiten, wenn wir weiter wachsen. Die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Indien sind etwas angespannt, aber die Zahlen zeigen, dass die USA heute der größte Handelspartner Indiens sind. Und Indien ist schon jetzt der achtgrößte Handelspartner der USA.

Wie sollte Washington auf die Innenpolitik von Premierminister Modi reagieren, der hart gegen Kritiker vorgeht?
Präsident Biden wird Fragen der Menschenrechte, der religiösen Toleranz und dergleichen wohl ansprechen. Aber das wird hinter verschlossenen Türen und in aller Diskretion geschehen.

Ich bin aber auch sicher, dass Premierminister Modi ähnliche Bedenken gegenüber den Vereinigten Staaten äußern wird. Immerhin haben wir eine Reihe von Angriffen auf unsere eigene Demokratie erlebt, nicht nur den auf das US-Kapitol, sondern auch auf die Gesetzgebung in mehreren Bundesstaaten, mit denen das Wahlrecht eingeschränkt werden sollte. Aber auch hier bin ich sicher, dass dies alles privat und diskret geschehen wird und nicht öffentlich während des Besuchs.

In Washington gibt es viel Kritik an Indiens Weigerung, den russischen Angriff auf die Ukraine zu verurteilen. Was müsste da geschehen?
Es hat sich schon etwas verschoben. Modi hat etwa erklärt, es sei nicht die Zeit für Krieg. Aber Indien wird kaum eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der Ukraine übernehmen. Wir müssen anerkennen, dass wir in einigen dieser Fragen Differenzen haben werden, und uns auf die positiven Bereiche der Zusammenarbeit konzentrieren.

Kann das gelingen?
In Washington setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass sich Indien irgendwann von selbst von Russland abwenden wird, unabhängig davon, ob wir das Land dazu drängen oder nicht. Russland wird Schwierigkeiten haben, einen Teil seiner Waffenlieferungen an Indien auf der Grundlage bestehender Verträge und Vereinbarungen zu erfüllen. Russland hat Schwierigkeiten, wichtige Komponenten aus anderen europäischen Ländern zu importieren. Und es braucht einen großen Teil der Waffen für den eigenen Bedarf.

Was wünscht sich Indien am meisten von Washington?
Die Inder wollen ein paar Dinge auf dieser Reise erreichen. Zunächst einmal wollen sie die Unterstützung der USA bei der Wiederbelebung des verarbeitenden Gewerbes, also bei Produkten „Made in India“. Sie wollen amerikanische Hilfe, um sicherzustellen, dass Hersteller, die sich von China abwenden, Indien als ihr nächstes Ziel ansehen.

Dabei geht es zum einen um die Schaffung von Arbeitsplätzen in der verarbeitenden Industrie, insbesondere im Technologiesektor. Zum anderen geht es um den Zugang zu Basistechnologien für die Rüstungsproduktion. Indien möchte seine Rüstungsproduktion autarker gestalten. Die USA würden natürlich am liebsten ganze Pakete nach Indien verkaufen.

Aber bei der Frage, ob Indien von Russland kaufen oder sich selbst versorgen soll, würden wir Indien lieber helfen, sich selbst zu versorgen. Daher werden wir auf dieser Reise wohl eine Reihe von Ankündigungen sehen, die sich auf den Austausch und die Entwicklung von Kerntechnologien für Verteidigungsgüter beziehen.

Drittens möchte Indien, dass sich die USA der Bedrohungen durch China in ihrer eigenen Region bewusster werden. Es gibt ein umstrittenes Grenzgebiet, die langsame Übernahme Bhutans, eine verstärkte chinesische Marinepräsenz im Indischen Ozean. Diese Risiken sollen nach indischer Auffassung eine größere Rolle in Washington spielen.

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