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© NASA/ESA

Leben und Überleben im All: Warum Moleküle für die Weltraumwissenschaft so interessant sind

Biophysiker Andreas Elsäßer simuliert im Labor Bedingungen auf anderen Planeten und erforscht, wie kosmische Strahlung auf organische Moleküle wirkt.

Von Catarina Pietschmann

Gibt es irgendwo da draußen Leben? Jeder, der jemals in einer Animation gesehen hat, wie winzig unser Sonnensystem im Vergleich zum gesamten Universum ist, würde das für wahrscheinlich halten. Denn mehr als eine Billion Gala­xien soll es dort noch geben. Die Frage ist nur: Wie sieht dieses Leben aus? Und werden uns jemals Informationen darüber erreichen? Seit vor rund 20 Jahren die ersten Exoplaneten entdeckt wurden – also Planeten, die um einen Stern außerhalb unseres Sonnensystems kreisen –, hat die Suche nach Leben im All neuen Schub bekommen. Doch wonach muss man da eigentlich suchen?

Mit Wesen auf zwei Beinen, die uns irgendwie ähneln, so wie Klingonen oder Romulaner aus dem Star-Trek-Universum, rechnet Andreas Elsäßer nicht. „Das Leben auf der Erde hat so viele Stufen bis zum intelligenten Leben erklommen, dass wir schon froh wären, die einfachsten Formen zu finden: Zellen oder sogar nur die Überbleibsel davon“, sagt der Biophysiker der Freien Universität Berlin.

Ein habitabler Planet ist an bestimmten Molekülen erkennbar

Man schaue quasi mit der „Erdbrille“ auf andere Planeten. Grundvoraussetzungen für Leben, wie wir es kennen, wären: ein habitabler Planet, auf dem Temperaturen zwischen null und 100 Grad Celsius herrschen, das Vorhandensein von Wasser und einer Atmosphäre, die vor der aggressiven kosmischen Strahlung schützt. Außerdem: irgendeine Form von Informationsmolekül, wie die DNS, und die Möglichkeit, zelluläre Einheiten zu bilden – zum Beispiel durch eine Membran.

Zellmembranen bestehen aus Fettsäuren, den Lipiden, Proteine aus Aminosäuren. Beide sind – aus irdischer Sicht – essenziell für biologische Systeme. „Wenn wir solche Moleküle finden und sicher sein können, dass sie nicht abiotisch entstanden sind, haben wir einen Hinweis darauf, dass Leben einmal da war – oder da ist.“

Andreas Elsäßer untersucht unter anderem an Proben, die außen an der Internationalen Raumstation (ISS) angebracht werden, wie kosmische Strahlung organische Moleküle und Kleinstorganismen verändert, etwa Bakterien und Hefen. In CubeSats, Minisatelliten, welche die ESA auf eine elliptische Bahn um die Erde bringt, verlassen solche Proben zeitweise sogar die Magnetosphäre der Erde und sind der Weltraumstrahlung völlig ungeschützt ausgesetzt. Dabei geht es nicht nur um Leben, sondern auch um Überleben im All. Denn die Weltraumbehörden der USA und Europas, NASA und ESA, sind mitten in der Planung für „Luna Orbital Gateway“, eine Raumstation in der Mond-Umlaufbahn und ein permanentes Moon Village auf dem Erdtrabanten, in dem Astronauten auf dem Weg zum Mars einmal Station machen sollen.

Was kosmische Strahlung mit Biomolekülen macht, sehen sich die Forschenden auch im Labor an. In Planetenkammern simulieren sie beispielsweise die Bedingungen auf dem Mars oder im interstellaren Raum, in dem Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt von minus 273 Grad Celsius herrschen. „In den Kammern bestrahlen wir diverse organische Proben, um zu sehen, welche stabil und spezifisch genug sind, um stichhaltige Hinweise auf Leben geben zu können.“ Sie kommen dann auf eine Prioritätenliste von Molekülen, nach denen Forschende auf dem Mars oder anderen Planeten suchen werden.“

Lipide stehen bereits auf der Liste, denn sie sind sehr stabil. Zugleich werden entsprechende Messmethoden entwickelt, um die gesuchten Substanzen aufspüren zu können. Andreas Elsäßer ist diesbezüglich gespannt auf das Jahr 2030, wenn die „Mars Sample Return Mission“ Proben zurückbringen wird, die von den Mars Rovern „Curiosity“ (2012) und „Perseverance“ (2021) gesammelt und bereitgelegt werden. „Die Analysemöglichkeiten ‚vor Ort‘ sind ja naturgemäß beschränkt, entwickeln sich auf der Erde aber rasant weiter“, sagt der Forscher.

In weiteren Experimenten werden mögliche Atmosphären von Exoplaneten simuliert. In die nach dem Matrjoschka-Prinzip aufgebauten mehrschaligen Kammern, deren äußerer Raum mit Stickstoff gespült wird, darf natürlich nichts Irdisches gelangen – weder Luft noch ein Fingerabdruck. Die Miniatur-Atmosphäre wird mit Photonen und Elektronen beschossen. Mit Spektrometern wird anschließend gemessen, wie sie sich durch das Bombardement verändert hat. „So erhalten wir Spektren, die uns Rückschlüsse auf Atmosphäre und Bewohnbarkeit von Exoplaneten erlauben“, erklärt Elsäßer. Von der Erde weiß man, welch wichtige Informationen die Atmosphäre über einen Planeten preisgibt: Dazu gehören Sauerstoffgehalt, Wasserkreislauf, Luftverschmutzung und Treibhauseffekt.

Auf entfernten Exoplaneten könnte das Leben längst vergangen sein – oder noch nicht entstanden

Aufgrund der immensen Entfernung von etlichen Lichtjahren lassen sich Exoplaneten von der Erde aus nicht direkt sehen. Einige kann man jedoch indirekt entdecken, wenn während des Transits eines Planeten vor seinem Stern sich dessen Helligkeit verändert. „Um weitere Informationen zu erhalten, sind wir darauf angewiesen, dass das Sternenlicht dabei durch die Atmosphäre des Exoplaneten hindurchgeht und Teile davon absorbiert“, erklärt An­dreas Elsäßer. „Anhand der Absorptionsspektren können wir dann messen, wie seine Atmosphäre aufgebaut ist.“

Vielleicht aber auch nur, wie sie einst aufgebaut gewesen ist? Denn die Lichtgeschwindigkeit, die Photonen mit 299.792.458 Metern pro Sekunde flitzen lässt, setzt der wissenschaftlichen Erkenntnis physikalische Grenzen. In nur einem Lichtjahr legt ein Lichtquant 9460 Milliarden Kilometer zurück. Proxima Centauri b, der erdnächste, potenziell habitable Exoplanet, umkreist den Stern Proxima Centauri. Und der liegt bereits 4,6 Lichtjahre von der Erde entfernt. Selbst mit der Sonde Yoyager1, die mit 62.000 Stundenkilometer durch das All rast, würde eine Reise dorthin 67.000 Jahre dauern.

Bei viel weiter entfernten Exoplaneten könnte das Leben dort schon längst vergangen oder noch nicht entstanden sein. Jemals irgendeinen Exoplaneten zu erreichen, gar besiedeln zu können, ist wohl nur eine Illusion. Aber, wer weiß? Vielleicht wird ja doch irgendwann so etwas wie der legendäre Warp-Antrieb von Raumschiff Enterprise erfunden...

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