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Sebastian Edathy.

© dpa

Sebastian Edathy: Vom Versuch, sein Privates politisch zu legalisieren

Sebastian Edathy meint, was er privat mache, sei allein seine Sache, solange es legal ist. Dazu gehöre auch das Betrachten von Bildern nackter Kinder. Zu seiner Verteidigung beruft er sich auf Gesetze gegen Kinderpornografie, an denen er selbst mitgewirkt hat. Genau das aber ist ein Problem.

In dem Interview, das der „Spiegel“ an einem geheimen Ort mit Sebastian Edathy geführt hat, erklärt dieser, was alles „gaga“ sei in seinem Fall. Normal dagegen ist für ihn das Betrachten von Bildern fremder, nackter Kinder, denn „der Kinder- und Jugendakt“ hat „in der Kunstgeschichte eine lange Tradition“. Wenn daran nur Pädophile Gefallen fänden, so Edathys Logik, hätten diese Bilder „niemals eine solche Verbreitung gefunden“.

Eher für normal hält Edathy auch, dass ihm ausgerechnet jener Laptop abhandengekommen ist, mit dem er die von ihm kunstgeschichtlich geadelten Aufnahmen Minderjähriger bei einem kanadischen Internethändler bestellt hatte; da sei schließlich „allein in der letzten Wahlperiode 20 Kollegen“ Ähnliches passiert.

Normal, so Edathy, sei nicht zuletzt, dass er ein Gegner von Kinderpornografie ist: „Ich hätte nie geglaubt, eine solche Selbstverständlichkeit jemals betonen zu müssen.“ Ein Blick zurück auf seine politische Karriere hätte ihm da etwas anderes gezeigt.

Sebastian Edathy hat sich in zuständiger und verantwortlicher Position immer wieder mit dem Thema beschäftigt und sich dazu auch mehrfach geäußert. Er war Vorsitzender im zuständigen Bundestagsinnenausschuss von 2005 bis 2009, also genau in der Zeit, als er in Kanada kaufte.

Sexuelle Gewalt gegen Kinder nannte er 2009 „ein abscheuliches Vergehen“, der Verbreitung von Kinderpornografie über das Internet dürfe „nicht tatenlos zugesehen werden“. Edathy war für die umstrittenen Internetsperren. Damit würden, so Edathy damals, auch „Internetnutzer geschützt“.

Er hat sogar mitgewirkt an der Änderung des Paragrafen 184b, der im November 2008 in Kraft trat und genau die Grenze zwischen legalem und illegalem Handeln zu beschreiben versucht, hinter der sich Edathy heute verschanzt.

Der Abgeordnete kann mit darüber bestimmen, was an seinem eigenen Verhalten so gerade noch legal ist

Im Jahr 2012 war in der juristischen Fachliteratur zu lesen, dass der Paragraf 184b entgegen der mutmaßlichen Regelungsabsicht des Gesetzgebers immer noch Lücken habe. Demnach seien weiterhin alle Fälle straflos, in denen ein Kind zwar in aufreizender Körperhaltung abgebildet ist, aber nicht handelt, sondern „ohne seinen Willen“ in Positur liegt, sitzt oder steht.

Ebenfalls im Jahr 2012 sagte Sebastian Edathy, jetzt Mitglied im Rechtsausschuss, auf eine Frage bei „Abgeordnetenwatch“: Die gesetzlichen Bestimmungen seien „meines Erachtens ausreichend“.

Edathy meint heute, was er privat mache, sei allein seine Sache, solange es legal ist. Im „Spiegel“-Interview vergleicht er seinen Fall mit dem eines fiktiven Bürgers: „Das private Verhalten meines Nachbarn muss mir nicht gefallen. Der kann ästhetisch finden, was er will. Wenn es legal ist, geht dieses Verhalten aber zugleich niemanden etwas an.“ Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen dem Bundestagsabgeordneten Edathy und seinem Nachbarn: Der eine kann an entscheidender Stelle mit darüber bestimmen, was an seinem eigenen Verhalten so gerade noch legal ist; der andere muss es nehmen, wie es kommt.

Der frühere Abgeordnete Sebastian Edathy hält den Einbruch des Rechtsstaats in sein Privatleben für einen Skandal. Aber er war es selbst, der sein Privates politisch gemacht hat, und sein Politisches privat.

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