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Gerhard Schröder, Alt-Bundeskanzler, und seine Frau So-yeon Schröder-Kim stehen nach der Verleihung vor dem Kurt-Schumacher-Haus in Hannover.

© dpa/Moritz Frankenberg

Schröder-Ehrung in Hannover: „Tja, so viel Aufmerksamkeit bekommt nur der Gerd!“

Die SPD ehrt den Altbundeskanzler für 60 Jahre Mitgliedschaft. Alte Weggefährten sind dabei. Sie haben kein Verständnis für den Umgang mit Schröder. Die Kritik an der SPD-Spitze ist deutlich.

Da stehen sie zusammen vor dem Kurt-Schumacher-Haus im herbstgrauen Hannover, zwei Granden der niedersächsischen Sozialdemokratie. Herbert Schmalstieg, 80, mehr als 30 Jahre Oberbürgermeister der niedersächsischen Landeshauptstadt, hat die Feier an diesem Tag organisiert. Altkanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder wird geehrt für 60 Jahre Mitgliedschaft in der SPD. Gegen alle Widerstände in der eigenen Partei.

Neben Schmalstieg steht Stefan Schostok, 59, ebenfalls mal Oberbürgermeister und Fraktionsvorsitzender im Landtag. „Tja, so viel Aufmerksamkeit bekommt nur der Gerd“, scherzt Schostok. Sie blicken in Richtung der vielen Kameras. Noch ein Schulterklopfer. Dann gehen sie in den schmucklosen Saal in der Parteizentrale.

Wenig später trifft auch der Ehrengast ein. Schröder wirkt gut gelaunt, kommt mit seiner Frau So-yeon Schröder-Kim neben sich. Wird ihm diese Feier im Hinterhof gerecht? „Ich bin Gleicher unter Gleichen – diese Ehrung bekommt jedes Parteimitglied”, sagt der 79-Jährige und verschwindet im Haus. Hier, vor 40 Gästen und hinter verschlossenen Türen, darf sie trotz allem noch einmal stattfinden: die Gerd-Show. Bei Wasser und Apfelsaft.

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Schröder kommt gut gelaunt – und will an der Freundschaft mit Putin festhalten

Schröder, das merkt man ihm an diesem Tag nicht an, ist seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine für viele im Land zur Persona non grata geworden, auch in der eigenen Partei. Noch immer verbindet ihn eine Freundschaft mit Wladimir Putin, bis nach Kriegsbeginn saß er im Aufsichtsrat des staatlichen russischen Energiekonzerns Rosneft. Schröder verurteilt den Krieg, doch von seinem Freund Putin lossagen will er sich nicht.

Ich habe deutlich gemacht, was ich von diesem Krieg halte: nämlich nichts. Ich habe nicht vor, meine persönlichen Beziehungen zu verändern. Das war’s dazu.

Gerhard Schröder, ehemaliger Bundeskanzler

Das bekräftigt Schröder auch an diesem Tag: „Ich habe deutlich gemacht, was ich von diesem Krieg halte: nämlich nichts“, sagt er. „Ich habe nicht vor, meine persönlichen Beziehungen zu verändern. Das war’s dazu.“ Aber, sagt er noch, Deutschland und Frankreich sollten es doch endlich mit Diplomatie mit Russland probieren. „Waffenlieferungen allein werden den Krieg nicht beenden.“

In der SPD wollte man den Alt-Kanzler aus der Partei schmeißen. Denn: Kann eine solche Freundschaft zu einem Aggressor nur privat sein? Letztlich sprach sich die Bundesschiedskommission trotzdem gegen den Ausschluss aus. Rehabilitiert hat ihn das freilich nicht. „Es ist uns nicht gelungen, Gerhard Schröder aus der Partei auszuschließen. Es ist uns auch nicht gelungen, ihn zu überzeugen, dass er austreten sollte“, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken noch am Vortag der Ehrung. „Sowas macht man nicht“, sagt eine langjährige Wegbegleiterin von Schröder, halb zu sich selbst sagt sie: „Die ist schlimmer als der Steinmeier!“

Alte Freundschaften pflegen: Schily, Kind, Papenburg und Wiese ehren Schröder

Seine alten Freunde und Weggefährten, sie halten zu Schröder. Es ist eine illustre Runde zusammengekommen auf den 40 weißen Plastikstühlen im Kurt-Schumacher-Haus: Ex-Innenminister Otto Schily, 91. Der Unternehmer und Ex-Vereinschef von Hannover 96, Martin Kind, 79. Der Bauunternehmer Günther Papenburg, 84. Der Schröder-Vertraute und ehemalige russische Honorarkonsul Heino Wiese, 71. Der ehemalige Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt, 81. Der ehemalige Vize-Fraktionschef der SPD im Bundestag und Schröder-Büronachbar Axel Schäfer, 71. Dazu Schostok, Schmalstieg und einige mehr.

Schmalstieg ist hörbar sauer über die derzeitige Parteispitze, vor allem über Esken. Die Freundschaft zu einer Person sei kein Grund jemanden aus der Partei zu schmeißen, meint der Ex-Oberbürgermeister. Schröders Engagement im politischen Sinne Russlands verschweigt Schmalstieg. „Ich möchte Frau Esken, in aller Öffentlichkeit fragen: Gibt es zu ihrer Haltung einen Beschluss des SPD-Parteivorstandes?“, sagt er dann. „Sie und andere Führungspersönlichkeiten sollten sehr schnell versuchen auf Gerhard Schröder zuzugehen, denn er wird sicherlich noch gebraucht.“

Matthias Miersch ist Vorsitzender der SPD in Hannover und ehrt in dieser Funktion auch Schröder. Er warnt vor einer Verengung der Debattenkultur.
Matthias Miersch ist Vorsitzender der SPD in Hannover und ehrt in dieser Funktion auch Schröder. Er warnt vor einer Verengung der Debattenkultur.

© dpa/peter Steffen

Die Kritik ist offenbar keine Einzelmeinung. Hannovers SPD-Chef, Matthias Miersch, immerhin Vize-Fraktionschef im Deutschen Bundestag, sagte dem Tagesspiegel vor der Veranstaltung: „Das Aushalten unterschiedlicher verfassungskonformer Positionen und die Suche nach Kompromissen ist eine Grundvoraussetzung in einer demokratischen Gesellschaft.“ Miersch richtete an diesem Tag in seiner Funktion als SPD-Verbandsvorsitzender einige Worte an Schröder. Er ergänzt: „Gerade das ist ein hohes Gut, das es in Zeiten starker Polarisierung zu verteidigen gilt.“ Die SPD, sagt Miersch, lebe von „Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt“. Das klingt schon anderes als der Esken-Sound aus dem Willy-Brandt-Haus.

11.50 Uhr – nach gerade einmal 50 Minuten – ist die Veranstaltung in Hannover vorbei. Schröder tritt noch einmal vor die Kameras. „Berührend“, sagt er, sei die Veranstaltung gewesen. Er hält seine Ehren-Urkunde vor den Bauch, die Parteivorsitzenden haben darauf unterschrieben, auch Esken. Und mehr, sagt der ehemalige Bundeskanzler, erwarte er auch gar nicht von seiner Partei.

Macht der so geehrte Sozialdemokrat sich denn Sorgen um die Lage seiner Partei, will man noch von ihm wissen. In Umfragen stehen die Sozialdemokraten bei 14 Prozent, haben rund zehn Prozentpunkte verloren im Vergleich zur Bundestagswahl. Schröder winkt ab. „Wissen Sie, ich mache mir Sorgen um vieles“, sagt er nur und verschwindet mit seiner Frau zum Auto. Der schwarze Van braust davon. Es geht zum griechischen Restaurant „Aresto“, dort wird weitergefeiert. Unter Freunden.

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