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Juettner

© dpa

SPD: Asse als Ass

SPD in Niedersachsen will mit einem Untersuchungsausschuss zum Atommülllager in die Offensive kommen.

Am Ende ging es kaum noch um den Inhalt, sondern um die Macht: Niedersachsens Oppositionsführer Wolfgang Jüttner (SPD) hat in den vergangenen Tagen eine Kehrtwende vollzogen, die jetzt von seiner Fraktion im Landtag abgesegnet wurde. Die SPD fordert nun, wie seit Monaten schon Grüne und Linkspartei, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen rund um das Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel. Damit ist klar, dass der Ausschuss kommt – just vor der Bundestagswahl.

Um die Asse, ein altes Salzbergwerk, gibt es einige Merkwürdigkeiten. Zum einen ist seit den 70er Jahren Müll eingelagert worden, der da nicht hingehört. Darunter sind giftige Abfälle, etwa von der Bundeswehr, und auch radioaktiv verseuchte Stoffe. Erst in jüngster Zeit wurde bekannt, dass Flüssigkeiten ausgesickert sind. In einem Zeitungsbericht vom Dienstag hieß es nun, dass vor knapp 30 Jahren sogar ein Fass mit schwach radioaktiven Abfällen geplatzt sei. Schlampigkeiten bei der früheren Aufsicht über das Lager wurden immer wieder deutlich – auch Anzeichen dafür, wie sorglos die staatlichen Stellen damals mit derlei Problemen umgegangen sind. Die Zuständigkeiten sind ein Kapitel für sich: Die Asse ist ein Forschungsbergwerk, also war das Bundesforschungsministerium zuständig, das wiederum das Helmholtz-Zentrum damit beauftragt hatte. Außerdem war das Umweltministerium in Hannover als Aufsichtsbehörde beteiligt.

Hierin liegt nun ein besonderes Problem: In Aktenbergen zum Thema Asse, die für den Untersuchungsausschuss aufbereitet werden dürften, finden sich wohl auch viele Hinweise auf Behördenversäumnisse. Das Atommülllager ist über Jahrzehnte auf beiden Ebenen nicht besonders ernst genommen worden – beim zuständigen Bundesforschungsministerium in Bonn und Berlin ebenso wenig wie im Umweltministerium in Hannover. Dieser Vorwurf trifft in Niedersachsen auch sehr stark die SPD, die von 1990 bis 2003 im Lande die Verantwortung trug. Seit 1998 war Jüttner selbst Landesumweltminister. Nicht ausgeschlossen ist, dass im Ausschuss auch Material an den Tag kommt oder Zeugenaussagen zu Protokoll gegeben werden, die ihn belasten. Das könnte ein Grund sein, warum gerade Jüttner zögerlich war und einen Untersuchungsausschuss ablehnte.

Doch Jüttner konnte diese Position zum Schluss nicht mehr behaupten. Immer stärker wurde sein Verhalten in der Asse-Debatte zum Symbol für die Schwäche des Oppositionsführers. Der 61-Jährige muss seit langem mit dem Vorwurf leben, zu wenig kämpferisch zu sein. Als unlängst zehn der 48 SPD-Abgeordneten einen Untersuchungsausschuss befürworten wollten, musste Jüttner die Flucht nach vorn ergreifen. Noch dazu hatte sich aus Berlin ein alter Widersacher gemeldet – Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Als er öffentlich riet, die Sache im Landtag untersuchen zu lassen, wurde das parteiintern als Angriff auf Jüttner gewertet. Sollte sich aber herausstellen, dass ranghohe Sozialdemokraten die Gefahren radioaktiver Einlagerungen unterschätzt haben, könnte das der Partei eher schaden.

Auf jeden Fall verspricht der Ausschuss einige spannende Zeugenvernehmungen in der Zeit vor der Bundestagswahl. Unter anderem war Jürgen Rüttgers, heutiger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, als Bundesforschungsminister zuständig, und es soll einen Briefwechsel mit der damaligen Bundesumweltministerin Angela Merkel in der Sache gegeben haben. Zuständig war auch Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn, heute niedersächsische SPD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl.

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