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Justizminister Heiko Maas (SPD) fordert die Fußfessel als Präventivmaßnahme für Gefährder.

© picture alliance / dpa

Konsens von SPD und CDU möglich: Videoüberwachung, Fußfessel und Abschiebehaft

Der Ruf nach schärferen Sicherheitsgesetzen wird lauter – und die Koalition bewegt sich aufeinander zu. Was bei dem Treffen von Maas und de Maizière am Dienstag Thema sein dürfte.

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Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wollen am heutigen Dienstag über mögliche Konsequenzen aus dem Berliner Terroranschlag sprechen. Sowohl aus der Union als auch aus der SPD wurden vorab Konzepte für Veränderungen bei der Inneren Sicherheit vorgelegt. Trotz vieler Unterschiede scheint bei einigen konkreten Sicherheitsmaßnahmen eine Einigung möglich – auch, weil die SPD ihren Kurs in den vergangen Tagen noch einmal korrigiert hat.

Was die SPD bewegt

Zwei Tage vor dem geplanten Treffen war Justizminister Heiko Maas (SPD) am Sonntag vor die Presse getreten und hatte einen Schritt vorgeschlagen, den SPD-Sicherheitsexperten bis dahin abgelehnt hatten: die elektronische Fußfessel für Gefährder auch vor einer Verurteilung. Mit der Veröffentlichung seiner eigenen Vorschläge reagierte er auf Vorwürfe seines Ministerkollegen Thomas de Maizière (CDU), der die SPD als in Sicherheitsfragen nicht verlässlich hingestellt hatte.

In enger Abstimmung hatten die SPD-Führung, Maas und sozialdemokratische Innenminister in den Wochen nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz ein eigenes Sicherheitskonzept erarbeitet, das anders als die Union nicht nur auf Repression, sondern auch auf eine Präventionsoffensive setzt. In vielen Beiträgen zur Debatte achteten Parteichef Sigmar Gabriel und andere SPD-Politiker darauf, dem Vorwurf der Union keine Nahrung zu geben, wonach die SPD härtere Maßnahmen zur Terrorabwehr verhindere. Stattdessen bemängelten die Sozialdemokraten, der Innenminister erhebe zwar ständig neue Forderungen, sei aber zum Beispiel selbst für die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern zuständig.

Wo eine Einigung möglich ist

Vor allem bei der Ausweitung der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen gibt es einen breiten Konsens in der Koalition. „Es darf nicht sein, dass unsere Ermittler auf zufällig gefilmte Privatvideos bei der Aufklärung von Straftaten angewiesen sind“, heißt es in dem von der CSU-Landesgruppe zu ihrer Klausur im Kloster Seeon vorgelegten Sicherheitspapier. SPD-Chef Gabriel argumentiert ganz ähnlich. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schrieb er am Montag, es sei „für niemanden nachvollziehbar, (…) dass Polizeibehörden (…) erhebliche Schwierigkeiten haben, entsprechende Maßnahmen im öffentlichen Raum umzusetzen.“

Eine ähnliche Übereinstimmung zeichnet sich jetzt auch beim Thema Fußfesseln für Gefährder ab. Ein Gesetzentwurf aus dem SPD-geführten Justizministerium sah Fußfesseln bisher zwar nur für verurteilte Straftäter vor. Am Montag jedoch sagte Maas: „Wir wollen aber noch weiter gehen und sagen: Auch die Gefährder, also alle bevor ein Verfahren oder eine Verurteilung stattfindet, können eine Fußfessel angelegt bekommen.“ Sein heutiger Gesprächspartner, Thomas de Maizière, nannte das sogleich einen „guten Vorschlag“.

Auch bei der Abschiebehaft ist aufseiten der SPD Bewegung gekommen. Jedenfalls zeigt sich der Justizminister nun offen für einen Haftgrund für ausreisepflichtige Ausländer. Wer als Gefährder eingestuft wird, soll bis zu 18 Monate in Haft genommen werden können, unabhängig davon, ob eine Abschiebung unmittelbar möglich ist.

Welche Verschärfungen rechtlich durchsetzbar sind

Eine Videoüberwachung öffentlicher Orte ist bereits möglich – viele Landespolizeigesetze und das Bundespolizeigesetz erlauben sie bei konkretem Anlass und wenn sie verhältnismäßig ist. Allerdings: Je besser und detailreicher die Auflösung der Bilder ist, je mehr Menschen betroffen sind, desto besser muss eine Videoüberwachung begründet werden, da sie in Grundrechte eingreift. Ob für die Ausweitung der Videoüberwachung eine Gesetzesänderung nötig ist, hängt daher von den konkreten Plänen der Politik ab.

Für die elektronische Fußfessel gilt, dass sie als freiheitsbeschränkende Maßnahme nur in engen Grenzen und unter genau geklärten und verhältnismäßigen Voraussetzungen eingesetzt werden kann. Die Einführung der Fußfessel für Gefährder könnte nach Ansicht von Martin Heger, Professor für Strafrecht an der Humboldt-Universität, durchaus verfassungsgemäß sein – nicht nur bei Ausländern: „Wenn es sich bei den Gefährdern um deutsche Staatsbürger handeln sollte, sind die Grenzen etwas enger. Denn Deutsche genießen verfassungsrechtliche Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet. Aber auch hier ist eine Maßregel in engen Grenzen denkbar.“ Ob sich durch die elektronische Fußfessel schwere Straftaten verhindern lassen, ist aber offen. Erst im vergangenen Sommer konnten in Frankreich zwei Islamisten einen Priester ermorden – einer der beiden hatte eine Fußfessel getragen.

Die Abschiebehaft für Ausländer, die mutmaßlich eine terroristische Tat planen, ist schon jetzt „zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr“ möglich. Allerdings sind die Voraussetzungen im Paragraf 58 a Aufenthaltsgesetz so hoch, dass davon noch kein Gebrauch gemacht werden konnte. Angewendet wurde die Regelung noch nie, wie eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mitteilte: „Wegen der äußerst hohen Eingriffsschwelle dieser Vorschrift hat die Vorschrift nach hiesiger Kenntnis bislang keine Rolle gespielt.“ Hier gehe es um „exponierte Einzelfälle von besonders gefährlichen Personen“, so die Sprecherin. Im Nachhinein betrachtet war Anis Amri natürlich eine besonders gefährliche Person – dies im Vorhinein zu prognostizieren ist die Schwierigkeit. Durch einen Haftgrund für als Gefährder eingestufte Personen würde die „Eingriffsschwelle“  also herabgesetzt werden.

Wie die Grünen dazu stehen

Auch die Bundesländer müssen bei Gesetzesänderungen mit ins Boot geholt werden. Sei es, weil sie im Bundesrat zustimmen müssen, oder weil bestimmte Vorhaben ohnehin in die Verantwortung der Länder fallen. Vor allem ohne die Grünen, die in elf Bundesländern mitregieren, wird kaum etwas umsetzbar sein. Doch die Grünen sind sich nicht einig. Während Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg, und Robert Habeck, stellvertretender Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, Gesetzesverschärfungen nicht grundsätzlich ablehnen, signalisieren die Parteichefs Cem Özdemir und Simone Peter Widerstand.

Özdemir sagt, es müsse erst einmal belegt werden, dass es im geltenden Recht Lücken gebe. Peter spricht sich sogar ausdrücklich gegen Gesetzesänderungen in der Inneren Sicherheit aus. Es gehe vielmehr darum, bereits bestehende Gesetze konsequent anzuwenden, argumentiert sie. Auch die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer scheitert bisher an den Grünen. Kretschmann hat inzwischen zwar die Zustimmung seines Landes signalisiert, für eine Mehrheit in der Länderkammer reicht das aber noch nicht.

Worüber noch diskutiert wird

Aktuell wird auch wieder die Frage diskutiert, wie Herkunftsstaaten abgelehnter Asylbewerber und von Gefährdern dazu gebracht werden können, besser mit den deutschen Behörden zu kooperieren. SPD-Chef Sigmar Gabriel will auf Staaten wie Algerien, Tunesien oder Marokko mehr Druck ausüben. Er verlangt neue Rückführungsabkommen etwa mit Staaten aus Nordafrika und will die Entwicklungshilfe kürzen, wenn Pässe gar nicht oder nur verzögert ausgestellt werden. Auch der Innenminister scheint Sanktionen nicht abgeneigt zu sein.

Ein Sprecher sagte am Montag, es gebe eine Verbindung der Themen Rückführung und Entwicklungshilfe. Er warnte aber vor Forderungen nach einer pauschalen Streichung von Mitteln, da dies die betroffenen Staaten destabilisieren und weitere Fluchtbewegungen auslösen könne.

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