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Justizminister Schöneburg: Rot-Rote Angst vor Neuwahlen

Relativierung von DDR-Unrecht durch designierten Justizminister Schöneburg stürzt SPD und Linke in erste Krise.

Potsdam - Wenige Tage vor der geplanten Wiederwahl von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) steckt Brandenburgs rot-rote Koalition in einer Krise. Die Linke wird festhalten an ihrem in die Schusslinie geratenen Kandidaten für den Justizminister-Posten, dem Verfassungsrichter Volkmar Schöneburg, gegen den Vorwürfe einer Verharmlosung der DDR und einer Rechtfertigung der Todesschüsse an der Mauer erhoben worden sind. Aber offen ist, wie sich die SPD verhält, in der die Unruhe wächst, während Platzeck in der jüngsten Ausgabe des „Spiegel“ offensiv eine Versöhnung mit den SED-Nachfolgern fordert. Scheitert Rot-Rot, wären selbst Neuwahlen in Brandenburg nicht ausgeschlossen.

Die Anspannung auf beiden Seiten wächst. Doch deutet sich an, dass die SPD wohl Schöneburg akzeptieren wird. „Ich halte ihn für integer und werde dies in die Partei hinein so kommunizieren“, sagte Rainer Speer, Platzecks graue Eminenz und Chef-Unterhändler für die Bildung der Koalition, am Abend dem Tagesspiegel. Zuvor hatte er sich mit Schöneburg zu einem Krisengespräch getroffen. Beide seien sich einig darin, sagte Speer, dass dieser in den strittigen Publikationen „weder das Grenzregime der DDR gerechtfertigt“ habe, „noch die Tatsache, dass in der DDR das Recht ausschließlich zum Instrument der Politik gemacht wurde, relativiert wird“. Schöneburg hatte in einem Aufsatz 2002 die Mauerschützenprozesse kritisiert und die Klassifizierung als „Unrechtsstaat“ – einer „unwissenschaftlichen, moralisierenden Verdrängungsvokabel“ abgelehnt. Deshalb fordert die CDU von Platzeck einen Verzicht auf die Ernennung Schöneburgs, und auch in der SPD herrscht Aufregung. Die hatte bei den Linken informell auch die Möglichkeit eines Rückzugs Schöneburgs sondiert – ohne Erfolg. „Die Vorwürfe treffen nicht zu: Es gibt dafür keinen Grund“, erklärte Fraktionschefin Kerstin Kaiser. „Er ist ein vom Landtag gewählter Verfassungsrichter, ein aufrechter Demokrat“, sagte Parteichef Thomas Nord. Schöneburg war auch mit Stimmen der CDU, in der er sich vorstellte, 2006 zum Verfassungsrichter gewählt worden. Der CDU-Fraktionsführung war der umstrittene Aufsatz zu den Mauerschützenprozessen bekannt. Schöneburg selbst erinnert sich daran, dass er in der Fraktion vom damaligen Innenminister Jörg Schönbohm zum „Unrechtsstaat“ befragt wurde. Er habe geantwortet, dass er Kategorien wie „Unrechtsstaat“ oder „Siegerjustiz“ ablehne, sagte Schöneburg. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ Er habe den Missbrauch der Justiz durch die SED immer gegeißelt. Zum neuen Rechtsstaat gehöre auch die Freiheit der Wissenschaft. „Ich werde mir nicht nehmen lassen, Mauerschützenprozesse zu kritisieren – wie andere Strafrechtler auch.“

Unterdessen hat Platzeck eine „Versöhnung“ mit den SED-Nachfolgern gefordert – und mit der Integration von Nazis verglichen. Platzeck, vor 1989 selbst im Visier der Stasi, schrieb im „Spiegel“: „Ob wir die richtigen Lehren aus der Geschichte ziehen, erweist sich weniger in ritualisierter Vergangenheitsbewältigung als in unserer Bereitschaft zu tätigem Neubeginn“. Er erinnerte an versöhnliche Gesten des früheren KZ-Häftlings und SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher gegenüber Mitgliedern der Waffen-SS. Schumacher habe das „als menschliche und staatsbürgerschaftliche Notwendigkeit“ bezeichnet. Der Bundesrepublik nach 1990 ist laut Platzeck im Vergleich zum Westdeutschland nach dem Krieg, „zwar eine bemerkenswerte, richtige und bessere Aufarbeitungsleistung gelungen, eine vergleichbare Integrationsleistung jedoch nicht“.

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