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Kleines Tier ganz groß. Vergrößertes Kunststoffmodell des Pantoffeltierchens (Paramecium caudatum) aus der Zoologischen Lehrsammlung am Institut für Biologie der Freien Universität.

© Michael Fahrig

Unter die Haut: Eine Ausstellung zeigt wissenschaftliche Anschauungsobjekte

Universitäres Wissen wird nicht nur in Texten und Bildern weitergegeben. Ab Juli zeigt eine Ausstellung der Freien Universität kunstvoll gearbeitete Objekte, die der Wissenschaft dienten.

Von Dennis Yücel

Pantoffeltierchen sind winzige Einzeller. Tausendfach unter dem Mikroskop vergrößert sind Einzelheiten ihres Körpers erkennbar – jedoch immer nur Schicht für Schicht. Anschaulicher lässt sich ihr Aufbau anhand eines dreidimensionalen Strukturmodells darstellen, wie es in der Zoologischen Lehrsammlung der Freien Universität zu finden ist. „Ein Unikat, das die damalige Präparatorin der Sammlung, Heidi Schindler, aus Plexiglas und Zucker hergestellt hat“, erklärt Stefanie Klamm. „Für mich ist es ein wunderschönes Objekt, beinahe eine Skulptur.“

Klamm ist Koordinatorin der Universitätssammlungen der Freien Universität. Die Wissenschaftshistorikerin und Sammlungsforscherin hat die Übersicht über die vielfältigen Objektkollektionen der einzelnen Fachbereiche und Institute. „Hier lagern Hunderte von Präparaten, Modellen, Abgüssen, die in Forschung und Lehre zum Einsatz kommen“, sagt sie. „Von Totenmasken von Professoren der Freien Universität über Tierschädel bis hin zu komplexen physikalischen Modellen und kunsthistorischen Faksimiles.“

Gemeinsam mit der Gastwissenschaftlerin Elaine Charwat (University College London / Oxford University Museum of Natural History) hat Stefanie Klamm eine Sonderausstellung kuratiert, die Einblick in die oft verborgenen Schätze der wissenschaftlichen Sammlungen der Freien Universität gewährt. Unter dem Titel „Hautnah – Unter die Haut. Objekte wissenschaftlicher Praxis in den Sammlungen der Freien Universität“ sind in der Abguss-Sammlung Antiker Plastik ab 21. Juli rund 50 Exponate aus elf verschiedenen Sammlungen zu sehen. Beteiligt sind archäologische, veterinärmedizinische und biologische Institute, das Universitätsarchiv und der Botanischer Garten.

„Wir zeigen vor allem solche Objekte, die im Englischen als ,replica‘ bezeichnet werden“, sagt Stefanie Klamm. „Also Objekte, die in unterschiedlichem Maße be- und verarbeitet worden sind, um in Forschung und Lehre bestimmte Sachverhalte zeigen zu können.“ Es handelt sich dabei um Einzelarbeiten, die oft in hauseigenen Werkstätten hergestellt werden. Sie verbinden handwerkliches Geschick mit detailliertem Fachwissen, um den spezifischen Anforderungen ihrer jeweiligen Disziplin gerecht zu werden. „Es sind Gebrauchsgegenstände, die im universitären Alltag zum Einsatz kommen“, sagt die Sammlungskoordinatorin. „Trotzdem haben sie immer auch einen eigenen ästhetischen und historischen Wert.“

Aus der „Faksimilesammlung Dr. Detlef M. Noack“ des Kunsthistorischen Instituts sind etwa Nachahmungen kostbarer frühneuzeitlicher Schriften zu sehen. „Sie nähern sich den Originalen auch in ihrer Materialität an“, sagt Klamm. „Es kommen Blattgold und Edelsteine zum Einsatz, die Seiten sind in Purpur gehalten.“ Im Gegensatz zum Original fehlt aber zum Beispiel der Buchrücken – dies gibt für Kunstgeschichtsstudierende den Blick frei auf die kunstvolle Art und Weise, wie kostbare Bücher in der Frühen Neuzeit gebunden wurden.

Den Titel der Ausstellung wählten Klamm und Charwat in Hinblick auf eine doppelte Metaphorik. „Die ausgestellten Gegenstände sind einerseits hautnah an etwas, wie die Totenmasken, die ja tatsächlich von den Gesichtern Verstorbener abgenommen wurden“, sagt sie. „Sie gehen aber auch unter die Haut, wie etwa die Modelle ausgegossener Arteriensysteme von Tieren.“

Stefanie Klamm ist seit rund zweieinhalb Jahren als Sammlungskoordinatorin der Freien Universität an der Universitätsbibliothek tätig. Sie unterstützt die einzelnen Fachsammlungen etwa bei infrastrukturellen Aufgaben wie der Bewahrung und Konservierung sowie der Erschließung, Inventarisierung und Digitalisierung der Sammlungsobjekte. „Ich war sofort fasziniert von der Vielfalt und Tiefe, die sich in den verschiedenen Kollektionen zeigt“, sagt sie. „Doch die meisten Objekte erblicken niemals das Licht der Öffentlichkeit.“ Gemeinsam mit Elaine Charvat bereitete Stefanie Klamm deshalb die spannendsten Gegenstände und ihre Geschichten vor, um sie einem Publikum zu präsentieren. „Mit der Ausstellung wollen wir zeigen, wie über Disziplinen hinweg an der Freien Universität mit Objekten gearbeitet wird“, sagt sie. „Universitätssammlungen sind ein elementarer Bestandteil wissenschaftlicher Arbeit.“

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