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Immobilien: Mondäne Gemütlichkeit

Christian Lehmann aus dem Schwarzwald zeigt, was der Baustoff Holz alles kann.

Das Haus ist schmal und hoch, spitz streckt sich das Dach dem Himmel entgegen. Die große Glasfront verleiht dem Gebäude etwas Mondänes, doch die komplett mit Holzschindeln verkleidete Fassade strahlt Gemütlichkeit aus, Geborgenheit und ein Gefühl von Zuhause. Das Einfamilienwohnhaus in Gengenbach, einer 11 000-Einwohner-Gemeinde im Ortenaukreis am Rand des mittleren Schwarzwaldes, ist eines von mehreren preisgekrönten Holzhäusern des Holzbauers Christian Lehmann aus St. Georgen. Der Baustoff Holz und moderne Gestaltung – dass das gut zusammengeht, davon ist der Mittfünfziger schon lange fest überzeugt.

Mit einer Länge von mehr als 160 Kilometern ist der Schwarzwald Deutschlands größtes geschlossenes Waldgebiet. Traditionell wurde im Schwarzwald mit Holz gebaut – der typische Eindachhof, bei dem sich Stall, Wohnung und Wirtschaftsgebäude unter einem zum Schutz vor Wind und Wetter tief nach unten gezogenen Dach befinden, wurde aus Holz gebaut. Doch in den vergangenen Jahrzehnten verschwand der Baustoff Holz fast vollständig. „Nach dem Zweiten Weltkrieg sank der Anteil der Holzbauten im Schwarzwald auf unter zehn Prozent“, sagt Christian Lehmann. Erst seit einigen Jahren wird Holz wieder populärer.

Christian Lehmann ist mit Holz aufgewachsen – mitten im Schwarzwald, auf einem traditionellen Hof mit angeschlossenem Sägewerk. Die Liebe zum Holz war also zuerst da – dann kam der Wunsch, zu gestalten. Nach der Lehre zum Zimmerer schloss Lehmann eine Ausbildung zum Restaurateur und Energieberater an, arbeitete in einem großen Holzbetrieb. „Anfang der 90er-Jahre hatte ich das Glück, mit einigen jungen Architekten zusammenzuarbeiten, die das gleiche wollten wie ich: modern bauen mit traditionellem Material.“ 2003 hat sich Lehmann als Holzbauer selbstständig gemacht.

Was macht den Baustoff Holz so besonders? „Wer ein Haus aus Holz baut, kann schon beim Richtfest riechen, was für ein besonderer Baustoff das ist“, sagt Lehmann. Den Aspekt der Nachhaltigkeit könne er dem Kunden nicht so unmittelbar vermitteln – das Gefühl schon. „Außerdem macht Holz statisch viel mit und lässt sich gut mit Glas kombinieren.“ Und: Holz brauche weder chemischen Schutz noch einen Anstrich. „Es ist doch schizophren, Holz chemisch zu schützen – es hat doch hunderte Jahre lang auch ohne funktioniert“, sagt er. Diese Erkenntnis habe sich erst in den vergangenen Jahren langsam durchgesetzt – nachdem vor allem in den 70er-Jahren der Verbrauch von Holzschutzmitteln auf dem Höhepunkt war. Ebenso langsam reife die Einsicht bei vielen Bauherren, dass sich auf den Anstrich der Fassade verzichten lässt. „Anfang der 90er-Jahre sind wir mit den Kunden noch nach Vorarlberg gefahren, um ihnen zu zeigen, dass natürlich vergrauende Fassaden funktionieren“, sagt Lehmann.

Überhaupt Vorarlberg: Jenseits der Landesgrenze findet Lehmann Inspiration in Sachen Holzbaukunst. „Dort gibt es seit Jahren ein super Netzwerk von Holzbauern, Architekten, Ingenieuren und anderen“, sagt Lehmann. Nach diesem Vorbild haben er und andere die Initiative „Holzbau Schwarzwald“ angestoßen, demnächst soll ein gemeinsamer Internetauftritt der Akteure an den Start gehen. Christian Lehmann plädiert für das Bauen mit Holz – insbesondere im Schwarzwald, dort wächst der Baustoff schließlich vor der Haustür. „Wenn wir nicht aufpassen, wächst uns der Schwarzwald wieder zu“, sagt er. Rund 50 Prozent des Schwarzwaldes ist in Privatbesitz, viele Waldbesitzer kommen nicht hinterher damit, ihre Abschlagquoten zu erfüllen. „Da steckt ein riesiges Potenzial für naturverträgliches Bauen drin.“

Lehmann indes ist inzwischen schon wieder einen Schritt weiter. Zum einen baut er seine Holzhäuser nicht nur ohne den Einsatz chemischer Schutzmittel. „Wir wählen alle Materialien nach den Kriterien des gesundheitsorientierten Bauens aus“, sagt er. Und er hat sich auf ein weiteres ökologisches Bauprinzip spezialisiert: Seit ein paar Jahren baut er bevorzugt Plusenergiehäuser.

Sein schindelverkleidetes Wohnhaus in Gengenbach hat 2008 unter anderem einen Preis des Bundes deutscher Architekten (BDA) gewonnen. In der Begründung der Jury heißt es: „Der Genehmigungsbehörde kann man zu der mutigen Entscheidung, das Gebäude in einer Bauverbotszone zuzulassen, gratulieren, da es eine Bereicherung für das Ortsbild darstellt.“ Wer hätte das gedacht, dass ausgerechnet in der konservativen Gemeinde, in der bis vor Kurzem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lebte, ein so modernes und auffälliges Haus in einer Bauverbotszone entstehen kann – und es kaum jemanden stört.

Christian Lehmann jedenfalls stimmt das optimistisch, dass sich der Mut zum modernen und naturnahen Bauen mit Holz weiter ausbreitet – nicht nur im Schwarzwald.

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