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„Nein“ zur Verfassungsänderung, mit der Malis Präsident seine Macht weiter ausbauen will. Die Wahlbeteiligung lag bei nur 38 Prozent.

© AFP/stringer

Mali bekommt neue Verfassung: Präsident Goïta will seine Macht sichern – und Friedenstruppen wegschicken

Drei Jahre nach dem Putsch steht der Präsident von Mali unter Druck und will trotz der Bedrohung durch die Terrorgruppe IS die Blauhelm-Mission aus dem Land schicken.

Mali steht vor großen Veränderungen: Am Freitag will die Regierung Malis das Ergebnis eines Verfassungsreferendums bekannt geben, mit der Präsident Assimi Goïta seine Macht stärken will.

Alles andere als ein klares „Ja“ zur Reform wäre eine Blamage für die Regierung. Goïta steht drei Jahre nach seinem Putsch unter Druck, die schlechte Sicherheitslage im Land in den Griff zu bekommen.

Um Stimmung zu machen, will die Junta auch die Blauhelm-Mission – zu der die Bundeswehr gehört – aus dem Land werfen. Das ist eine riskante Strategie.

Die Bundeswehr ist seit zehn Jahren an der Blauhelm-Mission zur Stabilisierung des Landes beteiligt. Nun soll sie gehen.
Die Bundeswehr ist seit zehn Jahren an der Blauhelm-Mission zur Stabilisierung des Landes beteiligt. Nun soll sie gehen.

© imago/photothek/imago stock/Florian Gaertner

Das Referendum ist nur die erste Etappe zu geplanten Wahlen, bei den Goïta vermutlich selbst antreten wird. Die Regierung hatte über Wochen die Bevölkerung per SMS mit Werbung für die neue Verfassung bombardiert.

Kommt es zur Verfassungsänderung, würde das die Kompetenzen des Präsidenten stärken und den Putschisten eine Amnestie gewähren.

Die Regierungskampagne lief dennoch eher schleppend und traf auf wenig Resonanz, macht sich doch in der Bevölkerung vielfach Ernüchterung breit. Viele Menschen leiden etwa an den Folgen der Inflation. Die Beteiligung am Verfassungsreferendum fiel mit 38 Prozent dementsprechend gering aus.

Zwar kann sich Goïta nach wie vor an der Zustimmung junger Menschen erfreuen, die mit der alten, korrupten Elite brechen wollen. Doch im Rest der Gesellschaft sieht es nicht ganz so gut aus.

Mali isoliert sich und nimmt Hilfe von Russland an

Um von den eigenen Problemen abzulenken, hat die Regierung nun die UN-Mission Minusma zur Ausreise aufgefordert.

Die Ankündigung kam kurz vor dem Referendum und zwei Tage, nachdem Goïta mal wieder mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefoniert hatte. Der Kremlchef könnte mit einem Veto eine Verlängerung des am 30. Juni auslaufenden Mandats der Mission stoppen.

Oberst Assimi Goita hat sich 2021 an die Macht geputscht und ist nun Präsident.
Oberst Assimi Goita hat sich 2021 an die Macht geputscht und ist nun Präsident.

© dpa/Uncredited

Seitdem Mali Ende 2021 die Zusammenarbeit mit Russland ausgebaut und sich Söldner der Wagner-Truppe zum Kampf gegen Dschihadisten ins Land geholt hat, driftet es immer stärker in die Isolation. Erst zog Frankreich seine Truppen aus dem Norden ab.

Dann kündigten alle westlichen Staaten einschließlich Deutschland ihren Einsatz bei der Minusma auf, nachdem Mali deren Radius beschränkt hatte.

Die Regierung will offenbar keine Zeugen wie in der Kleinstadt Moura, wo die Armee und russische Kämpfer nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 500 Menschen töteten.

Der Abzug kann ein Jahr dauern

Der Abzug der Minusma kann sich über ein Jahr hinziehen. Die Forderung nach einem „unverzüglichen“ Abzug bedeutet im Diplomatensprech, dass dieser geordnet erfolgt. Es wird also dauern, bis die Minusma mit ihren 13.000 Beschäftigten abreist.

Besonders für die Menschen jenseits der Hauptstadt ist dieser Schritt jedoch ein Schlag ins Gesicht. Die Minusma ist vielerorts der größte Arbeitgeber und ersetzt zum Teil den Staat, der außerhalb von Bamako kaum vorhanden ist.

Europa wird sich weiter mit der Krise im Sahel beschäftigen müssen.

Ulf Laessing

In Mopti, der größten Stadt im Landeszentrum, hat die Mission beispielsweise neue Gebäude für die Polizei, einen Jugendrat und ein Zentrum für selbstständige Frauen finanziert, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Der IS ist auf dem Vormarsch

Im Norden Malis sieht es noch schlimmer aus. Dort ist der Islamische Staat auf dem Vormarsch, seitdem die Franzosen 2022 im Streit mit der Junta ihre Anti-Terror-Mission eingestellt hatten.

Die Blauhelme kämpfen zwar nicht gegen die islamistischen Terroristen, aber ihre Präsenz bietet den Menschen in Städten wie Gao ein bisschen Sicherheit und ermöglicht es etwa, Märkte zu organisieren.

Acht Millionen Menschen in Mali sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der Mangel an Trinkwasser ist eines der größten Probleme für die Bevölkerung der Wüstengebiete.
Acht Millionen Menschen in Mali sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Der Mangel an Trinkwasser ist eines der größten Probleme für die Bevölkerung der Wüstengebiete.

© imago images / Le Pictorium/imago classic

Dies kann man auch gut in Menaka beobachten, das von IS-Dschihadisten umzingelt ist. In der Stadt gibt es derzeit noch einen Stützpunkt der Minusma sowie der Armee und einige wenige Russen, die sich kaum aus der Stadt heraustrauen.

Zehntausende sind im Norden vor dem Islamischen Staat auf der Flucht: Sie versuchen, sich nach Gao und Menaka zu retten, wo die Minsuma noch ist. Eine steigende Zahl macht sich aber auch auf den Weg nach Niger und Algerien.

Beide Länder sind Anfangspunkte der Mittelmeerroute. Präsident Goïta mag sich seine Macht sichern, die internationalen Missionen vertreiben und sein Land in die Isolation treiben - doch Europa wird sich weiter mit der Krise im Sahel beschäftigen müssen.

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