Kulturschock Island oder Die Reize von Rejkjavik. Eine Reise an den Rand von Europa, dorthin, wo die Optimisten wohnen
Hans Christoph Buch
Johann Wolfgang von Goethe und das nach ihm benannte Kulturinstitut haben eines gemeinsam: Beide genießen international wie auch im eigenen Land ein so unbezweifeltes Prestige, dass Kritik und üble Nachrede nicht ausbleiben konnten. Von Ludwig Börne bis zu Arno Schmidt und Peter O.
Der Verfasser dieser Zeilen gehört zu jenen deutschen Autoren, deren Arbeit nicht bloß durch Goethe-Lektüre, sondern auch durch das nach dem Dichter benannte Institut gefördert und manchmal auch beflügelt worden ist. Dabei waren meine Erfahrungen keineswegs immer nur positiv.
Seit Joseph Conrads "Herz der Finsternis" gilt der Kongo als Synonym für Afrika, dessen sprichwörtliche Dunkelheit das Licht der Aufklärung nicht zu erhellen vermag. Wie sonst nur der Amazonas steht der von Stromschnellen durchzogene Fluss für ungezähmte Natur und für eine von keiner Zivilisation beleckte Kultur, deren Primitivität weiße Besucher das Fürchten lehrt.
Chile steckt derzeit in einem doppelten Zangengriff: Nachdem die russische Raumstation Mir fahrplanmäßig bei den Fidschi-Inseln niederging, droht von oben das Ozonloch, von unten ein neues Erdbeben, und der Streit um die juristische Aufarbeitung der Diktatur polarisiert die Bevölkerung. Der politische Spielraum des sozialdemokratischen Präsidenten Lagos ist denkbar eng.
Rainer Maria Rilkes "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", der erste moderne Roman der deutschen Literatur, beginnt mit einer furiosen Beschreibung der Großstadt Paris und endet mit Tagebuchblättern, in denen der Prager Dichter sich zum Spross eines dänischen Adelsgeschlechts stilisiert und eine illustre Reihe blaublütiger Vorfahren imaginiert.In seinem Roman "Der Besuch des Leibarztes" geht Per Olov Enquist genau umgekehrt vor: Sein historisches Panorama des dänischen Königshofs am Vorabend der französischen Revolution weitet sich aus zur Bestandsaufnahme des modernen Totalitarismus allgemein, in deren Mittelpunkt eine philosophische Frage steht, die den Enzyklopädisten des 18.
Der Schriftsteller Antonio Skarmeta, neuer Botschafter Chiles in Berlin, wo er jahrelang im Exil lebte, hat eine unnachahmliche Art zu lachen. Man weiß nicht genau, worüber er lacht, aber sein Lachen wirkt ansteckend, und man lacht unwillkürlich mit.
Der Verleger Siegfried Unseld ist das, was die deutsche Fußballnationalelf händeringend sucht: ein Teamchef - früher sagte man Mannschaftskapitän dazu -, der defensiv wie offensiv spielen, Räume eng oder weit machen und Tore schießen kann und der sich dabei mannschaftsdienlich verhält. Der Vergleich mit einem Sportler kommt nicht von ungefähr: Siegfried Unseld ist ein Langstreckenschwimmer, der täglich in einem Frankfurter Freibad oder in seinem Haus am Klettenbergweg sein Training absolviert.
Heidemarie Wieczorek-Zeul vier Stunden zu Besuch bei Fidel Castro, im Gespräch über deutsche Entwicklungshilfe für Kuba: Vor zwanzig, dreißig Jahren, in der heroischen Phase der kubanischen Revolution, hätte diese Frage noch Kopfschütteln oder Gelächter hervorgerufen.Castros Kuba galt damals als Speerspitze der anti-imperialistischen Welt - und deren Nimbus glich einer stolzen Negation all dessen, was die von Willy Brandt ins Leben gerufene Nord-Süd-Kommission als gutgemeinte Empfehlung aussprach und was die Weltbank als Almosen an die ärmsten Länder der Dritten Welt verteilte.
Das englische Wort "pristine" bedeutet soviel wie ursprünglich, rein und unbefleckt, aber keines dieser Adjektive passt auf Pristina, die Hauptstadt des Kosovo, neun Monate nach Ende des Völkermords. Es taut und tropft von den Dächern, unter den Füßenknirscht gefrorener Schlamm, und der geschmolzene Schnee legt die Hinterlassenschaften des Krieges frei, der Berge und Täler mit Müllhalden überzogenhat: Flussbetten voll verkohlter Autowracks, kaputte Kühlschränke und Fernseher, an denen die Strömung zerrt, und das Schmelzwasser schwemmt Minen in die mit Bierdosen verstopften Straßengräben.
"Mannesmann - siegt heute die Geldgier?" titelte "Bild" letzte Woche.
Asche in den Straßen von Dili. Die Menschen begraben ihre Toten, besänftigen die Geister und warten auf den Frieden, nachdem sie jahrelang geschunden wurdenHans Christoph Buch Das Wort Amok kommt aus dem Indonesischen", sagt UN-Sprecher Brian Kelly, ein rothaariger Ire mit Sommersprossen, der im nordaustralischen Darwin die auf den Abflug nach Dili wartenden Journalisten akkreditiert.
Gastarbeiterdeutsch ist die lingua franca auf dem Balkan, wo die Mark als Einheitswährung dient, und es gibt zwei Worte, die man in wechselnder Kombination immer wieder hört: NIX und KAPUTT. "Bitte NIX kaputt" heißt "nicht schießen", und "Kosovo kaputt" ist eine schlechte, "Serbien kaputt" dagegen eine gute Nachricht, bei der sich die Gesichter der Kosovo-Albaner zu breitem Grinsen verziehen, gefolgt von einem Händedruck und dem Ruf "Thank you, Deutschland!