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Eine Seite aus Joris Mertens’ „Beatrice“.

© „Beatrice“ / Splitter

Comic- und Manga-Stars auf der Leipziger Buchmesse: Die Kunst des Lebens, gegen alle Widerstände

Auf der Leipziger Buchmesse können Fans wieder zahlreiche deutsche und internationale Szene-Größen persönlich treffen. Das sind die interessantesten Neuerscheinungen und ihre Zeichner.

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Ein endloser Strom an dunkel gekleideten Menschen bewegt sich im Schatten hoch aufragender Jugendstilfassaden in Richtung eines Bahnhofs. Die in realistischem Strich gezeichnete Szene könnte am frühen Morgen in Paris oder Brüssel spielen. Zwei Farbtupfer fallen dem Betrachter im Dämmerlicht ins Auge: Mitten im Getümmel ist eine Frau im leuchtend roten Mantel zu erkennen. Auf dem Weg zum Gleis passiert sie eine Stofftasche im gleichen Farbton, die nahezu unbemerkt neben einer Säule steht.

Was die Frau und die Tasche neben der Farbgebung noch miteinander verbindet, erzählt der belgische Comiczeichner Joris Mertens in seinem Debüt-Album „Beatrice“, das kürzlich im Splitter-Verlag auf Deutsch veröffentlicht wurde. In zwei Wochen ist Mertens einer der Ehrengäste der Leipziger Buchmesse (21. - 24.3.).

Er vertritt dort gemeinsam mit mehr als 60 weiteren Autorinnen und Autoren die diesjährige Gastregion Niederlande und Flandern und ist einer von zahlreichen Comicschaffenden, die man auf der Messe und der parallel stattfindenden Manga-Comic-Con bei Signierstunden, Live-Zeichensessions und Podiumsveranstaltungen persönlich treffen kann.

Mit „Beatrice“ hat Mertens einen eher späten Start in die Comicszene gehabt. Das Album erschien im Original 2019. Da hatte der 1968 geborene Künstlers bereits mehr als 20 Jahre als Bühnenbildner, Art Director, Illustrator, Storyboard-Künstler und Fotograf gearbeitet. In „Beatrice“ führt er sein enormes Gespür für Licht, Farben und das Erzählen in Bildern zu einem Meisterwerk zusammen, das bei seinem Erscheinen von der frankobelgischen Comic-Kritik und dem Publikum begeistert aufgenommen wurde.

In seinem Album „Beatrice“ (Splitter, 112 S., 25 €) erzählt der Brüsseler Zeichner Joris Mertens eine Geschichte, bei der Realität und Fantasie ineinander übergehen.
In seinem Album „Beatrice“ (Splitter, 112 S., 25 €) erzählt der Brüsseler Zeichner Joris Mertens eine Geschichte, bei der Realität und Fantasie ineinander übergehen.

© Splitter Verlag

Das Album kommt komplett ohne Worte aus und arbeitet mit Bildern, die naturalistische mit impressionistischen Elementen verbinden. Im Zentrum steht eine junge Handschuh-Verkäuferin, die bei einem großen Warenhaus angestellt ist und durch den Fund einer mysteriösen Tasche, in der sich ein Fotoalbum befindet, in ein anderes Leben eintaucht. Zunehmend verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fantasie, bevor die Geschichte eine unerwartete Wendung nimmt.

In Leipzig wird Mertens neben seinem Erstlingswerk auch sein zweites Album „Das große Los“ präsentieren, das auf Deutsch ebenfalls im vergangenen Jahr veröffentlicht und von Kritik und Publikum gefeiert wurde. Darin verknüpft der Zeichner kunstvoll Thriller-Elemente mit einer tiefgründigen Personenstudie, hier die Tagesspiegel-Rezension.

Selbstfindung gegen Widerstände

Ein weiterer belgisch-flämischer Comicgast ist in Leipzig die Brüsseler Zeichnerin Judith Vanistendael. Die 49-Jährige ist im Vergleich zu Mertens eine Veteranin der Kunstform und hat sich mit Büchern wie „Kafka für Afrikaner“, „Als David seine Stimme verlor“ und zuletzt „Penelopes zwei Leben“ einen Namen als Erzählerin von Geschichten einen Namen gemacht, in denen es um grundlegende Lebensfragen und die Suche nach dem Glück angesichts existenzieller Herausforderungen geht.

In Leipzig stellt sie ihr dieser Tage beim Berliner Reprodukt-Verlag auf Deutsch erscheinende Buch „Atan von den Kykladen“ vor, das am Beispiel eines Künstlers im Griechenland der Antike davon erzählt, wie ein Mensch seinen Platz in der Welt gegen Widerstände findet.

Eine Seite aus Judith Vanistendaels neuem Buch „Atan von den Kykladen“.
Eine Seite aus Judith Vanistendaels neuem Buch „Atan von den Kykladen“.

© Reprodukt

Um ähnliche Fragen geht es auch in der Debüt-Veröffentlichung einer weiteren belgischen Comicautorin, die zur Buchmesse auf Deutsch erscheint. In „Merel“ erzählt die 1996 in Brüssel geborene Zeichnerin und Szenaristin Clara Lodewick mit klarem, semirealistischen Strich von einer Mittvierzigerin, die sich als unverheiratete, kinderlose Frau mit folgenreichen Gerüchten konfrontiert sieht, die ihr eigentlich glückliches Leben in einem kleinen Dorf schwer belasten.

Als erster Comic für einen Literaturpreis nominiert

Neben den Gästen aus Flandern und den Niederlanden stellen auch zahlreiche Comicschaffende aus Deutschland und weiteren Ländern ihre Werke in Leipzig vor.

Eine heimische Künstlerin dürfte in diesem Jahr mit ihrem Werk besonders viel Aufmerksamkeit auf der Buchmesse bekommen: Anke Feuchtenberger. Die Zeichnerin wurde kürzlich mit ihrer autobiografisch inspirierten Bilderzählung „Genossin Kuckuck“ für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik nominiert – als erste Comiczeichnerin überhaupt. Wer den Preis bekommt, wird am Eröffnungstag, dem 21. März, am Nachmittag verkündet.

Anke Feuchtenbergers neues Buch  „Genossin Kuckuck“ wurde von der Kritik gefeiert, hier eine Szene daraus.
Anke Feuchtenbergers neues Buch  „Genossin Kuckuck“ wurde von der Kritik gefeiert, hier eine Szene daraus.

© Reprodukt

Weitere deutsche Comic-Gäste auf der Buchmesse sind in diesem Jahr unter anderem zwei Zeichnerinnen, die sich mit beim Splitter-Verlag veröffentlichten Genre-Alben einen Namen gemacht haben: Frauke Berger („Das Schiff der verlorenen Kinder“, „Die Schöne und die Biester“, „Grün“) und Katrin Gal („Radius“). Als weiteren internationalen Gast präsentiert Splitter in diesem Jahr auch den in Brüssel lebende Spanier Miguel Díaz Vizoso, der seit gut 20 Jahren die „Schlümpfe“-Reihe im Stil ihres Erfinders Peyo fortsetzt.

Blicke in die Zukunft

Der Münchener Zeichner Uli Oesterle präsentiert den zweiten Band seiner autobiografischen Comic-Reihe „Vatermilch“, die kürzlich bei Carlsen erschienen ist. Der Hamburger Verlag bringt auch eine Reihe weiterer heimischer Gäste zur Buchmesse. Darunter sind mit Bea Davies, Katia Fouquet und Lilian Pithan drei Mitwirkende der Anthologie „The Future is …“, in der 14 deutsche Künstlerinnen Zukunftsvisionen in Kurzcomics erzählen, das Science-Fiction-Duo Olaf Brill und Michael Vogt („Der kleine Perry“) und der Mangazeichner Dominik Jell („Mortalis“), der sein neues Werk „Crossing Borders“ vorstellt. Und der zu Carlsen gehörenden Lappan-Verlag, der auf Cartoons spezialisiert ist, präsentiert unter anderem den neuen Sammelband „Wir haben die Wahl! Internationale Cartoons zu Demokratie und Rechtsstaat“ sowie das aktuelle Buch von Publikumsliebling @kriegundfreitag.

Ein weiterer, in diesem Fall internationaler Sammelband mit kurzen Comics zur Zukunft der Menschheit steht auch beim Stuttgarter Panini-Verlag auf dem Programm. In „Der wichtigste Comic der Welt: Geschichten zur Rettung des Planeten“ beschäftigen sich zahlreiche Comic-Künstler und prominente Autorinnen und Autoren von Yoko Ono bis Luisa Neubauer mit Umweltschutzthemen, das Projekt wird in Leipzig unter anderem von Timo Wuerz („Land of Giants“ sowie seinem Zeichner-Kollegen Jonathan Kunz vorgestellt, der zusammen mit Elizabeth ich den international erfolgreichen Strip „War and Peas“ geschaffen hat, von dem einige Beiträge in dem Band enthalten sind.  Ein weiterer Comic-Gast bei Panini ist die Zeichnerin Flavia Scuderi („Marlene“).

Comiczeichner Todd Nauck war 2023 zu Gast auf der Manga-Comic-Con in Leipzig.
Comiczeichner Todd Nauck war 2023 zu Gast auf der Manga-Comic-Con in Leipzig.

© imago/Christian Grube/IMAGO/ArcheoPix

Besuch aus Schweden, Finnland, Italien

Der Berliner avant-Verlag bringt in diesem Jahr neben der Berliner Zeichnerin Katharina Greve, die gerade den zweiten Sammelband ihrer Reihe „Prinzessin Petronia“ veröffentlicht hat, vor allem internationale Comic-Gäste nach Leipzig, unter anderem die Schwedin Anneli Furmark („Roter Winter“), die Finnin Hanneriina Moisseinen („Kannas“) sowie die Italiener Paolo Bacilieri („Private Venus“) und Sergio Ponchione („Memorabilia“).

Ein weiterer skandinavischer Gast steht beim Egmont-Verlag auf der Besucherliste: die norwegische Zeichnerin Malin Falch mit ihrem Fantasy-Comicdebüt „Nordlicht“. Daneben präsentiert auf Einladung des Berliner Verlages Thomas Nicolai seine sächsische Asterix-Adaption „Hühm wie Drühm“, die deutsche Mangazeichnerin Ren M. Pape ist mit ihrem aktuellen Band „Monster Forest“ vor Ort.

Aus der Schweiz kommt die Zeichnerin Rina Jost nach Leipzig. Sie stellt ihre autobiografisch inspirierte Bilderzählung „Weg“ unter anderem bei einer Gruppen-Lesung am 22. März vor.

Manga-Zeichner aus Japan und dem deutschsprachigen Raum

Auf besonders großes Interesse vor allem bei den Manga-Fans in Leipzig dürften drei Künstler aus Japan stoßen: Mangaka Gou Tanabe hat sich vor allem durch seine meisterhaften, auf Deutsch bei Carlsen verlegten Lovecraft-Adaptionen einen Namen auch jenseits der klassischen Manga-Szene gemacht. Lange Warteschlangen dürfte es auch bei den Signierstunden von Mangaka Satoru Nii, dessen populäre Reihe „Wind Breaker“ auf Deutsch bei Tokyopop erscheint.

Manga sind seit einigen Jahren das am stärksten wachsende Segment des deutschen Buchhandels und nehmen in Leipzig einen immer größeren Platz ein.
Manga sind seit einigen Jahren das am stärksten wachsende Segment des deutschen Buchhandels und nehmen in Leipzig einen immer größeren Platz ein.

© imago/Manfred Segerer/imago/Manfred Segerer

Und der Verlag Altraverse präsentiert unter anderem die Shojo-Mangaka sora  („Lieb mich noch, bevor du stirbst“, „Mein neues Leben als Hexe in einer fremden Welt“), deren neues Werk „Dem Himmel zu fern“ im April auf Deutsch erscheinen soll. Als weitere Manga-Gäste aus dem deutschsprachigen Raum stehen bei Altraverse unter anderem  Ban Zarbo („Cold – Die Kreatur“), Gin Zarbo („Das Geheimnis von Scarecrow“), Natalia Schiller & Hugi („TeddyBoys Love“), Racami („Der Fluch des purpurnen Rauches“) und Sozan Coskun („Kiela und das letzte Geleit“) auf der Besucherliste.

Weitere Details zum Comic- und Manga-Programm der Buchmesse inklusive aller Veranstaltungsorte und Uhrzeiten gibt es hier.

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