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Ein langes Projekt: Wiederaufbau an der Ahr.

© Imago/Marc John

Klein, aber oho: Warum der Flutfonds Streitobjekt in der Ampelkoalition ist

Wie sollen die weiteren Folgekosten der Ahrtal-Katastrophe finanziert werden? SPD und Grüne wollen Notlagenkredite nutzen, die FDP ist dagegen

Der Ahrtalfonds ist vom Volumen her klein, aber verfassungsrechtlich oho. Das ist der Grund, weshalb das vom Bund angelegte Sondervermögen zur Finanzierung von Schäden und Folgekosten der Jahrhundertflut von 2021 derzeit umstritten ist. Vor allem innerhalb der Ampelkoalition.

Es geht um die Frage: Darf die Regierung ihn trotz des Karlsruher Schuldenbremsen-Urteils vom November weiterhin mit neuen Notlagenkrediten füllen, oder ist das nun nicht mehr möglich? Ein Ja als Antwort würde einiges erleichtern. Aber macht das Grundgesetz da mit?

Am Donnerstag hat der Konflikt die Anhörung von Sachverständigen im Haushaltsauschuss geprägt. In der Ampelkoalition sperrt sich die FDP gegen das Anliegen von SPD und Grünen, für den Fonds 2024 eine Notlage zu erklären. Sie will die Schuldenbremse einhalten – auch wenn für den Fonds „nur“ 2,7 Milliarden Euro im Etat 2024 eingeplant sind. Oder gerade weil es nur um 2,7 Milliarden geht.

Notlage auf Jahre hinaus?

Denn das ist die Kernfrage: Ist eine solche regionale Notlage samt ihrer Folgen wirklich so gravierend, dass man die Schuldenbremse aussetzen kann – und zwar auf Jahre hinaus mit immer neuen Notlageerklärungen?

Nach dem Grundgesetz darf die Regierung die Schuldengrenze nur überschreiten bei „Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“.  

Eine Naturkatastrophe sind große Flutereignisse. Sie können sich auch der Kontrolle des Staates entziehen. Aber beeinträchtigt eine Summe von 2,7 Milliarden Euro die Finanzlage des Bundes in diesem Jahr erheblich? In der aktuellen Etatklemme wäre eine Finanzierung über Notlagenkredite aus Sicht von SPD und Grünen willkommen. So muss nicht der reguläre Verschuldungsspielraum dafür genutzt werden, es müssen auch nicht Steuermittel eingesetzt werden – sie sind dann für andere Ausgaben einsetzbar.

Über 2024 hinaus

Hinter dem Streit in der Koalition steckt aber mehr als nur die angespannte Haushaltslage für 2024. Der Ahrtalfonds ist sozusagen der Anlass, eine Möglichkeit der Kreditfinanzierung abseits der Beschränkungen durch das Karlsruher Votum abzusichern.

Die Folgen solcher Katastrophen waren bisher bequem über kreditfinanzierten Sondervermögen zu finanzieren. Es wurde ein Rahmen gesteckt (beim Ahrtalfonds maximal 30 Milliarden Euro), und dann wurden auf Jahre hinaus die sich hinziehenden Folgekosten bezahlt. Das über Notlagenkredite tun zu können, wäre ein nicht unbeträchtlicher finanzieller Vorteil.

Gesamtetat oder Einzelplan?

Das Anliegen von SPD, Grünen und auch Linken, die 2,7 Milliarden Euro so zu finanzieren, hat am Donnerstag der Verfassungsrechtler Armin Steinbach unterstützt. Er interpretiert das Grundgesetz so, dass sich die geforderte Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage nicht auf den Gesamtetat beziehen muss, sondern im Fall des Ahrtalfonds auf den Einzelplan, aus dem er finanziert wird. Und der hat ein Volumen von 21 Milliarden Euro. Der Gesamtetat sei zu 90 Prozent gebunden, tauge also nicht als Maßstab dafür, ob es eine erhebliche Beeinträchtigung der Finanzlage gebe.

Ganz anders sieht das der von der FDP in die Anhörung geladene Augsburger Rechtsprofessor Gregor Kirchhof. Er betonte, dass sich die Schuldenregel im Grundgesetz auf den Gesamtetat beziehe, und daran gemessen machten die 2,7 Milliarden Euro in diesem Jahr nur einen Anteil von 0,6 Prozent aus. Kirchhof sieht darin einen „Bagatellkredit“. Ihm dränge sich der Verdacht auf, „der Haushaltsgesetzgeber begegne nicht einer Not mit Schulden, sondern suche angesichts der Haushaltskrise Positionen, die er über Ausnahmekredite finanzieren will“.

Umgewidmete Kredite

Auch der Ökonom Lars Feld, wirtschaftlicher Chefberater von Finanzminister Christian Lindner, vertrat die Meinung, dass der Erheblichkeitsmaßstab allein der Gesamtetat sein könne. Der von der Union geladene Ökonom Thies Büttner machte klar, der Fonds müsse über reguläre Haushaltsmittel finanziert werden.

2023 hatte die Koalition 1,6 Milliarden Euro für den Fonds mit einer außergewöhnlichen Notsituation begründet. Der Verfassungsjurist Hans-Günter Henneke, auch im Präsidium des Landkreistages, verwies darauf, dass bei der Einrichtung des Fonds gar keine Notlage erklärt worden sei, sondern Corona-Kredite dafür umgewidmet worden seien.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr brachte am Donnerstag eine ganz andere Lösung des Streits um den Ahrtalfonds ins Gespräch. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Nach der abschließenden Rechnung des Bundesfinanzministeriums ist ein Notlagenbeschluss fürs Ahrtal nicht notwendig. Die Fluthilfen können regulär aus dem Bundeshaushalt finanziert werden.“

Wie es heißt, ist im Etat 2023 ein einstelliger Milliardenbetrag übriggeblieben. Daher stünden Mittel für den Fonds ohne weitere Sparmaßnahmen zur Verfügung.

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