Dreizehn Jahre lang ist Josef Ertl Landwirtschaftsminister der Bundesregierung gewesen, länger als irgendeiner der Politiker, die vor ihm oder nach ihm das Amt begleitet haben. Sein tragischer Tod - Ertl verstarb am Donnerstagabend an den Folgen einer Brandverletzung, die er sich auf dem Hofe seines Sohnes zugezogen hatte - ruft einen Politiker ins Gedächtnis zurück, der zu jenen seltenen unverwechselbaren Temperamenten gehörte, die der Politik Farbe geben.
Hermann Rudolph
Bei der Abfahrt von der Autobahn liegt ein blassblauer Herbsthimmel über dem sanft gewellten Land, und die Dörfer heißen Isseroda, Apfelstädt und Eischleben. Dicht an dicht fahren die Wagen stadteinwärts.
Den wieder aufgeflammten Rechtsradikalismus hat der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, bei der Verleihung des Leo-Baeck-Preises angeprangert. Er trete "so frech und unverhohlen auf, so bedrohlich für eine ganze Reihe von Minderheiten und so gefährlich für die demokratische Kultur in unserem Land", sagte Spiegel, "wie es sich vor zehn, vor zwanzig Jahren niemand von uns vorgestellt hätte.
Sylphiden sind die Luftgeister, die in der Welt der Sagen und Märchen ihr Wesen treiben, ätherisch, leichtfüßig, graziös. Friede Springer hat etwas davon, und wenn sie in der Öffentlichkeit erscheint, zumeist zu Anlässen des gesellschaftlichen Lebens Berlins, zu dem sie gehört, ist das Äußerste, womit sie auffällt, die Bescheidenheit, mit der sie auftritt.
Das Erstaunliche an den zwei Jahren von Gerhard Schröder als Bundeskanzler ist die Selbstverständlichkeit, mit der dieses Amt mit ihm identifiziert wird. Kein Kanzler vor ihm kam aus einer so unsicheren Ausgangsposition, keiner war auch so belastet mit einem zwiespältigen Profil.
Man kommt um das Land gar nicht herum. Irgendwann reckt sich einem auf den Autobahnen nach Westen oder nach Süden dieses merkwürdige, unübersichtliche Wappen entgegen, eine kleine Menagerie von Adler und Bär auf gelb-schwarz-grünem Grund, zur Begrüßung oder Verabschiedung.
Wer das Land hat, muss für den Spott nicht mehr sorgen. Das boshafte Bismarck-Wort, dass in Mecklenburg selbst der Weltuntergang hundert Jahre später stattfindet, fällt auch dem schlichtesten Autor ein, und wie der Pommer im Winter ist, weiß, des einprägsamen Reimes wegen, auch jeder: noch dümmer als im Sommer.
Der Streit um die deutsche Einheit, den die Parteien zur Feier ihres 10. Jahrestag angezettelt haben, ist zwar ärgerlich, aber kein wirklicher Schaden.
Wenn das Gregor Gysi und Lothar Bisky tun, der brillante Rhetoriker, der die PDS anno 1989 aus der Konkursmasse der SED gerettet hat, und der sympathische Parteisoldat, so wird eine Zäsur daraus. Denn das ungleiche Führungspaar war für die Öffentlichkeit, zumindest in den vergangenen zehn Jahren, die PDS.
Es gibt wenige Themen, über die seit dem Ende der DDR so ausdauernd und erbittert gestritten worden ist, wie über eine Amnestie. Immer von neuem, in massiven Debatten-Schüben, ist die Frage aufgeworfen worden, ob es nicht ein Ende mit den Verfahren gegen die Täter haben müsse, ob von einem bestimmten Zeitpunkt an die strafrechtliche Verfolgung von DDR-Unrecht der Einheit schaden werde, ob also - Reizwort Nummer eins - ein "Schlusstrich" unter die DDR-Vergangenheit gezogen werden solle.
Die neuen Länder haben den größeren Anteil an rechtsextremistischen Vorfällen, und es ändert an diesem leidigen Faktum nichts, dass der Rechtsradikalismus wahrhaftig eine gesamtdeutsche Erscheinung ist. Doch die Scham darüber geht zusammen mit der Scheu, den Vorgang deutlich anzusprechen: dass sich die Fratze von Gewalt und Ausländerfeindlichkeit vor das Bild des wiedervereinigten, des, was den Osten betrifft, so erstaunlich und beglückend wiederhergestellten Landes schiebt.
Noch ist die PDS die Partei, die sie bald ein Jahrzehnt lang war: die Partei von Gregor Gysi und Lothar Bisky. In gut drei Monaten wird sie die Partei von Gabriele Zimmer, Roland Claus und Dietmar Bartsch sein.
Es beginnt immer mit herausfordernden Entwürfen und endet mit breiten Kompromissen, freiwillig oder unfreiwillig, sichtbar oder verdeckt. Das ist die politische Erfahrung der Bundesrepublik, belegt fast durch alle Regierungs-Konstellationen hindurch.
Eifrig beteuern nun CDU und CSU, dass sie in der Sache nichts trenne. Keine Blockade-Strategie tönt es aus München.
Nun tritt der Stoff zutage, aus dem die Politik ist. Da helfen alle Rechtfertigungsversuche nichts: dass es doch eigentlich das Verdienst der CDU sei, wenn der Streit um die Steuerreform mit ziemlich genau dem Ergebnis geendet hat, das wir sonst erst im Herbst bekommen hätten; dass also die Wirkung, die sich alle von der Reform erwarten, jetzt schon eintritt; dass damit die Abweichler von der Unions-Linie sozusagen staatspolitisch geadelt werden, weil sie das der Bundesregierung abgetrotzt haben - von den wohltätigen Folgen beispielsweise für die Berliner Haushalts-Situation ganz zu schweigen.
Unversehens, fast über Nacht hat sich die vielleicht folgenreichste Veränderung vollzogen, seitdem Berlin Hauptstadt ist; es hat nur keiner gemerkt. Eigentlich ist es ein richtiger kleiner politischer Bergrutsch.
Die kurze Milleniumsstimmung an der eben bewältigten Jahrtausendwende hat den Blick für einen Moment schweifen lassen, bis hin zu dem Jahrtausendende davor. Nicht dass gerade ein Interesse an der Geschichte aufgekommen wäre.
In der DDR galt die Ruine des Dresdner Wahrzeichens als Mahnmal. Dann kam die Wende - und mit ihr die Wiederaufbau-Idee.
Der neue Streit um die Stasi-Akten hat zwei Seiten - mindestens. Zum einen ist da die journalistische Aufarbeitung dessen, was die Akten über Helmut Kohls Spendenaktivitäten sagen.
Viele Rechte hat der Bundespräsident nicht. Aber er kann Zeichen setzen.
Üblicherweise versuchen Wissenschaftler, der Wirklichkeit auf die Schliche zu kommen. Seltener kommt es vor, dass die Wirklichkeit zu Wissenschaftlern kommt.
Ja, es gibt den Berliner Mief und es ist leider wahr, dass die Umstände des Rücktritts von Kultursenatorin Christa Thoben kräftig nach ihm riechen. Es ist auch richtig, dass ihr Fall-Rückzieher eine Seite hat, auf der er ein Fall Diepgen ist; er hat mit den auch andernorts bekannten fatalen Folgen einer langen Amtsführung zu tun.
Zwei Tage haben die Ministerpräsident in Berlin getagt - und, o Wunder, von Nord bis Süd, von arm bis reich herrscht Sonnenschein. Dabei hieß das Thema der Konferenz Länderfinanzausgleich: der bekannt-berüchtigte Zankapfel des Föderalismus.
Diesen Tag muss man nun schon fast ausgraben. Er liegt unter der Gegenwart des heutigen Deutschlands wie der Zeuge einer fernen Vergangenheit, verborgen und vergessen.