Kulturföderalismus live: Preußens Kunst in Bad Arolsen
Michael Zajonz
Waren Sie schon mal im nordthüringischen Altenburg? Keine 40 Kilometer südlich von Leipzig, jenseits der ausgeweideten Halden des Bornaer Braunkohlereviers, ist die biedermeierliche Welt mitteldeutscher Miniresidenzen noch nachvollziehbar.
Die Staatlichen Museen zu Berlin, dank reicher eigener Bestände die einzige Institution der Stadt, die kontinuierlich im internationalen Ausstellungszirkus mitspielen könnte, werden sich auf absehbare Zeit wohl nur noch eine Großausstellung pro Jahr leisten können. Kurzerhand erfand man den "Dialog der Museen", bei dem zumeist kleinere deutsche Institute eingeladen werden, ihre Glanzstücke auf Zeit im Kontext der Berliner Sammlungen zu präsentieren.
An den Gedanken, dass einem Gebrauchsgegenstand die Qualitäten eines Kunstwerkes zuwachsen können, mussten sich im Laufe des vergangenen Jahrhunderts selbst Ignoranten gewöhnen. Ob allerdings der Idee des Künstlers, der Umsetzung seines Werkes oder gar einer späteren Rekonstruktion gleichermaßen künstlerischer Wert zuzusprechen sei, ist ein Problem, das nicht nur Denkmalpfleger beschäftigt.
Selbst Dessau leistet sich eine Wiederaufbau-Debatte. Sicher handelt es sich bei den beiden Objekten der Begierde weder um politisch-historische Symbole von der Bedeutung des Berliner Schlosses noch um den ideellen Schlussstein einer Vedute wie im Falle der Dresdner Frauenkirche.
Als der dänische Architekt Arne Jacobsen Le Corbusiers 1955 geweihte Wallfahrtskapelle bei Ronchamp besuchte, schrieb er in einem schwachen Moment an die Familie: "Das ist wahre Architektur. Nicht der Mist, den man selbst so macht.
Polenlieder? Polenlyrik?
"Es wird erbärmlich schlecht gebaut, und jeder Architekt weiß es." Der so polemisiert, ist Stadtplaner - und er äußert es vor Architekten, Stadt- und Landschaftsplanern.
In Berlin, wo jede bessere Baugrube zur "Schaustelle" ernannt wird, blühen Großbaustellen der Denkmalpflege im Verborgenen. Dem Alten Stadthaus sicherte selbst die Einrüstung des 80 Meter hohen Turms kaum erhöhte Aufmerksamkeit: Der von Stadtbaurat Ludwig Hoffmann 1902 bis 1911 in kühner Mixtur aus italienischer Hochrenaissance und friderizianischem Barock errichtete Prunkbau kommunaler Verwaltung hält zwischen Klosterstraße und Molkenmarkt eine Randlage inmitten des Zentrums.
Wir folgen dem Gesetz der Serie. Da die achtziger Jahre unter trendbewussten Mitmenschen längst Kultstatus genießen und selbst Ikea Retro-Design der Seventies unters Volk bringt, bleibt nur die Flucht nach vorn.
Wer die letzten Strahlen der Herbstsonne zu einer Rast im großzügigen Hof des neuen Wiener Museumsquartiers nutzt, beobachtet eine überraschende Zweiteilung des Publikumsstroms. Gut betuchte Herrschaften scheint es magisch zum gleißend hellen Schrein der Sammlung Leopold und seinem Zentralgestirn Egon Schiele zu ziehen, während dem anthrazitgrauen Kubus des Museums moderner Kunst eine deutlich jüngere und buntere Klientel zueilt.
Ob weiß, Café au lait oder steinsichtig, das ist längst nicht mehr die Frage. Zwar darf derzeit per Münzeinwurf oder Internet über eine genehme Farbgebung für das Brandenburger Tor abgestimmt werden.
Wunder dauern etwas länger. Der mittelalterliche Kirchenschatz von St.
Die Potsdamer haben keine Probleme mit der kommerziellen Inbesitznahme städtischer Räume. "Käse Maik" und "Bananen Rudi" heißen die ambulanten Glücksbringer, die am Rand des wieder hergestellten Lustgartens ihre Zelte aufgeschlagen haben.
Jede Generation hat ihre Bücher. Verdächtig harmlos erscheint, was kurz vor dem ersten Weltkrieg deutsche Bücherschränke bevölkerte: Neben Carl Larssons Bilderbuch "Haus in der Sonne" und Paul Schultze-Naumburgs heimattümelnden "Kulturarbeiten" waren es vor allem Werke des Jenaer Zoologieprofessors Ernst Haeckel (1834 - 1919), die so manche Volksausgabe erlebten.
Wer sich selbst Geschenke macht, muss bezahlen können. 1997 hatte Manfred Stolpe ein Preußenmuseum in Potsdam gewünscht.
"Habt euch lieb", rät die Deutsche Telekom derzeit allen, die das Brandenburger Tor sehen wollen und statt dessen vor einer bedruckten Plastikhülle stehen. Seit 10 Monaten wird das symbolträchtigste aller Berliner Wahrzeichen im Auftrag einer privaten Stiftung restauriert.
Hätte diese Frau nur eher beginnen können, ihre Talente einzusetzen, wäre die Geschichte des 20. Jahrhunderts womöglich anders verlaufen.
Nein, auf den Mund gefallen ist dieser Mann nicht. Ob im Podiums-small talk mit Manfred Stolpe oder im persönlichen Gespräch - Jochen Boberg, der promovierte Kunsthistoriker, führt die Diskussionspartner so lässig elegant an der Leine, dass sie es kaum wahrnehmen.
Auch die Baukunst vergißt ihre Könige. Oskar Kaufmann (1873-1956), der "Alleinherrscher des gesamten Theaterbaus", ist selbst Architekten und Theaterfans kein Begriff mehr.
"Ein Spiel bewegter gelber, roter, grüner und blauer Lichtfelder, aus der Dunkelheit entwickelt bis zur höchsten Leuchtkraft. Schauplatz: Eine transparente Leinwand.
Ulrich Roloff-Momin dürfte kaum die Implosion der Berliner Kulturpolitik vorausgeahnt haben, als er 1995 nach einem Direktor für die neue Stiftung Stadtmuseum suchte. Das Kalkül des damaligen Kultursenators bei der Berufung seines Museumsreferenten Rainer Güntzer auf diesen Posten: Kein glamouröser Blitzstart, sondern "stille Kärrnerarbeit durch einen mit den Verhältnissen bereits Vertrauten".
Wenn es ums Geld geht, ist auch Weltkulturerbe nicht gleich Weltkulturerbe. Die umfassende Restaurierung des von Walter Gropius 1925/26 errichteten Bauhausgebäudes - seit 1996 auf der Welterbeliste der Unesco - soll mit vergleichsweise schlappen 22 Millionen zu Buche schlagen.
Ein ernster, gesammelter, nach innen gerichteter Blick: Feinsinnig und ein wenig melancholisch tritt uns der Marchese Vincenzo Giustiniani (1564-1637) auf Claude Mellans virtuosem Porträtstich von 1631 entgegen. Entspricht dieser in den steifen Habit spanischer Hofmode Gekleidete der Vorstellung eines sinnlich erregbaren, ja besessenen Kunstsammlers, der Kabinette und Säle des Familienpalastes mit tausenden antiken Skulpturen und Gemälden füllt?