Eigentlich schwingt in der freien Theaterszene die sogenannte Postdramatik das Zepter. En vogue sind Performances, Doku-Formate mit Gastspielern aus dem wahren Leben oder Konzepte, in denen der Zuschauer seinen Konsumentenstatus aufgibt und – in welcher Form auch immer – zum aktiven Teilnehmer wird.
Christine Wahl

David Martons „Die Heimkehr des Odysseus“ an der Schaubühne
Andere Menschen gehen gut essen oder leisten sich ein Wellness-Wochenende. Frau Witzany ist da ein bisschen kreativer: Sie versüßt sich den Hochzeitstag in ihrer Berliner Kellerwohnung seit Jahren mit der Nachstellung historischer Schlachten.
Hans-Werner Kroesingers Dokumentartheaterstück „Darfur – Mission incomplete“ im Berliner HAU 3

Tolle Besetzung, toller Stücktitel, tolle Bühne: René Polleschs neues Stück „Schmeiß dein Ego weg“ mit Martin Wuttke und Margit Carstensen an der Volksbühne.
Eine der interessantesten Entdeckungen des soeben zu Ende gegangenen Theater-Jahrzehnts ist der Schauspieler Milan Peschel – und zwar als Regisseur. Vor allem im Kindertheater.

Woher bezieht der einfühlsame prototypische Theaterkünstler von heute eigentlich sein Weiblichkeitsbild? Müsli-Mütter in der Nuttenrepublik: Über das altbackene Frauenbild auf Berlins Theaterbühnen.
Über die meisten Menschen brechen zwischen den Jahren die klassischen Sinnfragen herein: Wie ersprießlich waren die letzten zwölf Monate? Darf man sich von den kommenden realistischerweise Fröhlicheres erwarten?
In seinem „Konzert für Städtebewohner“ im Maxim Gorki Theater singt Rainald Grebe über Großstädter, die sich zwischen den Jahren mühsam ein paar Tage freigeschaufelt haben und nun auf ihren Brandenburger Landsitzen um den Ofen sitzen. Sie reden über „Carsharing“, führen Selbstgespräche mit ihren Konten und fordern lethargisch, „der Peymann sollte endlich in Rente gehen“.
Familiensachen: Regisseur Roger Vontobel inszeniert „Alle meine Söhne“ am Deutschen Theater, Dimiter Gotscheff „Der Mann ohne Vergangenheit“
Zum vierten Advent, wenn langsam die Weihnachtsganskäufe beginnen, schlägt in der Kulturbranche die Stunde der Tierschützer.
Nichts rückt die bürgerliche Kleinfamilie so nachhaltig ins milde Kerzenlicht wie die Vorweihnachtszeit. Nun soll es aber auch Menschen geben, für die der gesamte Dezember genau wegen dieser familiären Zwangsfeierlichkeiten der blanke Horror ist.
Zur Adventszeit können sich Eltern und Pädagogen gelassen zurücklehnen. Um die moralischen Lektionen für den Nachwuchs kümmern sich dann andere Institutionen.

Zwei unterschiedliche Humorsorten neutralisieren sich gegenseitig: "Nur Nachts" von Sibylle Berg als trashige Revue im Deutschen Theater.
„Ich werde hier sein ...“ im Maxim Gorki Theater
Den „wohl dreckigsten aus Amerika stammenden Kinofilm, der jemals legal aufgeführt wurde“, nannte das „Time Magazine“ 1956 den Streifen „Baby Doll“, für den der Dramatiker Tennessee Williams das Drehbuch geschrieben hatte. Die „New York Times“ lobte vor allem Elia Kazans „hervorragende Regie“ und freute sich über zahlreiche „klinisch interessante“ Fälle.
Boulevard trifft Hochkultur - der Trend geht weiter. Christine Wahl freut sich auf Doktor Faust im Micky Mouse Club.
Der Igel, ein passionierter Hobbygärtner, begutachtet eines schönen Morgens das Wachstum seiner Steckrüben. Es gibt ihm Grund zur Zufriedenheit.
Bisher hat sich die Regisseurin Anja Gronau im Theater unterm Dach vor allem mit Frauenfiguren beschäftigt. Sie begab sich auf die Spuren Leni Riefenstahls oder fragte in ihrer Auseinandersetzung mit Rosa Luxemburg nach dem Revolutionären an und für sich.
Katharina Thalbach inszeniert Brechts „Im Dickicht der Städte“ im Berliner Ensemble. Geschmackssache waren ihre Inszenierungen schon immer.
In Schauspielschulen wie der Berliner „Ernst Busch“ existiert die Puppenspielkunst zwar längst als eigener Studiengang. Dennoch scheint sich wenig daran geändert zu haben, dass die breite Öffentlichkeit beim Stichwort Puppen-, Figuren- oder Objekttheater ausschließlich ans Kinder-Weihnachtsmärchen denkt.
Können Musiktherapie oder eine Dokumentation über Walgesänge Gefangene zu „besseren Menschen“ machen? Oder wäre vielleicht doch eher ein Bewerbungstraining die erfolgversprechendste Resozialisierungsmaßnahme?
Eliten-Demontage: Stephan Kimmig inszeniert Gorkis „Kinder der Sonne“ am Deutschen Theater.
„Wer ist heute in der Lage, eine komplexe Beschreibung der gegenwärtigen Situation zu geben, die gleichzeitig einen Raum für gesellschaftlichen Wandel eröffnet?“ Gute Frage, übrigens nicht nur in Bühnenkreisen.