Vielleicht hat alles so angefangen. Mit einer Predigt, mit Lust und Qual, mit Musik und schmerztollen Geräuschen, mit Gott und Lucifer.
Christoph Funke
Als Franz Fühmann am 8. Juli 1984 im Alter von 62 Jahren starb, hatte er die Erstsendung seines Hörspiels "Die Schatten" im Rundfunk der DDR nur um wenige Wochen überlebt.
Mit der eigenartig widerständigen Lebensart der Sachsen war Eberhard Cohrs fest verwachsen. Um stürmische Tapferkeit geht es bei diesem aufmüpfig gelassenen Dasein nie.
Wollten sie wirklich reden über ihre Arbeit, oder waren sie nur bestellt? Die Organisatoren des "Theaters der Welt" in Berlin meinten jedenfalls, man müsse sich über sieben Jahre neue Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz verständigen.
Hartnäckig, und unbeeindruckt vom Vorwurf, altmodisch zu sein, sucht das Grips-Theater für seine jungen Zuschauer Wege ins Leben. Nicht mit herablassend belehrender Erwachsenen-Erfahrung, sondern mit ungezügeltem Temperament, und mit dem Mut zu bitteren Wahrheiten.
SIE PAßT IN KEIN KLISCHEE .Sie war immer anders als erwartet: Gisela May, die Schauspielerin und Diseuse.
Kann eine Ausstellung leisten, was Goethes Theater-Direktor im "Faust"-Vorspiel dringend empfiehlt, nämlich "alles frisch und neu" zu machen, damit es "mit Bedeutung auch gefällig sei?" Wenn der Schauspieler abgetreten ist, gibt es kein Theater mehr.
Bescheidenheit geht nicht, aber Selbstironie hilft.Im Deutschen Theater, an einem sonnigen Sonntagvormittag, plaudert Kurt Böwe über seinen Beruf und über die Leute, mit denen er in diesem Beruf zusammengekommen ist.
Der Welt ist die Unschuld abhanden gekommen, "ohne daß wir dabei waren" - sagt Phöbos Apollon in Lothar Trolles Szenenfolge "Hermes in der Stadt".Zu verantworten hat diesen Verlust Hermes, Gott der Diebe und der Kaufleute, denn der begann schon als Säugling zu stehlen und zu schlachten, ohne etwas davon zu wissen.
Daß der Dichter ein innerlich kindischer, zur Ausschweifung geneigter Scharlatan sei, schrieb Thomas Mann 1907.Mehr als dreißig Jahre später war der Roman "Lotte in Weimar" in Arbeit, die Anverwandlung des schon weltberühmten Erzählers an das Vorbild Goethe.
Der Mann ist besessen.Von der Lust am Reden.
Warum das alles? Die Helden sind müde, abgeschlafft, gleichgültig.
Gerade erst hat Joachim Tomaschewsky Premiere gehabt.In Christoph Schlingensiefs "Berliner Republik", dem Boulevardstück um Gerhard Schröder, spielt er "Gerhards Vater".
Ohne Humor ist unser Leben ein Irrtum.Der Schauspieler Rolf Ludwig folgte diesem Bekenntnis, tapfer und unbeirrbar, auch als er schon von schwerer Krankheit gezeichnet war.
Daß alle Übel der Welt vielleicht dann ihren Schrecken verlieren, wenn man sie durch artiges Einverständnis ein bißchen verkleinert, verharmlost, verschönt, ist eine weit verbreitete, eine sehr menschliche Hoffnung.Raymond Cousse (1942-1991), französischer Erzähler, Dramatiker und Theatermacher, übergibt diese Hoffnung einem Schwein, einem gewöhnlichen, wenn auch nicht ungebildeten Mastschwein.
Unbeschadet geht Bertolt Brecht aus den Scharmützeln hervor.Die Antipoden, die "Gegenfüßler" in Dichtung und Ästhetik, liefern mit ihren anderen poetischen, politischen, philosophischen Versuchen erstaunlicherweise größeres Verständnis, verblüffende Deutung, neuen Zugang für sein Werk.
Was man auch sagt, es stimmt.Was man auch sagt, es ist gelogen.
Das Erinnern als Versuch der Lebensbehauptung - in seinem Monolog "Sie zu dritt unter einem Apfelbaum" legt Lothar Trolle Jahrtausend-Zeitschichten und Möglichkeiten erlebter, gedachter, poetisch geformter Wirklichkeiten übereinander.So trotzig die Behauptung ist, Ort des Geschehens sei "der Garten ihrer Mutter", so wenig sicher ist dieser Hinweis.
Fliegen kann sie nicht mehr, die in der Gefangenschaft des Dachbodens vegetierende, von einem halbblinden Jäger angeschossene Wildente.Aber diese Aufführung im Maxim Gorki Theater will wie eine Erinnerung an die verlorene Freiheit des Vogels sein, nach dem Henrik Ibsen sein 1885 uraufgeführtes Schauspiel "Die Wildente" nannte.
Zähes Ringen gegen eine auch nach mehr als fünf Jahrzehnten noch immer unbegreifliche Vernichtung: Das Dresdner Residenzschloß, eine vierflügelige Renaissanceanlage, wurde im Februar 1945 in einer Nacht fast vollständig zerstört.Der Wiederaufbau, zu DDR-Zeiten begonnen, jetzt entschlossen und beschleunigt fortgeführt, ist mühsam.
Ein "vergehendes Flüstern" noch, und dann kommt der Tod.Im Frühling, während einer Jahreszeit, deren Lebensauftrieb Rosalie von Tümmler immer geliebt hat.
Einer will weg aus der Provinz, irgendwohin, nach Moskau vielleicht, man kennt das.Oder will er doch lieber dableiben, bei den Freunden, den Frauen, der Mutter?
Vom Alltäglichen redet keiner mehr.Es ist abhanden gekommen.
Die alte Dame kommt nicht zu Besuch, sie wird besucht.Von ihrem Enkel.