Übersteht SAP die Krise ganz ohne Blessuren? Noch vor gut vier Wochen ließ Europas größter Software-Konzern Aktionäre, Mitarbeiter und Kunden genau in diesem Glauben.
Henrik Mortsiefer
Der erbärmliche Zustand der New Eco-nomy nach dem Abklingen des Börsenrausches scheint den Skeptikern Recht zu geben: Die Revolution der Netz-Ökonomie ist gescheitert. Pleiten und Entlassungen haben die neue Wirtschaft als Spekulationsblase entlarvt.
Vor der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) geben sich die Branchenverbände und Hersteller gewohnt optimistisch. Boomender Export, kräftig steigende Umsätze, wachsende Marktanteile im Ausland und eine Fülle von Messe-Neuheiten lassen den Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) die dunklen Wolken am Konjunkturhimmel vergessen.
Die Börsianer sind mit ihren Weisheiten am Ende. Naht wirklich das Morgengrauen, wenn die Nacht am dunkelsten ist?
Die wachsende Sorge vor einer weltweiten Rezession hat am Donnerstag die Stimmung an den internationalen Börsen dramatisch verschlechtert. In Europa und den USA fielen die Aktienkurse erneut steil ab.
Von einer "Zeit besonderer Herausforderungen für die IT-Industrie" sprach Hewlett-Packard-Chefin Carly Fiorina am Dienstag, als sie die Fusion mit dem Computerhersteller Compaq bekannt gab. Die Top-Managerin mit dem Hang zu großen Worten beschrieb ungewöhnlich zurückhaltend, was die meisten Beobachter als die bisher schwerste Krise der Computer-Industrie bezeichnen.
Melodram oder Gangsterfilm? Wegen "technischer Störungen" verschob der Filmverleiher Kinowelt am Freitag mehrfach die Bekanntgabe seiner ohnehin verspätet erstellten Halbjahresbilanz.
Was haben das Computerspiel "Playstation 2" von Sony und der hessische Anlagenbauer Singulus gemeinsam? Das am Neuen Markt notierte Unternehmen aus Kahl bei Frankfurt sorgt dafür, das die Game-Show aus den Softwarelabors der Japaner in den Rechner der PC-Spieler gelangt.
Minus mal Minus ergibt Plus. Nach dieser simplen Rechnung haben die beiden defizitären Online-Firmen Tomorrow Internet und Focus Digital ihre Fusion beschlossen.
Einem Gefallenen soll man nicht nachtreten, heißt es. EM.
Siemens-Chef Heinrich von Pierer testet die Schmerzgrenze seiner Aktionäre: Die Hälfte ihres Einsatzes haben Anleger verloren, die im Herbst 2000 auf die Technologie-Aktie gesetzt haben. Sie taten es in der Hoffnung, der Aufstieg der Aktie werde weiter gehen.
Am Neuen Markt üben sich die Akteure in Selbstkritik. Nach der am Freitag bekanntgegebenen Entscheidung der Deutschen Börse AG, Billig-Aktien vom Parkett zu verbannen, räumen Fondsmanager, Banker und Analysten freimütig ein, in der Euphorie der New Economy vor allem an eines gedacht zu haben: An das Bombengeschäft mit der Gier der Anleger und Vorstände.
SAP-Chef Hasso Plattner trumpft auf. Der Walldorfer Software-Hersteller zeigt dem angeschlagenen Technologie-Markt, wie man sich "Made in Germany" gegen die Flaute stemmt.
Die Ratlosigkeit der Anleger ist groß: Nach dem Absturz der Aktienkurse fragen sich viele, wie sie ihre in Schieflage geratenen Depots wieder ins Lot bringen können. Die meisten haben erkannt, dass mit der Do-it-yourself-Methode an den Börsen zuletzt kaum etwas zu verdienen war.
Auf dem kleinen See hinter der Hauptverwaltung der Bertelsmann AG ziehen ein paar Schwäne ihre Bahn. Wenig deutet darauf, dass in den Flachbauten in der Gütersloher Carl Bertelsmann Straße 270 das Herz des größten Medienkonzerns Europas schlägt.
Das Warten kann einem an der Börse mitunter ganz schön lang werden. Das Warten auf Alan Greenspan zum Beispiel - eine Lieblingsbeschäftigung der Anleger in diesem Jahr.
Jetzt Also Infineon. Nach den US-Technologiekonzernen schockt das Tochterunternehmen von Siemens seine Aktionäre mit einem rabenschwarzen Ausblick auf das Geschäftsjahr.
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Für Überraschungen ist die Filmbranche immer gut - auch für die bösen. Anleger, die sich die Kursverläufe der Glamour-Aktien in den vergangenen zwölf Monaten vor Augen führen, wissen, wovon die Rede ist.
Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Im Mediengeschäft gilt eine paradoxe Wahrheit: Hiobsbotschaften lassen sich besser verkaufen.
Fußball wird auf goldenem Boden gespielt. Das hat gerade eben der millionenschwere Deal zwischen Kirch und den Öffentlich-rechtlichen um die Übertragungsrechte der Fußball-WM gezeigt.
Der Internationale Währungsfonds will es, die Börse will es, Politiker und Gewerkschafter wollen es, und zwei Drittel der Top-Manager wollen es auch - alle drängen die Europäische Zentralbank, bald die Zinsen zu senken. Nachdem Alan Greenspan sein Gespür für Knalleffekte unter Beweis gestellt und die US-Zinsen überraschend reduziert hat, steht EZB-Chef Duisenberg unter Erwartungsdruck.
Die seit einem Jahr andauernde Talfahrt der Aktienkurse lässt bei vielen Anlegern die Frage aktuell werden, was aus dem Geld geworden ist, das sich in ihren Depots scheinbar in Luft aufgelöst hat. Beim Blick zurück wird das Ausmaß der Verluste deutlich: 315 Milliarden Mark wurden binnen zwölf Monaten allein am Neuen Markt vernichtet.
"Dies ist der Anfang einer schönen neuen Welt." Wenn Unternehmer so feierlich werden wie Howard Stringer, Chef von Sony of America, dann sollte man genauer hinhören.