Dem Schweizer Kabarettisten Emil Steinberger zum 70.
Thomas Lackmann
Modernisierung in Multikultiland – eine Textinterpretation
NACHTFLUG Nachdem der Nachtpilot in Berlins dämmeriger, guter Stube neben dem Palais am Festungsgraben gelandet ist, um vorbei an dem lethargischen Pförtner die theatralische Palais- Treppe emporzueilen, verweilt er fürs Aufwärmen – eine verwinkelte Gangecke entfernt von der ersten Station seiner Route – in der Tadschikischen Teestube . Dort hocken unbeschuhte Gäste unter orientalischen Bildern auf üppig gepolsterten Holzpodesten.
über den Reformstau und das Leiden mit Niveau Eigentlich ist ein solcher Witz, wegen der historischen Hygiene, momentan nicht angesagt. „Die Berliner Regierung schickt eine Delegation nach Delphi, um das Orakel zu befragen.
Claudia Schiffer wirbt für das Holocaust-Mahnmal – und 27 Komponisten setzen ein Klangdenkmal
VARIETÉ Er rupft sich Brusthaare raus und wirft sie generös ins Fan-Publikum. Er schnippt ein Wölkchen Konfetti in die Luft und fordert Applaus.
Angst schafft ihre eigene Lust: Der Serienkiller von Washington, die deutsche Seele und neue, uralte Szenarien der Bedrohung
Das Tipi präsentiert den Herz-&Heimatabend „Balagan“
Als der Nachtpilot zur Dämmerungsstunde vor dem Berliner Ensemble landet, am Ufer der glänzenden Spree, ahnt er nicht, dass ihn dieser Abend der kapitalen Zerstreuungen auf die Suche nach dem Sinn des Lebens führen soll. Verspätet zwängt er sich ins goldbestuckte Seitenfoyer des Theaters: unter ein Theaterfamilienauditorium, das aktuell weniger am Sinn des Lebens interessiert scheint als an der grauen Dramaturgen-Eminenz des Hauses, Hermann Beil, welcher befrackt und im Märchenton exzentrische Miniaturen des Dichters Thomas Bernhard rezitiert.
Ist das hysterisch? Ein kleiner, vorsichtiger Berliner Verein für Hobbyhistoriker und Wissenschaftler diskutiert Konzepte zur Erinnerungspolitik.
Das Landei trägt sein Haar im Knoten und einen schwarzen Anzug auf nackter Haut. Das Landei heißt Flora und tanzt Tango mit einer aufblasbaren Puppe.
Ein Traum vom Fliegen durchweht, von Raum zu Raum, von Schau zu Schau, den Berliner Martin-Gropius-Bau. Dort eröffnet heute, im ersten Stock, eine Ausstellung, die etwas anders ist als andere.
Es war einmal im Land der bösen wunderbaren Novembermärchen eine Republik, die den Opfern des monströsen Verbrechens ihrer Vorfahren ein Denkmal errichten wollte. Zu diesem Zweck wurde unter hunderten von Wettbewerbs-Entwürfen eine monströse Platte mit Millionen von Opfernamen auserwählt, gegen die der Kanzler der Republik sein Veto einlegte, wofür ihm viele im Lande klammheimlich dankbar waren.
Überm Reichstag flattert Schwarzrotgold, überm Hotel Adlon Europas Sterne und das Berliner Wappen. Sonne.
Ein grauenvolles Verbrechen, das jede Erfahrung und Vorstellung übersteigt, muss verhindert werden. Die Akteure haben ihr Werk bereits begonnen.
Schließlich führt die Treppe, aus den Tiefen des Untergrunds, beklemmend hoch hinauf. Doch wer sie wirklich emporsteigen will, ist zuvor durch das Portal eines vom preußischen Staatswappen und den allegorischen Figuren Caritas und Justitia bewachten Barockgebäudes in den Keller gestiegen.
Scharfe Kanten. Schießscharten.
Welch praktisches Möbel, das aufs ansehnlichste die schöne Form seiner vollendeten Rundungen mit der Eignung für den Alltagsgebrauch verbindet! Als die "Kommode", wie der Berliner Volksmund die Königliche Bibliothek an der preußischen Staatsoper bald nannte, im Jahr 1784 der Öffentlichkeit übergeben wurde, erhielten die klugen Werke aus den Regalen Ihrer Majestät endlich eine angemessene Unterbringung.
"Dies ist ein für wild lebende Pflanzen und Tiere geschütztes Gebiet". Hinter Deutschlands schönstem Amphitheater, einer 1936 von den Nationalsozialisten am Berliner Olympiastadion als Thingspielstätte angelegten Arena, führt der Weg in die Murellenschlucht: auf Steinstufen ins Tal, auf Holzstufen wieder hinauf.
Das Programm ist gewiss gut gemeint. "Berlin-Grenzenlos" heißt die Abschlussnacht.
Die Minderheit ballt die Faust in der Tasche. "Täuschen Sie sich nicht", sagt der Stadthistoriker, "für Ihre subtile Wahrnehmung findet sich keine Mehrheit in dieser Stadt".
Die Hose rutscht. Er zieht sie hoch.
Auf der Bühne des Saales, der vor Jahren noch als Lager für Sanitäramaturen diente, hängt - verfremdet, in sich selbst gespiegelt - das Portrait eines schielenden Wuschelkopfpoeten. Eine Frau und fünf Männer singen Lieder, deren Texte wie Schwyzer Mittelhochdeutsch klingen.
Ist der öffentliche Raum ein Paradies? Natürlich nicht.