Vielen gilt Elisabeth Leonskaja als eine der ganz großen Chopin-Interpreten, doch das war nicht immer so: Ihr kräftiger, gelegentlich auch kristallen klirrender Ton schien so gar nicht zum Parfüm französischer Salons zu passen, das Chopins Musik nach landläufiger Meinung zu umwehen hat. Doch Mitte der 90er Jahre konnte die Kritik nicht mehr überhören, dass die in Tiflis geborene Meisterin der schweren deutschen und russischen Romantik ein ganz eigenes Wort zu Chopin zu sagen hat, der viel weniger tuberkulöses Salongewächs denn wacher kritischer Geist war.
Carsten Niemann
Manchmal verleiht die Gegenwart eines Komponisten seinem Werk besondere Autorität. Der litauische Komponist Vytautas Barkauskas hatte am Sonntag allen Grund, sich über die Darbietung seines Violakonzerts zu freuen, das im gemeinsamen Konzert von Chor und Kammerorchester der Berliner Cappella erklang.
Das Verblüffende an diesem Stockhausen-Abend ist, dass er so anrührend wirkt. Waren wir nicht gewöhnt, uns an dem Meister zu reiben oder ihn verehren zu müssen: ihn, den raunenden Ego(scha)manen mit galaktischem Kunstanspruch, der zu Weihe oder Widerspruch herausfordert?
Die Konzertsaison ist, zugegeben, noch im Gange, aber der derzeitige motivische Schwerpunkt für die Veranstaltungen im Konzerthaus am Gendarmenmarkt ist schon jetzt ein dazwischen gerufenes Bravo wert. "Zum Raum wird hier die Zeit" könnte der zu philosophischem Spekulieren aufgelegte Konzertgänger bei fast jedem aufgeführten Werk der Musikgeschichte ausrufen.
Die Deutsche Erstaufführung eines Theaterstücks von Paul Auster? Fast automatisch weckt die Ankündigung dieser dänischen Produktion, die erst Ende Januar in Kopenhagen uraufgeführt wurde, hohe Erwartungen - und falsche.
Niemand hat uns intellektuelle Musikfreunde je ermutigt, das "Dreimäderlhaus" schätzenswert zu finden. "Nichts kennzeichnet den geistig-seelischen Tiefstand des heute für die Füllung der Theaterkassen in Betracht kommenden Publikums mehr als sein gieriges Einschlucken des Operettenschleims von heute", schrieb ein Kritiker 1926.
Wie sollte man sich bei den Bamberger Symphonikern und dem Sho-Spieler Ko Ishikawa für "Ceremonial" bedanken? Vermutlich wäre eine Verbeugung angemessen gewesen.
Die Friedenauer Kammerkonzerte sind das gute Gewissen der Alte-Musik-Szene Berlins: Als sie vor gut fünfzehn Jahren gegründet wurden, sorgten sie mit dafür, dass hoch professionelle Musik auf historischen Instrumenten überhaupt regelmäßig in Berlin stattfand. Und heute?
Diese Gesichter hätten Sie sehen müssen! Als das Spiegel Quartett den Kammermusiksaal des Konzerthauses betrat, ließ eine Mischung aus Erschrecken und ungläubigem Amüsement die Züge der Musiker für einen Moment entgleisen.
Gesualdo mordet wieder. Letztes Jahr erst war die wahre Lebensgeschichte des genialen Madrigalkomponisten und Fürsten zu Venosa im Hebbel-Theater zu erleben.
Beethoven, der große Komponist, war auch ein großes Kind. Ein Kind, das gerne mal Krieg spielte.
Die Idee hat Charme. Rund um den Erdball machten sich im Jahr 2000, zum 250.
Liebhabern der Alten Musik ist fast alles zuzutrauen. Wie wäre es sonst möglich, dass es dem Freiburger Barockorchester seit drei Jahren gelingt, eine eigene Abonnementsreihe auf dem an Kammerorchestern nicht eben armen Berliner Musikmarkt einzurichten?
Vor dem Auftaktkonzert des 4. Berliner Ultraschall-Festivals für neue Musik wird gewarnt: Zettel vor den Sophiensaelen weisen darauf hin, dass "erhebliche Lautstärken" erreicht würden.
Wie wird ein adretter Junge zu einem, der andere aus Spaß piesackt? Was, wenn der nach außen hin Coole sich innen klein und bucklig fühlt, wie, wenn der überforderte Vater sich nicht anders zu helfen weiß, als seinen Sohn zu verdreschen?
Was hat die Academy of St. Martin-in the-Fields mit Weetabix gemeinsam?
Publikumstechnisch hat das Maulheldenfestival sein erstes Wochendende glänzend bestanden. Wer spät kam, musste hoch hinaufsteigen zu den hintersten Plätzen unterm Dach des Tempodroms.
Keine Frage: Der Herr mit weissem Zopf, schwarzem Anzug und blinkendem Ohrring hat Bühnenpräsenz. Das ist gut, denn er ist Orchesterwart und heute gibt es viel zu räumen auf dem Podium des kleinen Konzerthaus-Saals.
Ein Raunen geht durch das Publikum der Komischen Oper. Auf der Bühne steht Roger Willemsen und verkündet, dass das Benefizkonzert zugunsten afghanischer Flüchtlingskinder bereits 38 000 Euro eingebracht habe.
Die Anlässe ändern sich, aber Lebensfreude strahlt Noëmi Nadelmann bei jedem Auftritt aus. Im Juli hatte sie vor ihrem glänzenden Auftritt beim Galakonzert der Komischen Oper in der Waldbühne gut gelaunt für die Fotografen posiert.
Zu Weihnachten tischen wir uns und unseren Kindern bekanntlich mehr Märchen auf als gewöhnlich. Auch auf der Opernbühne.
"Akademisch" ist in Musikerkreisen kein lobendes Beiwort. Doch wie steht es, wenn sich das Sinfonieorchester der sich seit neuestem mit dem stolzen Begriff der universitas schmückenden ehemaligen Hochschule der Künste auf dem Podium präsentiert?
Vielleicht liegt es ja auch an dem angenehm unaufdringlichen Titel der Veranstaltungsserie Debüt im DeutschlandRadio, dass die Konzerte dieser Reihe so selten enttäuschen: Der Kick, den Aufstieg eines "Stars von morgen" zu erleben, ist schon groß - noch besser aber ist die Aussicht, hier und jetzt intelligente junge Musiker intelligente Programme gestalten zu hören. Im voll und bunt besetzten Großen Saal des Konzerthauses am Gendarmenmarkt stand am Sonnabend zu diesem Zweck der erst 27-jährige Thomas Rösner vor dem Deutschen Symphonie Orchester.
Berlin ist reich: an Kultur im Allgemeinen und an Kammerorchestern im Besonderen. Berlin ist arm: Erst vier Jahre nach seiner Gründung war das von der Hauptstadt aus geleitete, ohne staatliche Zuschüsse agierende internationale Mahler Chamber Orchestra im Konzerthaus zu hören.