Drei Jahre Jugendknast, weil er für die Freiheit eintrat, drei Jahre, die ein Leben prägen. Im Westen transportierte er Geldkoffer für die Solidarnosz. Nachruf auf einen Unbeugsamen.
David Ensikat
Träumen sollen andere. Zu machen ist das Machbare
Bemisst man dieses Künstlerleben an weitverbreiteten Kriterien - Anerkennung, Freundeskreis, Liebe, Erfolg - so wird man es für gescheitert halten. Aber vielleicht sind die Kriterien ja falsch.
Berlin ist Weltstadt. Im Estrel in Neukölln, dem größten Hotel Deutschlands, trifft unser Autor auf Star-Doppelgänger und muss fast mitklatschen.
Er stand mal neben Chaplin: Der Knabe in Gelb. Und wollte mindestens so berühmt werden. Ganz hat er das nicht geschafft, aber fast. Der Nachruf auf einen Botschafter des Tingeltangel.
Einmal ist er mit dem Auto aus der Kurve geflogen. Totalschaden. Und ihm ist nichts passiert – man kann das als Prägung deuten. Der Nachruf auf einen von jenen, die die Dinge nach vorn bringen. Nur leider nicht die eigenen.
Als überall Westen war, hatten die Ostrockhelden zu kämpfen. Manche verkauften Versicherungen oder Immobilien. "Rockhaus"-Keyboarder "Beathoven" blieb bei der Musik. Nachruf auf einen Mann mit halbwilder Vergangenheit.
Er hat mit ihr getanzt. Ein Unding! Denn der Tanz war heilig
Ein Migrant, der von Transferleistungen lebte? Oder einer ohne Chance, der alles verloren hatte? Ein Nachruf auf einen Ausländer, der längst Inländer war.
Er war schwul und hielt es geheim, zuhause jedenfalls und lange auch im Polizeirevier. Im Fußballstadion, ausgerechnet dort, fasste er sich ein Herz.
Mit den Männern hat sie es nicht gut getroffen. Mit der Justiz schon gar nicht. Als Mörderin wurde sie verurteilt - ein Irrtum. Sie kam frei, erhielt Entschädigung. Und dann?
Andere wollen etwas werden. Er wollte etwas erleben
Sie hielten ihn für einen Aufrührer, gefährlich für den Staat. Ein Aufrechter war er, ohne Angst. In den Westen wollte er nicht, doch sein Anwalt, ein Mann im Stasi-Auftrag, empfahl es ihm. Ahnte er, dass die einzige Gefahr für ihn von ihm selbst ausging?
Er war Musiker und kein Buchhalter. Deshalb hatte seine „Hafenbar“ nicht immer offen, wenn es die Öffnungszeiten verhießen. „Svenje vom Trockendock“ führte den Laden wie sein Leben: ohne Plan, aber mit viel Liebe
Soll sie die Geschichte erzählen, die Geschichte ihrer Tochter? Es geht um Angst, Missbrauch. Und um die verzweifelte Liebe der Mutter zu ihrem Kind, das sich immer weiter entfernt, bis in den Tod.
Was tut man, wenn einer keine Grenzen kennt? Wenn Konsequenz nichts bringt und Liebe auch nicht. Der Nachruf auf einen, der Vertrauen suchte, dem aber nicht zu trauen war.
Der Fall des Berliner Staatssekretärs Andrej Holm zeigt, wie interessengeleitet und selbstgerecht über DDR-Biografien geurteilt wird. Den Kritikern geht es um mehr als die Stasi. Ein Einspruch.
Es gab ein gutes Leben im schlechten: Das Erinnerungsbuch „Stierblutjahre“ von Jutta Voigt beschreibt die Boheme in der DDR. Ein Kunststück.
Beatrix Boesch lebte in Zürich, Hamburg, Bremen und Berlin. Sie gründete ein Frauenkino, trug Post aus und wollte Naturheilerin werden. Nachruf auf eine Suchende.
Keine Hofburg, kein Dreivierteltakt, dafür eine Venus mit offenem Bauch, habsburger Eingeweide und die Gräber Namenloser. „Der Tod, das muss ein Wiener sein“, heißt es. Warum eigentlich?
Ein Mann kommt in die Stadt, studiert lange, fährt bisschen Taxi, geht viel in die Kneipe. Sie nennen ihn Taxi-Klaus. Und was macht er aus seinen Talenten? Der Nachruf auf ein Kreuzberger Leben.
In Istanbul ging er auf ein österreichisches Gymnasium, nach Berlin kam er als Diplomat. Was aber sollte er tun, als er seinen Posten verlor? Er war doch kein Gastarbeiter! Nachruf auf einen Berliner, der sich von den Eingeborenen sehr unterschied.
Caro saß vorm S-Bahnhof Zehlendorf, las ein Buch nach dem anderen und wartete auf Geld fürs Heroin. Einen Monat saß sie im Gefängnis, danach lebte sie auf der Straße. Eine Spurensuche.
Von der Kuh, die ihr und ihren Kindern das Leben rettete, hat sie erzählt