Präsident George W. Bush hat am Freitag zum ersten Mal angedeutet, die Anthrax-Anschläge "könnten das Werk amerikanischer Terroristen sein".
Frank Jansen
Die Nachricht klang dramatisch: Die Taliban-Regierung habe eine Todesliste mit 106 Namen afghanischer Oppositioneller erstellt, die im Ausland leben und zum Teil schon als "killed" aufgeführt seien, berichtete am Montag das ARD-Magazin "Report". Hinter vier Namen in dem Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, steht "Deutschland".
Gibt es nach den Anschlägen in New York und Washington eine weitere Spur in Berlin? Die Carl Duisberg Gesellschaft (CDG) schließt nicht aus, dass neben dem Terrorpiloten Mohamed Atta auch ein weiterer Stipendiat mit Verbindungen zu Osama bin Laden in der Stadt gewesen sein könnte.
Einer der Terrorpiloten, die am 11. September zwei Flugzeuge ins New Yorker World Trade Center gesteuert haben, hat sich zweimal in Berlin aufgehalten.
Das war der zweite Schlag, den die Polizei seit Anfang Oktober gegen die rechte Szene geführt hat. Der Erfolg ist offenkundig: Erst wurden alle vier Mitglieder und der Vertriebsleiter von "Landser" festgenommen, der Kultband der braunen Musikszene.
Die Berliner Polizei hat der rechten Szene am Sonntagabend einen Schlag versetzt. Bei einem Großeinsatz in Marzahn nahm ein Spezialeinsatzkommando (SEK) einen rechtsextremen Waffenhändler und zwei Kunden fest.
Die Veranstalter der für Sonnabend geplanten Friedensdemonstration verwahren sich gegen die Teilnahme der NPD. "Wir werden alles tun, um uns von den Rechten abzugrenzen", sagte Hans-Peter Richter, Leiter des Organisationsbüros.
Das Berliner Landgericht hat der NPD untersagt, weiter auf einem Wahlplakat zu behaupten, der Förderkreis für die Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas werbe mit dem Spruch "den holocaust hat es nie gegeben". Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte das Gericht der rechtsextremen Partei ein Ordnungsgeld von bis zu 20 000 Mark an.
Polizei und Verfassungsschutz haben bislang keine Hinweise auf eine mögliche Beteiligung von Extremisten an der Serie von Drohungen mit Milzbranderregern. "Es handelt sich wahrscheinlich um Spinner", sagte ein Sicherheitsexperte, der namentlich nicht genannt werden wollte.
Der Auftritt überrascht: Osama bin Laden meldet sich in Wien zu Wort. "Ich teile meinen geliebten Brüdern die gute Nachricht mit, dass wir fest entschlossen nach dem Vorbild des Propheten - Friede sei mit ihm - den Weg des Jihad gehen werden, mit den gläubigen Helden, dem Volk Afghanistans unter dem Kommando unseres Führers, des Krieger Mullah Mohammed Omar", ist im Internet auf der Homepage der "Wiener Nachrichten Online" zu lesen.
In Berlin sind die Sicherheitsmaßnahmen nach dem Beginn des militärischen Gegenschlags massiv verschärft worden. Besonders auf den Flughäfen und an den Botschaften der USA und Englands zogen mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten auf.
Die NPD hat gestern Abend mit einer Demonstration auf der Friedrichstraße gegen die Bombardements in Afghanistan protestiert. Etwa 60 Anhänger der rechtsextremen Partei riefen "USA - internationale Völkermordzentrale" und "Solidarität mit Afghanistan".
Neue Details im Fall "Landser": Die bei einer spektakulären Polizeiaktion festgenommenen Mitglieder der Skinhead-Band haben in den USA und in Kanada an Treffen mit militanten, bewaffneten Neonazis teilgenommen. Entsprechende Belege sind nach Informationen des Tagesspiegels bei den Durchsuchungen gefunden worden.
Nach intensiven Ermittlungen hat Generalbundesanwalt Kay Nehm vier Mitglieder der rechtsextremen Skinhead-Band "Landser" und den Vertriebsleiter in Berlin, Potsdam und Chemnitz festnehmen lassen. Außerdem wurden gestern 22 Wohnungen und andere Objekte von den Landeskriminalämtern Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen durchsucht.
Die Polizei wird die von Tagesspiegel und "Frankfurter Rundschau" am Freitag veröffentlichte Dokumentation über Todesopfer rechter Gewalt zum Anlass nehmen, mehrere Fälle erneut zu prüfen. Dies teilte gestern ein Sprecher des Bundeskriminalamts mit.
Die Bilanz ist deprimierend: Rechte Gewalttäter haben seit der Wiedervereinigung mindestens 97 Ausländer und Deutsche getötet, wie Tagesspiegel und "Frankfurter Rundschau" recherchiert haben. Allein seit dem Beginn des "Aufstands der Anständigen" im Sommer 2000 wurden drei Obdachlose umgebracht.
In den elf Jahren seit der Wiedervereinigung haben rechte Gewalttäter mindestens 97 Ausländer und Deutsche getötet. Dies ergaben gemeinsame Recherchen von Tagesspiegel und "Frankfurter Rundschau".
Mit Sprechchören wie "Berlin bleibt deutsch" und "Solidarität mit Palästina" sind 1000 NPD-Anhänger und andere Neonazis am Einheitsfeiertag durch Charlottenburg marschiert. Eskortiert von der Polizei liefen die Rechtsextremisten weitgehend ungestört vom S-Bahnhof Halensee aus ein paar hundert Meter über den Kurfürstendamm.
Der Anspruch erscheint vermessen: Aus mehreren Millionen Menschen sollen wenige Verdächtige herausgefiltert werden. Dennoch halten Experten in den Sicherheitsbehörden die bundesweite Rasterfahndung für ein durchaus taugliches Instrument zur Eindämmung der Gefahr islamistischen Terrors.
Der NPD-Aufmarsch am 3. Oktober ist offenbar zu einem kurzen Spaziergang geschrumpft.
Zum Thema Online Spezial:Berlin-Wahl 2001 WahlStreet.de:Die Wahlbörse bei Tagesspiegel Online Foto-Tour:Die Berliner Spitzenkandidaten Mit ihrer aggressiven Wahlwerbung bringt sich die NPD in Schwierigkeiten.
Zum Thema Newsticker: Aktuelle Meldungen aus Berlin und Brandenburg NPD und Neonazis dürfen am 3. Oktober in Berlin demonstrieren.
Bei der Fahndung nach den Hintermännern des Terrors gegen die USA sehen sich die deutschen Sicherheitsbehörden mit ungewohnten Problemen konfrontiert. Mit den unauffälligen Schläfern sei "ein neuer Tätertyp am Werk", sagen Experten, "wir müssen völlig umlernen.
Der Bundesrat hat am Donnerstag das Anti-Terror-Paket der Bundesregierung gebilligt, jedoch nur mit einigen Auflagen. Der Länderkammer gehen vor allem die Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit auf Flughäfen nicht weit genug.