Klingt die Melodie mal schräg, klemmt das Pedal, schlagen die Hämmer zu hart an oder die Tasten zu leicht - dann ist das ein Fall für Günter Klatt. Seit fünfzig Jahren kümmert sich der Klavierbauer um das Wohl der Tasteninstrumente.
Isabel Herzfeld
Die "menschliche Avantgarde", wie Krzysztof Penderecki sie nennt, ist auf dem Vormarsch. Dem Publikum die Schrecknisse der Moderne ersparend, erobert sie die Konzertsäle.
Alfred Schnittke lieferte den zunächst verborgenen roten Faden des Programms, in dem das Neue Berliner Kammerorchester mit seinem Chefdirigenten Jac van Steen Werke der ersten und zweiten Wiener Schule miteinander verstrickt hatte. Für den Wolgadeutschen mit russischer Muttersprache, der zunehmend auch seine lettisch-jüdischen Wurzeln wiederentdeckte, bedeutete Komposition nicht Schaffen neuer Klänge, vielmehr Sichten und Neubewerten der schon vorhandenen.
Neue Musik, sagte der Schweizer Dirigent Mario Venzago, sei Forschung, ohne die das lieb gewordene Alte nicht lebendig erhalten werden könne. Und alles, was analysiert werde, erscheine zunächst fremd, ein Klang genauso wie ein Stück Holz.
Das kann nur eine Musical-Story sein: Eine knapp 25jährige kommt mit einem Stipendium in der Tasche über den großen Teich, aus Mainz, wo Krieg und Verfolgung das Leben schon lange unerträglich machen. Nach Abschluss ihrer Musikstudien am Curtis Institut Philadelphia braucht sie einen Job, tingelt als Korrepetitorin durch die Broadway-Theater.
Ausgerechnet zum Fest der Feste scheinen alle Entdeckungen gemacht. Schon im vergangenen Juni hatte die Kurt-Weill-Foundation New York die globalen "Kurt-Weill-Centenaries" zum 100.
Es war nicht zuletzt die Inszenierung von Viktor Ullmanns "Der Kaiser von Atlantis", die den Ruf von Winfried Radeke und seiner Neuköllner Oper begründete. Elf Jahre ist das her.
Ein reiner Mozart-Abend ist etwas Seltenes geworden; zu wenig spektakulär und scheinbar leichtgewichtig ist seine Musik, als dass sie die romantischen Brocken, die die Berliner Klavierabende beherrschen, beiseite schieben könnte. Dabei ist Mozart, von Legionen unbegabter Klavierschüler zu Tode gemartert, verflixt schwer.
Boris Pergamenschikow hat das 20. Jahrundert zur Ära des Violoncellos ausgerufen.
Seit zweieinhalb Jahren spielt das Ensemble der Spectrum Concerts, die der Cellist Frank Dodge vor zwölf Jahren ins Leben rief und gegen alle Widrigkeiten erhielt, in neuer Besetzung - eine kurze Zeit für so unterschiedliche Temperamente, wie sein Neujahrsauftritt im Kammermusiksaal der Philharmonie zunächst verdeutlichte. Passen eigentlich Männer und Frauen nicht zusammen oder nur Klavier und Streicher?
Ein klug abgestimmtes, Tradition und Moderne differenziert reflektierendes Programm, ein origineller, seine Vorstellungen präzise mitteilender Dirigent und ein virtuoses, farbenreiches Orchester: die Zusammenkunft des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin mit Paavo Järvi in der Philharmonie berechtigte zu hohen Erwartungen. Doch irgendwie kam man nicht recht zusammen.
"Zwei der führenden Komponisten elektronischer Musik" stellte das Ensemble Modern im Hebbel-Theater gegenüber: der eine, Karlheinz Stockhausen, ist auf den verschiedensten Ebenen spektakulär hervorgetreten, der andere, der 1939 in England geborene Jonathan Harvey, wohl eher ein Insider-Tipp. Viel sagt diese Konfrontation jedoch über die Entwicklung der elektronischen Möglichkeiten und ihren Anteil an der kompositorischen Substanz aus.
Vieles, was derzeit der Naziopfer gedenkt, ist "nur" gut gemeint, doch was die Stiftung "Musik wider das Vergessen" gemeinsam mit "musica reanimata" zum Vorabend des 9. November in der Deutschen Oper veranstaltete, ließ gerade durch künstlerische Qualität die Verluste hautnah und nicht als theoretische Beschwörung erleben.
"Musikalische Akademie" nennt sich die von DeutschlandRadio Berlin gemeinsam mit dem Schauspielhaus veranstaltete Konzertreihe Neuer Musik. Doch wer beim Auftritt der "Gruppe Neue Musik Hanns Eisler" aus Leipzig trockene Theorie befürchtet hatte, sah sich angenehm enttäuscht.
Chopin kann man auch anders spielen: klassisch klar, noch in den verwickelsten Figuren von gestochener Genauigkeit, ganz ohne romantische Überredungskunst. Der Meister selbst, so ist es überliefert, liebte Bach und Mozart, war alles andere als ein Tastendonnerer.
Die gute Nachricht zuerst: In Husum ist alles beim Alten geblieben. Alljährlich versammeln sich hier am Ende des Nordseesommers Fans und Freaks zu "Raritäten der Klaviermusik", süchtig nach den verblichenen Preziosen und Petitessen ihres "Goldenen Zeitalters".
Der "Rosenkavalier", diese Wiederbelebung einer schon überwunden geglaubten, mozartischen Gesangskunst, ohne Stimmen? Unmöglich!
Das Grundübel lag im Raum: Warum das Scharoun-Ensemble und Franz Welser-Möst für die Aufführung der Kammermusikfassung von Gustav Mahlers "Lied von der Erde" die große Philharmonie gewählt haben, bleibt ein Rätsel. Denn die Bearbeitung, die Arnold Schönberg 1921 für seinen "Verein für musikalische Privataufführungen" begann und Rainer Riehn 60 Jahre später auf der Grundlage dieses Fragments vollendete, ist auf einen kleinen Hörerkreis zugeschnitten, will ihm maximale Deutlichkeit und Transparenz der Struktur vermitteln.
Wer wollte Krzysztof Penderecki das lautere Anliegen seines "Polnischen Requiems" bestreiten! In den Jahren 1980 bis 1993 entstanden, dokumentiert es Nervenpunkte der polnischen Geschichte, die mit der deutschen so unheilvoll verwoben ist.
Isolde gewinnt Tristan durch den Liebestrank; Delilah raubt Samson im Schlaf sein kraftspendendes Haar; Elsa mißachtet Lohengrins Frageverbot: Lügen und Geheimnisse, Verrat und Betrug gehören wohl zur Liebe wie das Salz zur Suppe, zumindest auf der Opernbühne. In Franz Schrekers Oper "Der Schatzgräber" entwendet die schöne Wirtstochter Els, die sich lästige Verehrer schon mal per Mordauftrag vom Hals schaffen läßt, dem geliebten Sänger Elis die Zauberlaute.
Mehr braucht ein sommerliches Opernfestival wirklich nicht: die Schloßhofkulisse im Abendsonnenschein, ein kühlendes Lüftchen, Schwalbengezwitscher, schöne junge Stimmen. Die Einsatzfreude, den Charme und Witz der Jugend konnte die Kammeroper Schloß Rheinsberg bei ihrer Operngala in diesem perfekten Ambiente in die Waagschale werfen - gewissermaßen als klassisches Pendant zur Love Parade.
"Prova del intonazione" nennt Pietro Locatelli den letzten Satz seiner Sonate für Violine solo und Basso continuo in d-moll. Die Intonation wird geprüft durch chromatisch auf- und abrauschende Sextengänge, mit wildem Tremolo versetzt, Quint- und Oktav-Kaskaden, rasche Tonwiederholungen, die sich in immer höhere Flageolettregionen hineinschrauben, bis sich endlich eine lyrische Melodie aus dem ganzen virtuosen Geschnörkel herausschält.
"Eigentlich hat sich gar nichts geändert", sagt die Geigerin Susanne Schergaut lachend, "wir spielen jetzt unsere Abo-Reihe zu Ende, die Reihe der nächsten Saison steht auch, und die finanziellen Schwierigkeiten sind ebenfalls geblieben." Vor knapp drei Jahren war schon einmal das Ende des Kammerorchesters Carl Philipp Emanuel Bach verkündet worden.
Wer hätte das gedacht: abseits der künstlerischen "Leuchttürme", im betrüblich schwach gefüllten Großen SFB-Sendesaal, mit Neuer Musik, die auch nicht gerade gängige Vorstellungen von "Kunstgenuß" bedient, ereignet sich ein großer Abend. Heinz Holliger, dessen Dirigentenkarriere sich eher im Schatten seiner Lorbeeren als Oboist und Komponist abspielt, entlockt dem Deutschen Symphonie-Orchester diesmal die delikatesten Farben, Transparenz noch in den komplexesten Klangstrukturen und messerscharf präzise Rhythmik.