In der Türkei soll die vor 30 Jahren von den Militärs diktierte Verfassung reformiert werden. Doch statt Euphorie herrscht Krisenstimmung in Ankara.
Susanne Güsten

„Özkan musste sich entschuldigen“, kommentierte eine türkische Zeitung, von einem „Rückzug“ in der Kruzifix-Debatte war am Mittwoch in einem anderen Blatt die Rede: Der Streit um die Äußerungen der CDU-Politikerin und neuen niedersächsischen Sozialministerin Aygül Özkan über religiöse Symbole in Klassenzimmern hat die Begeisterung der Medien in der Türkei über die Ernennung der ersten türkischstämmigen Landesministerin in Deutschland erheblich gedämpft. „Erst die Entschuldigung, dann der Amtssessel“, überschrieb die bürgerliche Zeitung „Milliyet“ ihren Bericht.
Manche Beschwerden über die neue niedersächsische Ministerin Aygül Özkan und über deren Meinung zu Kruzifixen in Klassenzimmern sagen mehr über die Kritiker aus als über die Politikerin. Ein Kommentar unserer Istanbul-Korrespondentin.
Wie türkische Medien über die Vereidigung der niedersächsischen Ministerin Aygül Özkan und die Kruzifix-Debatte in Deutschland berichten - und sich über CSU-Mann Thomas Goppel wundern.
Die Türkei will Urlauberinnen am Strand schützen
Wie zufällig lassen sie sich neben jungen Urlauberinnen im Sand nieder. „Maganda“ – Rüpel – nennen die Türken die Strandspanner. Nun haben sie genug von den Voyeuren - doch die Schutzmaßnahmen sind übersichtlich.
Bei der Trauerfeier für einen im Kurdenkonflikt getöteten türkischen Soldaten wurde der Energieminister Taner Yildiz vor laufender Kamera verprügelt. Kein Einzelfall: In mehreren Landesteilen der Türkei wurden Politiker in den vergangenen Tagen im wahrsten Sinne des Wortes abgewatscht.
Nach dem Sieg des Nationalisten Dervis Eroglu bei der Wahl im türkischen Teil Zyperns sind die Aussichten für eine Wiedervereinigung der Insel schlechter geworden.
Dervis Eroglu ist der neue Volksgruppenführer der türkischen Zyprer. Seine Wahl ist ein Zeichen für einen wieder erstarkten türkischen Nationalismus - und für eine Schwächung des Friedensprozesses mit den Griechen auf der Insel.

Noch immer werden Mädchen in der Türkei zwangsverheiratet – das Parlament will dagegen vorgehen.
Ein türkischer Ex-Admiral will sich von seiner Frau scheiden lassen, weil sie ihn betrogen haben soll. Daraufhin behauptet sie, ihr Noch-Ehemann habe geheime Militärdokumente verkauft. Für das türkische Militär ist der Rosenkrieg eine Demütigung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht in Istanbul eine Schule, die aber nicht als Modell für Deutschland taugt.
Integration und Antipathie: Viele Türken sind von der deutschen Debatte über türkischsprachige Schulen überrascht.

Nach dem Wirbel in den vergangenen Tagen zeigen sich Kanzlerin Merkel und der türkische Ministerpräsident Erdogan in Ankara versöhnlich. Selbst bei der Forderung nach Einrichtung türkischer Gymnasien in Deutschland gibt es eine Annäherung.
Nach Angela Merkels Absage an türkische Schulen in Deutschland herrscht in der Türkei bei vielen Unverständnis und Enttäuschung. Denn viele Türken erleben, wie schlecht ihre Mitbürger in der Bundesrepublik die türkische Sprache beherrschen.

Premier Erdogan wirbt um die Auslandstürken – doch Merkel ist gegen seinen Wunsch nach Gymnasien.
In einem Interview sprach Erdogan über eine mögliche Ausweisung der in der Türkei lebenden Armenier – und löst Empörung aus.
Selbst in sozial rückständigen Teilen der Türkei wagen es immer mehr Frauen, die Polizei zu rufen, wenn sie von ihren Männern verprügelt werden – doch dann versagt der Staat bei seiner Aufgabe, die Frauen vor Racheakten zu schützen.
Diesmal war es Schweden: Wieder haben Parlamentarier eines westlichen Partners der Türkei den Massenmord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg als Völkermord gebrandmarkt, und wieder protestiert Ankara scharf.

Fußballerinnen fristen in der Türkei ein Mauerblümchen-Dasein. Das könnte sich jetzt ändern, denn die Frauen eines Dorfklubs sind durch einen Werbespot zu Stars geworden.

Bei einem schweren Erdbeben im Osten der Türkei sind mindestens 57 Menschen ums Leben gekommen. Nun gibt es Spekulationen über einen Zusammenhang mit dem Mega-Erdstoß von Chile.
Bei aller gerechtfertigten Empörung über die langjährige Tendenz in der Türkei, die Massaker an den Armeniern im Jahr 1915 als kriegsbedingte Tragödie und damit gewissermaßen als Unfall schönzureden: Eine ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte kann den Türken nicht durch Parlamentsbeschlüsse von außen verordnet werden.Wenn westliche Politiker den türkischen Völkermord an den Armeniern anprangern wie jetzt die Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus, folgen sie moralischen Maßstäben.
Warum sich die Türkei vehement gegen den Völkermord-Vorwurf wehrt.
Die Türkei ist dabei, eines der schwierigsten Kapitel ihrer jüngeren Geschichte aufzuarbeiten: die Einmischung der Militärs in die Politik.