Sein Tod. "Pur ti riveggio!
Ulrich Amling
Wie viel machen zwei mal zwei mit Kleinkunstpreisen ausgezeichnete Duos, die zusammen auf der Bühne stehen? Ein Quartett, meinen Sie.
Zwanzig Jahre ist sie nun alt, die Berliner Kammeroper und damit in ein kritisches Alter eingetreten. Jugendliche Heldentaten verblassen, auch wenn Brynmor Jones, der künstlerische Leiter und Dirigent, stolz betont, man habe Cavalli noch vor René Jacobs in Berlin gespielt.
Barfüßig lagern sie auf dem Bühnenboden - der Tänzer und sein Tabla-Spieler. Silben sirren durch den Raum, eine Musiksprache mit Vokalen und Konsonanten, ein Gedächtnis der Rhythmen.
"Ich habe den Falstaff zu schreiben begonnen, rein zum Zeitvertreib, ohne vorgefasste Gedanken, ohne Pläne; ich wiederhole, zum Zeitvertreib! Weiter nichts!
Eine Showtreppe blinkt einsam vor sich hin, von fern weht eine Musik heran, die einem seltsam vertraut erscheint. Nino Rota hatte sie einst für Fellinis Filme geschrieben, jetzt soll sie das Ballett der Komischen Oper auf Trab bringen, von dem sich Richard Wherlock nach zwei mehr als glücklosen Jahren mit einem "Ballett-Musical" verabschiedet.
Das Kleid ist einfach zauberhaft. Ärmellos fließend, endlos schwingend und der Rücken so tief.
"Aus der Traum vom tiefen Verständnis des Universums. Punkt neun nach Feierabend.
Langsam breitet er seine Schwingen aus, grobkörnig flimmert sein Körper am Horizont, ein Flügelschlag - und dann ist er auch schon wieder verschwunden. Ein flüchtiger Schatten, entsprungen aus Tristan und Isoldes Liebesblick.
Das Leben: eine Cuvée aus feuchtem Rost, säuerlichem Wein, ungewaschenen Gewändern. Der Schweiß aus dicken Theaterbäuchen und ausgelatschten Pantoffeln hängt schwer in der Luft.
Früher ließ sie ihre Tänzer Wände empor stürmen, fegte über Parkdecks und erklomm Bäume. Heute ist Trisha Brown mit ihrer Company auf der Erde angekommen - und rund um den Globus ein begehrter Festival-Star.
Ein irritierender Titel: "Kaspar Konzert". Gibt da zum Auftakt des Tanz-Winters Kaspar Hauser, der Findling, traktierte Schüler und hingemordete Adlige einen rächenden Show-Auftritt?
Die unendliche Bewegung - ein Menschheitstraum. Das Perpetuum mobile kreist lautlos, ohne jede Energiezufuhr und macht uns alle arbeitslos.
Kaum ein Dirigent, der sich nicht auf ihn beruft, kaum ein Stück des romantisch-klassischen Repertoires, das er nicht zu neuer Lebendigkeit geführt hätte: Wilhelm Furtwängler, der musikalische Leitstern zwischen Wien, Bayreuth und Berlin. Doch was dem 1954 verstorbenen Kapellmeister Weltruhm bescherte, nannte er selber nur "das Unglück mit dem Dirigieren".
Lang war die Schlange der Kartensuchenden vor dem Konzerthaus, der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt: Die Verdi-Festtage mit dessen Messa da Requiem zu beginnen, weckte Hoffnungen auf einen pointierten Brückenschlag zwischen prallem Diesseits und ewigem Jenseits. (Etwa wie in Gustav Mahlers "Trinklied vom Jammer der Erde", wo erhobenen Bechers zunächst die grausige Endlich- und Vergeblichkeit des Lebens beschworen wird - und dann erst der Wein die Kehlen hinunterstürzt.
Der Magen ist zur Vorweihnachtszeit ein sensibel Ding. Das hatte auch die Deutsche Oper einst erkannt und servierte im vergangenen Jahr eine kraftvolle "Romeo und Julia"-Brühe, von Youri Vamos liebevoll abgeschmeckt - eine Seltenheit in der Berliner Tanzküche, in der zu viele Aushilfsköche den Brei verderben.
An der Garderobe des Konzerthauses stauen sich finstere Mienen, die prall gefüllte Tüten und Taschen auf blasse Studentinnen niederprasseln lassen. Keine zwei Wochen mehr bis Weihnachten, wer jetzt noch kein Geschenk hat, wird keines mehr bekommen - das klagen die Gesichter.
Den Titel hat sie kurzfristig geändert: Statt "Ode an das Toy-Piano" tauft Margaret Leng Tan ihren Auftritt im Musikinstrumenten-Museum "Ode an Schroeder". Eine Hommage an den berühmtesten Toy-Pianisten der Welt, die Comicfigur aus der Peanuts-Welt von Charles M.
Nein, unter geradezu mörderischer Tanzwut leidet es nicht, das Berliner Ballettwesen. Immer seltener treten die Tänzer auf die Bühne, immer weniger Publikum locken sie mit ihren Darbietungen an.
Restaurantkritiker, die zeilenreich über zu volle Teller klagen, enttarnt der erfahrene Leser sofort als Snobs und betrachtet sie entsprechend spöttisch. Wer den Überfluss nicht aushält, der bleibe dem Luxus besser fern - und besuche stattdessen zum Beispiel einen der Berliner Konzertsäle.
Überbordend, in oft stockenden Einzelnummern und sehr, sehr lang - so kennt man die Abschlusskonzerte der Jüdischen Kulturtage. Wer diesmal in weiser Voraussicht mit dem Sitzkissen ins Haus der Kulturen eilte, wurde überrascht.
Das Vorspiel zu "Schwanensee" an der Komischen Oper ist alles andere als märchenhaft. Chefchoreograf Richard Wherlock, der sich und seinen Ruf vorzeitig von Berlin nach Basel rettete, sagte nach Querelen mit Intendant Albert Kost seine Neuinszenierung des "Nußknackers" ab.
Ist es mangelnde Eitelkeit, oder hat der schwedische Bühnenbildbau einfach nur vor "Ikea" die Waffen gestreckt? Die Szene für Mats Eks "Dornröschen"-Choreografie atmet das Grau Bergmanscher Familienhöllen, in der selbst das heiß ersehnte Auto nur als stumpfschwarze Laubsägearbeit umherrollt.
Das Ende aller Widersprüche, ein unendliches Vibrieren in zehn Dimensionen, eine neue Zeit: Dies alles versprechen sich Physiker von der String-Theorie. Den gesamten Kosmos reiht sie hübsch ordentlich in "Supersymmetrie" an, erklärt selbst die Existenz von schwarzen Löchern und beendet so als theory of everything all unsere menschlichen Zweifel.