Im Theater werden ja ganz gern mal tiefsinnige Fragen gestellt. „Wie hast du’s mit der Religion?
Christine Wahl

Die DDR lebt: „Legende vom Glück ohne Ende“ im Maxim Gorki Theater.

Die Qual der Wahl 2012: Mit der Jury einmal quer durchs deutschsprachige Bühnenland. Das Reisetagebuch einer Kritikerin.
Heinrich von Kleist ist vergangenes Jahr, anlässlich seines 200. Todestages, zu Recht gefeiert worden.
Gefangen in der Kajüte: Frank Castorf inszeniert mal wieder auswärts und bringt Franz Kafkas „Amerika“ im Zürcher Schiffbau auf die Bühne.
Viel mehr Gegenwart geht nicht: Wunderwaffe gegen Neoliberalismus und Feminismus-Debatten. Der gute alte Henrik Ibsen boomt im deutschsprachigen Theater.
„Frau Holle“ schien eine klare Angelegenheit zu sein. Aufsässige Naturen erkannten in der Story der Gebrüder Grimm schon im Kindesalter ein Streber- und Spießerdrama, in dem brave Parteisoldatinnen proper entlohnt und die Aufmüpfigen stigmatisiert werden.
Wirklichkeitsforschung und Authentizitätsbehauptungen sind ja schwer en vogue im Theater. Der Lebenswelt außerhalb des Probenraums zumindest nahezukommen versuchen so gut wie alle Häuser – egal, ob sie mit Shakespeares „Richard III.
Die schrägen Schaumstoff-Kumpel vom Puppentheater „Das Helmi“ haben eine bemerkenswerte Karriere hingelegt: kaum ein ernst zu nehmender Regisseur, der seine Abende nicht mit den Kreationen aus der Helmi-Werkstatt veredelte. In Nicolas Stemanns Hamburger „Faust“-Inszenierung, die im Mai zum Theatertreffen kommt, bewerten zum Beispiel hinreißend professorale Knautschgesichter Fausts Qualitäten, interpretieren literarische Wendepunkte in Goethes Werk oder erklären dem Retortenbaby namens Homunculus, wieso es seinem Schicksal nicht entgeht.

Ein Wort genügt: Herbert Fritsch inszeniert „Murmel Murmel“ an der Berliner Volksbühne.
Ein klares, unsentimentales Verhältnis zum Geld ist immer gut – egal, ob man welches hat oder nicht. Mit dem aufklärerischen Kassensturz kann man deshalb gar nicht früh genug anfangen.
Pop plus Pathos: Antú Romero Nunes inszeniert Fritz Katers „Zeit zu lieben Zeit zu sterben“ am Berliner Maxim-Gorki-Theater.

Ost-Frauen schlagen West-Frauen: She She Pop mit der Performance „Schubladen“ im HAU.
Künstlerische Ostalgie-Wellen schwappten in den letzten Jahren ja gleich mehrfach über uns herein, gern in Form blühender Spreewaldgurken-Folklore. In eine dieser Wellen schrieb der Journalist Christoph Dieckmann weise hinein: „Wer den wahren Osten aufzufinden wünscht, der lese wenigstens eines der Bücher des Ost-West-Ost-Getriebenen“ Wolfgang Hilbig.
Kartoffelsalat mit extra schlaffen Würstchen: Frank Castorf inszeniert eine lust,- und ideenlose „Die Marquise von O.“ in der Berliner Volksbühne. Immerhin: Es spielen viele Tiere mit.
Das ist doch mal eine vorbildliche Aktion: Sechs Monate lang haben Künstler des charmanten kleinen Theaters o. N.

Hysterische Lehrer, fanatische Schüler: Die Uraufführung von Marius von Mayenburgs überdrehter Bildungsfarce „Märtyrer“ in der Schaubühne.
Pierre-Anthon, Schüler in einer fiktiven dänischen Kleinstadt, verweigert sämtlichen pädagogischen Konzepten die Gefolgschaft. Lieber steht er mitten im Unterricht auf, verkündet, dass rein gar nichts unter dieser Sonne irgendeine Bedeutung habe, und fristet sein jugendliches Leben fortan sitzend in einem Pflaumenbaum.

So wild und kaputt war Theater lange nicht: das Regieduo Vinge/Müller zerlegt über Stunden hinweg den Berliner Volksbühnen-Prater. Eine Reise zu den aktuellen Bühnen-Exzessen.
Mit dem Theater kann man gar nicht früh genug beginnen. Die „optimale Performance“ in Job und Bett, das austarierte „Rollenspiel“ in der Beziehung: Die Begrifflichkeiten, mit denen Gesellschaftswissenschaftler und Frauenzeitschriftskolumnistinnen unser „social life“ beschreiben, werden zusehends dramatischer.
Herbert Fritsch inszeniert in Köln „Herr Puntila und sein Knecht Matti“.
Im Theater wird zurzeit ständig der Rubikon überschritten: Keine Inszenierung, die sich die bundespräsidiale Blamage auf der Mailbox des „Bild“-Chefs entgehen ließe! Führend ist das Deutsche Theater: Hier führten tragende Bühnencharaktere gleich in beiden Januar-Premieren wiederholt die Wulffsche Wendung im Munde.
Manipulierte Basisdemokratie und Spaß am Improvisieren: „Die Kommune“ von Thomas Vinterberg im Deutschen Theater Berlin.

Deutsches Theater Berlin: Jette Steck inszeniert Sartres „Schmutzige Hände“ als postideologische Farce.