Während draußen vor der Galerietür Berlin den Sommer übt mit Schwüle und Gewittern, findet drinnen der Frühling statt. Die Erklärung ist einfach, denn "Vor" lautet der Ausstellungstitel.
Nicola Kuhn
Schon durchs Treppenhaus dröhnt Musik: eingängiger Pop, zu dem sich riesenhaft vergrößert der auf zwei Wände projizierte Kopf der Künstlerin dreht. Mit jeder Umkreisung hat Ana Laura Alàez ein neues Outfit, eine andere Perücke, einen anderen grellen Lidschatten.
Von urbanen Legenden handelt die Ausstellung, die der Kultursenator eigentlich im Künstlerhaus Bethanien eröffnen sollte. Doch die gezeigte Kunst streifte Thomas Flierl mit keinem Satz seiner Rede.
Kinder sind ein Privileg. Mit ihnen lässt sich die Paradiespforte zu kindlichen Sichtweisen ein kleines Stückchen wieder öffnen.
Eine fremde Welt, eine andere Zeit: Hier gilt die zum kommunistischen Gruß geballte Faust noch etwas, hier haben Astronauten ihren Status als Nationalhelden nicht verloren. Und doch drehten Jane & Louise Wilson diese Szenen erst vor anderthalb Jahren - im Süden Kasachstans, wo Russland bis heute ein Raumfahrt-Areal unterhält, an dem nicht nur der Fall des Eisernen Vorhangs, sondern auch der technische Fortschritt kaum Spuren hinterlassen haben.
Es ist ein merkwürdiger Reigen: 47 Männer und vier Frauen finden zueinander und bilden 25 Paare. Die einen tanzen virtuos einen Tango, andere versuchen eine Polka oder gar Boogie-Woogie.
Erziehungsurlaub - ein herrliches Wort. Die ersten drei Silben verschluckt man eh, und dann steht da nur noch Entspannung, Muße, Ferien eben.
"Sehen und Denken" heißt eine kleine, feine Ausstellungsreihe, die seit fünf Jahren an eher verborgenem Ort in der Akademie der Künste stattfindet: unter der Foyertreppe, wo der Akademiepräsident einmal im Jahr seine sogenannte Treppenrede hält. Ein Schelm, der hieraus Folgerungen über das Ansehen der Abteilung Bildene Kunst zieht, die hier eine Nische zur Präsentation von Mitgliedern und Gästen gefunden hat.
Ich kenne mittlerweile diese Blicke: eine Mischung aus Bewunderung und Mitleid, wenn ich mit meinem Zwillingswagen vermatschte Parkwege durchpflüge und auf den Bürgersteigen den Pfützenslalom übe. Die Arme, kann ich da hinter den Stirnen entgegenkommender Mütter lesen, gleich zwei auf einmal.
Zwillinge. Wir wussten, es werden Zwillinge.
Viele Wege führen zu Warhol. Mit jeder großen Ausstellung wird ein anderer Pfad betreten, eine neue Orientierung gesucht im wuchernden Werk dieses Universalkünstlers, der vom Grafikdesign zur Malerei wechselte, vom Film zur Fotografie, von der Performance zur Musikproduktion, vom Zeitschriftenherausgeber zum Buchautor.
Wie in kaum einer anderen Straße der Stadt treffen sich in der Oranienburger Straße das neue und das alte Berlin: schicke Szenelokale und heruntergekommene Fassaden, Hauptstadttouristen und Scheunenviertel-Bewohner, schaukelnde Straßenbahnen und Zuhälterkutschen. Wer hier eine Verabredung hat, weiß vorher selten, auf welchen Teil der Oranienburger Straße er diesmal trifft.
A bigger Splash, ein Sprung ins kühle Nass eines Swimmingpools. In der Hitze der vergangenen Tage mag so mancher auf diesen Gedanken gekommen sein, zu dem sich dann jene Vision eines Schwimmbad-Bildes gesellt haben dürfte, die zu einer Ikone der jüngeren Kunstgeschichte wurde.
Rätselhafte Handlungen verrichten diese Menschen, halten Schilder ohne Aufschrift hoch, staken mit langem Gestänge in trübem Wasser, stehen wie versteinert in einer surrealen Welt. An ihrer Entschlüsselung hat sich so mancher lustvoll die Zähne ausgebissen, denn Neo Rauchs Bilder öffnen sich jedweder Interpretation, sind idealer Schauplatz und Projektionsfläche jedem, der seiner Phantasie freie Bahn lässt.
Harmlos schaut er aus, mit seinen zwei Stahlrohren und einer Holzplatte. Und doch ist Marcel Breuers Bauhaus-Hocker Gegenstand eines heftigen Rechtsstreits geworden.
Zeitgenössische Kunst ist internationaler denn je: Fast fünfzig Künstler aus über dreißig Ländern hat die niederländische Kuratorin Saskia Bos zur zweiten Berlin-Biennale eingeladen. Zwar spielt es noch eine Rolle, woher ein Künstler stammt - ob aus Rio oder Istanbul, Sofia oder Johannesburg -, doch wo er wohnt, ist nahezu irrelevant geworden.
Nicht nur zwei Generationen, vielmehr zwei Kontinente saßen da einander im Künstlergespräch gegenüber: auf der einen Seite der Belgier Luc Tuymans (Jahrgang 1958), der mit seinen zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion changierenden Gemälden nach Wegen sucht, tabuisierte Geschichte darzustellen, und auf der anderen der Amerikaner Alex Katz (Jahrgang 1927), dessen großformatige Porträts und Landschaften hingebungsvoll der Oberfläche huldigen. Doch was sich mancher Zuhörer als high noon gegensätzlicher Künstlertypen ausgemalt hatte, entwickelte sich statt dessen zum freundschaftlich-kollegialen Gespräch.
Ein Mann im Schnee, mit seinen Skiern hingeplumpst, sitzt er scheinbar arglos da und wendet sich zum Fotografen um. Doch das Gesicht ist ausgelöscht, mit einem hellen Weiß übermalt, heller als der ihn umgebende Schnee.
Trotz des sonnigen Frühlingswetters dürften die Mitglieder des Kulturausschusses im Abgeordetenhauses leicht gefröstelt haben, als es um die Zukunft der Stiftung Stadtmuseum ging. "Man verspürt den Eishauch der Unmöglichkeit", formulierte es poetisch Kultursenator Christoph Stölzl.
Schöne, schaurige Strandwelt: gebräunte Leiber dicht an dicht, grellgrüne Sonnenschirme und pinkfarbene Picknicktaschen, das Wasser eine milchige Brühe, am Horizont die Silhouette eines Kraftwerks. Und dennoch herrscht heitere Stimmung; die an den Strand geeilten Städter genießen ihr fragwürdiges Freizeitvergnügen.
"This is a test", blinkt es unablässig in elektronischen Laufbahnen unter der Decke des Mies van der Rohe-Baus. Die Vorbereitungen für Jenny Holzers Anfang Februar beginnende Ausstellung laufen auf Hochtouren.
Das Ritual wiederholt sich alle fünf Jahre, wenn ein Documenta-Macher vor die Öffentlichkeit tritt und Auskunft geben soll über seine Pläne für die weltweit bedeutendste Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Der Strategien, auf diese hochgespannten Erwartungen zu reagieren, gibt es viele: Der Belgier Jan Hoet jagte in Weimar zwei Tage lang Hunderte von Dias mit Kunstwerken durch den Projektor und machte damit sein Publikum sprachlos; die Französin Catherine David verriet eisern bis zum Schluss keine Künstlernamen und mied auch sonst Begegnungen mit dem Publikum.
Welch grandios-makabre Szene: im Vordergrund der verdrehte, nackte Leib des enthaupteten Argus, dahinter die rot gewandete Juno, die betrogene Göttergattin, wie sie in ihrem Zorn die Augen des Geköpften ins Gefieder eines Pfaus einsetzt. Von wegen Argusaugen.
Was tun, wenn ein Kurfürst sich selbst die Krone aufsetzt und sich fortan König nennt? Die Oranienburger hatten vor 300 Jahren eine ganz einfache Lösung parat.