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Können Social Media eine Revolution entscheiden? Dieser Demonstrant in Kairo meint "Ja", bei der "re:publica" ist die Frage umstritten.

© dpa

re:publica-Panels: Was ist dran an der "Facebook Revolution"?

Bei einem Podium am ersten "re:publica"-Tag diskutieren eine bahrainische Bloggerin, eine Afrika-Expertin und ein deutscher Journalist über die gesellschaftliche Funktion sozialer Medien. Hier sind - zusammengeschnitten - ihre Positionen.

"Ich glaube nicht, dass den technischen Geräten und Diensten eine Schlüsselrolle bei den Revolutionen in Nordafrika zukommt, jedenfalls nicht ausschließlich. In der entscheidenden Phase der ägyptischen Revolution hat der Fernsehsender 'Al Jazeera' eine wesentlich größere Rolle für den Informationsfluss gespielt als Twitter und Facebook. Vielleicht könnte man daher eher sagen: Moderne Revolutionen werden nicht von einzelnen Köpfen, sondern von der gesamten Gesellschaft vorangetrieben. In vielen afrikanischen und orientalischen Ländern - auch solchen, in denen es jetzt zu Aufständen kommt - sind Twitter und Facebook kaum verbreitet. Wir gucken immer nur auf die Apparate, nie aber auf den Grad zivilgesellschaftlicher Organisation in einer Gesellschaft. Viel wichtiger als der Blick auf die technischen Geräte erscheint mir ein Blick auf den Zustand der Zivilgesellschaften."

Ludger Schadomsky betreut den äthiopischen Dienst der Deutschen Welle. Im Vorjahr veröffentlichte er das Buch "Afrika. Ein Kontinent im Wandel".

"Weniger durch Internet und Social Media, aber durch SMS haben Menschen auch in ärmeren Ländern Afrikas inzwischen eine ganz andere Kenntnis ihrer Gesellschaft. Durch migrierte Verwandte und Bekannte laufen die Informationsströme inzwischen bis ins letzte Dorf, selbst dahin, wo es keine funktionierende Elektrizität gibt. Dass das eine Gesellschaft entscheidend verändert, ist doch völlig klar, auch wenn es vielleicht erst einmal nicht politisch ist. Durch das Internet etablieren sich auch zunehmend grenzüberschreitende Strukturen, die einigen totalitären Machthabern gar nicht gefallen dürften. Sobald es Möglichkeiten gibt, aus der direkten eigenen Umgebung heraus zu kommunizieren, eröffnen sich gerade für den frankophonen Sprachraum in Afrika neue Horizonte, etwa durch Kommunikation mit Kanada oder Frankreich. Erst dadurch lässt sich ein Bewusstsein für den Mangel an Freiheit schaffen."

Claire Ulrich wuchs in West- und Zentralafrika auf und ist seit 20 Jahren Print- und TV-Journalistin. Für die Webseite Global Voices Online betreut sie die französischsprachige Version.

"Natürlich war das Internet entscheidend für die ägyptische Revolution. Das hat man vor allem an der Stelle gemerkt, wo Mubarak seinen schlimmsten Fehler begangen hat: das Internet abzustellen. Da ist bei vielen der Schalter umgelegt worden - und sie sind auf die Straße gegangen, weil sie dachten: Wenn er das tut, führt er wirklich Böses im Schilde - und wir sind hier in unseren Wohnungen isoliert! Twitter wurde dann im Verlauf der Proteste auf dem Tahrhir-Platz erst wirklich wichtig: Da haben wir alles, was gerade passierte, aus allen verfügbaren Quellen in Echtzeit bekommen. Es stimmt, dass hinter den ägyptischen Protesten und ihrem vorläufigen Erfolg eine starke Zivilgesellschaft stand, aber das Netz war und ist ein wichtiger Stimmverstärker nach außen: In Syrien tragen nur sehr wenige den Protest ins Netz, deshalb ist er isoliert. Ich werde mich hier nicht zu den Unruhen in Bahrain äußern, weil ich mich nicht in Gefahr bringen möchte. Die Ägypter waren laut und sind von ihren Mitbürgern und dem Ausland gehört worden, weil sie die neuen sozialen Medien genutzt haben. Und letztlich hat "Al Jazeera" das nur weitergeführt, in dem sie sehr häufig Youtube-Videos von Demonstranten gesendet haben."

Amira Al Hussaini ist Bloggerin, Redakteurin, Kolumnistin und Übersetzerin aus Bahrain. Für Global Voices Online berichtet sie aus Nordafrika und dem arabischen Raum.

Mitgeschrieben und aus dem Englischen übersetzt von Johannes Schneider

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