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Medien: In Deutschland, da hakt es

Muxlim.com ist heute das weltweit größte Online-Netzwerk für Muslime

Während des Ramadans ist Merve1992 erst nachts auf muxlim.com online, dann leuchtet ihr Statuslicht grün. Muxlim ist ein Online-Netzwerk, ähnlich wie Facebook. Merves Profilbild zeigt ein Mädchen mit Kopftuch. Kein Foto, sondern eine moderne Tuschezeichnung. Merve ist 19 Jahre alt, Deutsch-Türkin und Muslimin. „Heritage: Turkish, Religion: Muslim“, steht in ihrem Muxlim-Profil. „Marital Status: Single“, steht da auch. „Helloo, can we be friends?? U r muslim and I'm interested in a German one“, hat jemand auf ihre Pinnwand gepostet. Merve sagt: „In Muxlim habe ich die Möglichkeit, mit anderen Muslimen aus verschiedenen Ländern zu schreiben und Ideen auszutauschen, über unsere Probleme zu reden“. Über die Seite könne sie mehr über relevante Ereignisse erfahren. Jedenfalls mehr als bei Facebook. Dort hat Merve ebenfalls ein Profil.

Auch Muxlim-Gründer Mohamed El-Fatatry ist bei Facebook. Er ist Jahrgang 1984, wie Mark Zuckerberg. Und wie dieser hat El-Fatatry ein Online-Netzwerk aufgebaut. Inzwischen verbindet es 25 Millionen User weltweit miteinander. „Muxlim soll nicht für, sondern über Muslime sein“, sagt er. Ein Fenster zur muslimischen Welt, vor allem für Nicht-Muslime. Die Sprache im Netzwerk ist daher Englisch. In der Realität sind nur rund zehn Prozent der User anderer Religion. Dass El-Fatatry die muslimische Version von Zuckerberg sei, hört er nicht gerne. „Ich habe andere Ziele.“

Vor dem 11. September 2001 sei die Welt eine andere gewesen, sagt Mohamed El-Fatatry. Die Terroranschläge in New York hätten das Ansehen des Islam verändert, die Religion sei zu einem Synonym für Terrorismus geworden. 2006 habe er deshalb Muxlim gegründet. Mit dem Netzwerk will er Vorurteile, die offline existieren, online ändern.

Aber kann ein Online-Netzwerk das schiefe Bild geraderücken? Muxlim-Userin Merve glaubt daran. Das Netzwerk demonstriere, dass Muslime modern sein und Spaß haben können. „Die Seite zeigt ein anderes Bild vom Islam, ein positives, richtiges Bild.“ Merve ist seit zwei Jahren bei Muxlim. Im deutschen Fernsehen hatte sie einen Beitrag über das Online-Netzwerk gesehen, wenig später meldete sie sich an. Eine globale muslimische Gemeinschaft existiert nur online. 2010 waren 215 Millionen Muslime im Netz unterwegs. Damit hat das Internet die Offline-Welt überholt: Mit rund 200 Millionen Einwohnern ist Indonesien der Staat mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit. Moslems können auch auf anderen Seiten miteinander kommunizieren, zum Beispiel auf der Jugendplattform Waymo. Doch keine hat so viele Mitglieder wie Muxlim. Es ist das größte muslimische Online-Netzwerk der Welt.

Das Herz des Netzwerks schlägt in Helsinki, Finnland. Einem Land, in dem die rechtspopulistische Partei Wahre Finnen mit 19 Prozent drittstärkste Partei ist. Mit Vorurteilen hat El-Fatatry aber nicht zu kämpfen: „Finnland ist ein wunderbares Land für ein Unternehmen wie das unsere. In Deutschland wäre es wahrscheinlich schwieriger gewesen“.

In Finnland gibt es 30 000 Muslime, in Deutschland sind es rund vier Millionen. „Die Deutschen haben Angst vor Integration“, sagt El-Fatatry. „Und vor den Herausforderungen, die solch ein Nebeneinander von Kulturen mit sich bringt.“ Er glaubt, dass Muxlim in Deutschland zu früh zu viel Aufmerksamkeit bekommen hätte. „Ein Start-up-Unternehmen wie Muxlim braucht ein paar Jahre, um zu wachsen, sich zu finden und zu definieren, vor allem im Online-Geschäft.“ In Finnland musste Mohamed El-Fatatry sein Projekt nicht rechtfertigen. Das Unternehmen konnte in Ruhe wachsen. Inzwischen sind zwanzig Mitarbeiter bei dem Online-Netzwerk beschäftigt.

Und Muxlim expandiert weiter: „Wir konzentrieren uns auf Europa und Nordamerika“, sagt Mohamed El-Fatatry. Das Unternehmen hat Büros in London und New York. Mit der Ruhe ist es allerdings vorbei: 2009 schaffte es El-Fatatry zum ersten Mal auf die Liste der 500 einflussreichsten Muslime weltweit, im selben Jahr bekam er für sein Online-Netzwerk den „Internationalization Award“ des finnischen Präsidenten verliehen. Es war das erste Mal, dass ein Start-up-Unternehmen diesen Preis erhielt – und dass ein Immigrant ausgezeichnet wurde. 2010 lud Barack Obama den Muxlim-Gründer ins Weiße Haus ein. Ende des Jahres wird El-Fatatrys Biografie erscheinen. 27 ist er dann.

Den eigenen Träumen solle man folgen, dann sei man Herr seiner Ziele, sagt El-Fatatry. Er will, dass die Welt eine globale wird, auch kulturell. „Ich unterscheide dabei nicht zwischen on- und offline." Seine Vision: Die Welt nach Muxlim braucht Muxlim nicht mehr.

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