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Für Trendsetter und für Nischenprogramme ist der digitale Radioempfang via Mobilfunk eine Alternative – als Ersatz für das Anntennradio aber viel zu teuer.

© dpa

Medien: Letzte Bastion

Alles wird digital, bloß das Radio läuft überwiegend mit einer mehr als fünfzig Jahre alten Technik

Musik, Film, Fernsehen – die Medienwelt ist digital. Das Antennenradio läuft hingegen heute noch mit der in die Jahre gekommenen UKW-Technik. Dabei steht der Nachfolger längst bereit. DAB (Digital Audio Broadcast oder Digital Radio) bietet mehr Programme, besseren Klang sowie interessante Zusatzdienste. Sogar nationale Sender unter einer bundesweit einheitlichen Frequenz sind möglich. Doch in Deutschland fehlt die politische Vorgabe, sich von der alten analogen Radiotechnik zu verabschieden. Zudem scheuen viele etablierte Anbieter die Konkurrenz durch neue Sender. Möglicherweise gibt es einen anderen, finanziellen Anreiz, um das Digital Radio doch noch auf Sendung zu schicken. „Noch nie waren sich die Verhandlungspartner bei ihren Bestrebungen, Digital Radio in Deutschland einzuführen, so nah wie heute“, ist Michael Richter von der Lobbyorganisation Digital-RadioPlattform nun erstmals seit vielen Jahren wieder vorsichtig optimistisch.

Dass die Debatte um die Einführung des verbesserten Digitalradiosystems DAB plus nun wieder in Gang kam, ist der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten in Deutschland (Kef) zu verdanken. Sie entschied, 42 Millionen Euro Gebührengelder für das Digital Radio freizugeben. Allerdings gebunden an eine Frist, die nach der wechselvollen Vorgeschichte dieser Technik einem Ultimatum gleichkommt: Wenn es bis zum 21. September keinen Vertrag zwischen dem Netzbetreiber Media Broadcast, dem öffentlich-rechtlichen Deutschlandradio und den privaten Radiobetreibern über den Aufbau eines bundesweiten Digitalradios gibt, sind die Mittel futsch.

Sollte die Kef entscheiden, dass die von ihr formulierten Anforderungen nicht erfüllt worden sind, fließen die für die Zeit bis 2012 anerkannten Projektmittel in die Finanzhaushalte von ARD beziehungsweise Deutschlandradio als Eigenmittel ein, sagt Kef-Mitglied Ulrich Reimers dem Tagesspiegel: „Ich kann mir dann kaum vorstellen, dass die KEF den Finanzbedarf für einen erneuten Versuch ab der Gebührenperiode 2013 anerkennen könnte.“ Werden hingegen die Auflagen erfüllt, beginnt der Aufbau des bundesweiten Digitalradios im Jahr 2011. Media Broadcast hält sich zum Fortschritt der Verhandlungen bedeckt: Es gebe „konstruktive Verhandlungen mit dem Deutschlandradio und den privaten Sendern“, sagte ein Sprecher.

Aus Sicht des Deutschlandradios, dem zwölf Millionen Euro zugedacht sind, könnte man relativ kurzfristig zu einem Abschluss kommen. „Die Verhandlungen finden derzeit in immer kürzeren Abständen statt“, sagt Dietmar Boettcher-Frech, Sprecher des Deutschlandradios. Die wichtigen Eckpunkte für das Deutschlandradio mit seinen drei Wellen Deutschlandradio Kultur, Deutschlandfunk und DRadio Wissen sind gegeben. Einerseits dürfen die von der Kef bewilligten Gebührengelder nicht überschritten werden. Andererseits muss die Versorgung zumindest die Ballungsgebiete abdecken, so dass guten Gewissens für DAB geworben werben kann. Für das Deutschlandradio ist das DAB vor allem deshalb so interessant, weil es für den Sender die einzige Chance ist, eine bundesweit flächendeckende Verbreitung seiner Programme zu erreichen. Die Verbreitung der drei Programme über das Internet und über iPhone-Apps sei zwar als Ergänzung sehr erfolgreich, aber auch teuer. Wenn die Verbreitung komplett auf Internetstreaming umgestellt würde, wäre der Sender schnell pleite, scherzt Boettcher-Frech.

Seit dem Start des ersten DAB-Senders im Jahr 1995 hat sich die Situation nachhaltig verändert, nicht zuletzt durch Internetradios und die zunehmende Bedeutung des mobilen Internets: Geweckt wird zum Beispiel Radiofan Reimers durch einen Internetradiowecker. Im Badezimmer hört er dann UKW-Radio, im Büro steht ein weiterer Internetradioempfänger und bei der Arbeit im häuslichen Arbeitszimmer läuft das Schweizer Jazzradio vom Internetradio und andere Programme vom digitalen Satellitenempfänger. Und DRadio Wissen wird meistens per iPhone-App abgerufen. „Die Vielfalt der digitalen Verbreitungswege für das Radio ist bereits heute so gewaltig, dass man sich fragen darf, welche Marktnische ein eigenständiges digitales Antennenradio besetzen soll“, sagte Reimers. Auf dem Weg zum Digitalen Radio liegen verschiedene Stolpersteine. In der öffentlich-rechtlichen ARD mangelt es an einer einheitlichen Linie. Während Bayern als Vorreiter bereits über neun Digitalwellen verfügt, stehen andere Anstalten wie besonders der NDR dem Thema ablehnend gegenüber.

Zudem müssen die Privatsender ihre Investitionen über Werbeerlöse finanzieren. Diese werden im Digitalen Radio zumindest am Anfang nur spärlich fließen. Eine öffentliche Förderung der Privatsender ist wenig aussichtsreich: Dagegen hat die EU-Kommission bereits bei der DVB-T-Einführung Einwände erhoben. Michael Richter hofft nun auf die Gerätehersteller und den Handel, die von Herstellung und Verkauf der Endgeräte am meisten profitieren. Wenn sie einen Teil der Einnahmen in das DAB-Marketing stecken würden, wäre auch den Privatsendern damit gedient, argumentiert der Plattformchef.

Die effektivste Förderung wäre gleichwohl eine klare politische Vorgabe wie zum Beispiel in Frankreich. Dort muss jedes neue Radio ab 2013 über ein digitales Empfangsteil verfügen. In Großbritannien liegt die Quote der DAB-Empfänger sogar bereits bei über 15 Prozent.

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