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Mutige Männer vor ihren fliegenden Särgen. Pilot Harry (Steve Windolf, links) erzählt Freund Richie (Frederick Lau), dass er aufhören will.

© RTL

RTL-Film über Starfighter: Man nannte sie Witwenmacher

Mit „Top Gun“-Ästhetik: RTL lässt die Starfighter wieder fliegen – und abstürzen. Auf den Eventfilm folgt eine Dokumentation mit Peter Kloeppel.

„Jede Luftwaffe der Welt muss bereits im Frieden mit einer gewissen Verlustrate rechnen“, sagte der damalige Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel im März 1966 bei einer Bundestagsdebatte über die Absturzserie von Starfighter-Kampfjets in der Bundesrepublik. Vier Jahre nach dieser zynisch anmutenden Analyse musste von Hassel seinen Sohn Joachim zu Grabe tragen – auch er ein Pilot, der in seiner Lockheed F104 starb. Bis die „Witwenmacher“ im Jahr 1991 ausgemustert wurden, verunglückten von den 916 angeschafften Maschinen 262. Jeder dritte Unfall endete tödlich, insgesamt 116 Piloten verloren ihr Leben, wie die RTL-Dokumentation „Mein Mann war Nummer 57“ im Anschluss an den Film „Starfighter – Sie wollten den Himmel erobern“ an diesem Donnerstag in Erinnerung ruft.

Ursprünglich hatte RTL das Eventmovie und die Dokumentation mit Chefmoderator Peter Kloeppel bereits Anfang April senden wollen. Wegen des Absturzes der Germanwings-Maschine in Südfrankreich am 23. März, bei dem 150 Menschen starben, hat der Kölner Sender den Termin jedoch verschoben und sendet die beiden sehenswerten Produktionen nun an diesem Donnerstag.

Heute ist es kaum mehr nachvollziehbar, dass durch ein Kampfflugzeug mit solch eklatanten technischen Mängeln, das völlig unausgereift war und die Piloten zu Versuchskaninchen degradierte, weit über hundert Menschen sterben konnten, und die Öffentlichkeit davon so gut wie keine Notiz nahm, sagt Regisseur Miguel Alexandre. Tatsächlich gab es Proteste zumeist nur an Orten, wo die Maschinen im Tiefflug über bewohnten Gebieten vom Himmel zu fallen drohten.

Aber auch die Piloten und Angehörigen selbst fügten sich zumeist in ihr Schicksal. Die Flieger waren überzeugt, dass sie die die technischen Probleme in den Griff bekommen könnten. Viele Piloten sind sogar heute noch fasziniert von den technischen Fähigkeiten dieser bemannten Rakete. Die „Top Gun“-Ästhetik fehlt im Film nicht, aber schließlich heißt der auftraggebende Sender RTL, nicht Arte. Von den Angehörigen der getöteten Piloten stellten nur wenige die Unglückserklärungen der Bundeswehr in Frage. Und die Öffentlichkeit gewöhnte sich über die Jahre an die sich regelmäßig wiederholenden Absturzmeldungen in der „Tagesschau“.

In der Dokumentation hat sich Peter Kloeppel unter anderem mit den Witwen der Piloten über die inzwischen lange zurückliegenden Ereignisse unterhalten. Eine von ihnen ist Elke von Hassel, Witwe von Flieger Joachim von Hassel und Schwiegertochter des Ex-Verteidigungsministers. Zwei Söhne musste sie ohne ihren Mann aufziehen, erst danach gab sie sich der Trauerarbeit hin. Damals musste sie vor allem funktionieren.

Kloeppel hatte an einem Starfighter-Standort gedient

Kloeppel selbst hatte als Wehrdienstleistender in einem Jagdbombergeschwader in der Nähe von Köln an Trauerfeiern für getötete Starfighter-Piloten teilgenommen. Entsprechend behutsam näherte er sich dem Thema. Pauschale Schuldzuweisungen gibt es nicht, vielmehr versucht er, die Unfälle und den Umgang von Piloten, Angehörigen und der Öffentlichkeit damit aus Sicht der damaligen Zeit erklärbar zu machen. Und dazu gehörte auch, dass die Abstürze wegen der gefühlten Bedrohung aus dem Osten – Stichwort Kalter Krieg – als notwendiger Blutzoll akzeptiert wurden.

Der Eventfilm muss das nicht, er kann daran erinnern, was die Abstürze und Todesopfer menschlich bedeuten. Regisseur Alexandre lässt den Zuschauer miterleben, wie sich der selbstbewusste Pilot Harry Schäfer (Steve Windolf) und seine spätere Frau Betti (Picco von Groote) verlieben. Wie sie immer wieder mit tödlichen Unfällen bei Kameraden konfrontiert werden, bis auch Harry eines Tages nicht mehr nach Hause kommt. Doch anders als die anderen Fliegerwitwen will sich Betti damit nicht einfach abfinden, sucht nach Eklärungen und Verantwortlichen. Dabei bekommt sie die ganze Kälte des obrigkeitshörigen Systems zu spüren. Getragen wird der konfliktgeladene Film von viel Zeitkolorit, besonders musikalisch, von viel Emotion, ohne gefühlig zu werden.

In der Dokumentation hat Peter Kloeppel auch mit Gerlind Hippel gesprochen, jener Frau, die nach dem Tod ihres Mannes nicht alles auf sich beruhen lassen wollte und eine Sammelklage gegen den F104-Hersteller Lockheed in den USA erwirkte. Drei Millionen Dollar zahlte die US-Firma damals, die höchste bis dahin für Unfälle in Deutschland gezahlte Summe überhaupt. Zur Erinnerung: Der Anschaffungspreis für die über 900 Starfighter lag bei 5,5 Milliarden D-Mark. Franz Josef Strauß, der sich als Verteidigungsminister für die Anschaffung der Starfighter stark gemacht hatte, wurde von den Vorwürfen der Bestechlichkeit freigesprochen.

„Starfighter – Sie wollten den Himmel erobern“, Donnerstag, 20 Uhr 15; „Mein Mann war Nummer 57 – Peter Kloeppel über das Schicksal der Starfighter-Witwen“, 22 Uhr 45, beide RTL

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