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Annäherung. Die Bloggerin Katrin Weiland spricht mit Insassen des Flüchtlingsgefängnisses von Athen. „Auf der Flucht“, Donnerstag, ZDFneo, 22 Uhr 15. Foto: ZDF

© Samal Osman

TV-Experiment: ZDFneo-Reihe „Auf der Flucht“ lässt Schicksal spielen

Dass ZDFneo sechs mehr oder minder Prominente auf eine vermeintliche Flucht schickt, um sich der Asylproblematik auf "gänzlich neue Art" zu nähern, ist höchst umstritten. Doch Senderfrau Simone Emmelius hält entgegen: „Die Kritik geht am Inhalt vorbei“.

Das Leben von Flüchtlingen und Asylsuchenden hautnah miterleben: Für die Doku-Reihe „Auf der Flucht – Das Experiment“ schickt ZDFneo an sechs Donnerstagen sechs Promis und Nicht-Promis selbst auf die Flucht. Die Kritik daran ist groß.

Frau Emmelius, etwas Neues wagen und sich dabei „auf eine gänzlich neue Art“ der Asylproblematik annähern, heißt es zur ZDFneo-Reihe im Presseheft. Auf der Facebook-Seite überwiegen die negativen Kommentare der Zuschauer. Es scheint, dass das Experiment gescheitert ist?

Die momentane Auseinandersetzung bleibt bei vielen in der Infragestellung der gewählten Form stecken und beschäftigt sich nicht mit dem Inhalt der Sendung. Dabei wird beim Anschauen schnell deutlich, wie stark es um das Thema Migration und um das Aufzeigen der Umstände vor Ort geht, die anhand des eigenen Erlebens von sechs Teilnehmern und deren Auseinandersetzung damit verdeutlicht werden.

Gerade diese sechs werden hart kritisiert.

Die ausgewählten Protagonisten stehen zu ihren Meinungen und sind bereit, diese auch zu vertreten. Und genau das waren auch die Kriterien bei der Auswahl der Protagonisten. Das Schicksal der Flüchtlinge wird damit in keiner Weise ausgeblendet, es kommt nur durch eine andere Perspektive zum Tragen – nämlich durch die „Brille“ der Teilnehmer. Die umgekehrte Perspektive – also die Sicht der Flüchtlinge auf ihre Umwelt – leistet im Übrigen nicht zuletzt der Online-Auftritt zur Sendung. Hier kommt zum Beispiel Salomon Ykealo aus Eritrea mit seiner Geschichte ausführlich zu Wort.

Der Fernsehkritiker Holger Kreymeier hat eine Petition mit dem Ziel der „sofortigen Absetzung“ gestartet. Der Vorwurf: Die Sendung betreibe „reißerischen Voyeurismus auf dem Rücken der Ärmsten der Armen“. Warum hat Kreymeier mit seiner Kritik nicht recht?

Es gibt bereits zahlreiche und hervorragende klassische Dokumentationen, die im Zweifelsfall immer das gleiche Publikum erreichen. „Auf der Flucht“ setzt ganz bewusst nicht bei den Flüchtlingen, sondern bei uns selber an. Die sechs Protagonisten stehen stellvertretend für Haltungen in der Asyldebatte, denen wir jeden Tag begegnen oder die wir sogar selbst vertreten. Der für die Doku-Reihe gewählte Weg ist es, den Zuschauer emotional miterleben zu lassen, wie sich diese Haltung relativiert, wenn die Protagonisten in Situationen kommen, die sich – weitaus schutzloser und lebensbedrohlicher – in den Flüchtlingsschicksalen wiederfinden. Wenn Sie sich die Sendung anschauen, lernen Sie zusammen mit den sechs Protagonisten sehr viele Flüchtlinge und ihre Geschichten kennen.

Jedoch sind die Protagonisten auf keiner „echten Flucht“ und keine „echten Flüchtlinge“. Das Format sei „in erster Linie darauf ausgerichtet, aus der Flucht ein Event zu machen“, kritisierte beispielsweise eine Sprecherin der Hilfsorganisation Pro Asyl. Wie sehen Sie das?

Natürlich können die sechs keine „echte Flucht“ nachvollziehen, dies wurde aber auch an keiner Stelle behauptet. Aber sie gelangen an authentische, exemplarisch ausgewählte Stationen einer Flucht, um den Perspektivwechsel für ein deutsches Publikum erlebbar zu machen. Dass wir als Sender auf diesem Weg die Verantwortung dafür tragen, dass unsere Protagonisten nicht in gefährliche, unkontrollierbare Situationen geraten und diese entsprechend vorbereitet haben, nennen wir menschliche und journalistische Sorgfaltspflicht.

Dennoch ist auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR, das bei der Konzipierung beraten hat, nicht zufrieden mit dem Format. Es sei „fragwürdig“.

Natürlich nehmen wir die Kritik ernst, wir hoffen aber, dass sich dieser erste Eindruck nach der Ausstrahlung aller Folgen verändert. Unser Verständnis von Bildungsauftrag umfasst, dass sich Menschen ein Bild machen und selbstständig eine Meinung bilden können.

Werden Sie „Auf der Flucht“ überarbeiten oder gar stoppen?

Dazu besteht keine Veranlassung. Wir stehen zum Inhalt der Doku-Reihe, zu der von uns gewählten Form der Vermittlung und zu ihrer Intention, der Diskussion zum Thema Asyl in Deutschland einen neuen Blickwinkel hinzuzufügen.

Simone Emmelius ist Koordinatorin des digitalen Fernsehsenders ZDFneo. Mit ihr sprach Hadija Haruna.

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