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Der deutsch-türkische Unternehmers Mehmet Göker (re.)

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WDR-Doku über Mehmet Göker: Vorbild, Blender, Film-Held

Das Kino, die Currywurst und der Weihnachtsmarkt: Klaus Stern erzählt die Geschichte des deutsch-türkischen Unternehmers Mehmet Göker weiter - auf verblüffende Weise.

Mehmet Göker hält Hof: In einem schicken Restaurant direkt am Hafen eines türkischen Ortes müssen sich die Bewerber für sein neues Unternehmen vorstellen. Göker inszeniert das auf seine Art. Er fährt in einem Lamborghini vor, an seiner Seite eine bezaubernde Schönheit. Gleich werde er „die Jungs verbal vergewaltigen, ich freue mich schon drauf.“ Klischee pur: Der Aufsteiger aus der Provinz gibt den dicken Max. Doch der Mann ist keine Erfindung, höchstens seine eigene, und obwohl seine Versicherungs-Agentur in Deutschland pleite gegangen ist, macht er in der Türkei weiter, als sei nichts geschehen. Zehn Personen würden sich pro Tag um eine Stelle bewerben, 3500 im Jahr, sagt Göker. Er bezeichnet sich selbst als „Vorbild für viele Millionen Migranten“, weil er etwas „ohne Drogenhandel, ohne Kriminalität“ geschafft habe. Letzteres allerdings muss noch verhandelt werden. Gegen Göker werden Gerichtsverfahren wegen Veruntreuung und Insolvenzverschleppung vorbereitet. Außerhalb der Türkei droht ihm die Verhaftung.

Der großspurige, deutsch-türkische Selfmademan aus Kassel war schon die Hauptperson in Klaus Sterns Dokumentarfilm „Versicherungsvertreter“ (2012). Noch vor wenigen Jahren war Göker eine bedeutende Nummer. Seine MEG AG war der zweitgrößte Vermittler von Krankenversicherungen in Deutschland. Die Konzerne lagen ihm zu Füßen. Nun gibt es mit „Versicherungsvertreter 2“ eine filmische Fortsetzung, was nahe liegend und zwiespältig zugleich ist.

Nahe liegend, weil sich die Geschichte dieser schillernden Persönlichkeit auf verblüffende Weise fortsetzt. Zwiespältig, weil Sterns Protagonist die Mitwirkung zur Eigenwerbung nutzen will. Manchmal sieht sich Film-Liebhaber Göker, der an Deutschland das Kino, die Currywurst und den Weihnachtsmarkt vermisst, einfach nur als Film-Held. Er spricht von „unserem Kinofilm“ oder, an anderer Stelle: „Das erinnert mich an diese eine Szene bei Teil eins.“ Kurios, wie unverhohlen sich da einer freut, im Mittelpunkt eines Filmes zu stehen, obwohl er im Grunde als zwielichtige Type entlarvt wird.

Manager fielen Göker um den Hals

Denn dem mehrfach preisgekrönten Stern gelingt auch in „Versicherungsvertreter 2“ wieder dieser bemerkenswerte Spagat: Sich einerseits seiner Hauptfigur nicht ohne Respekt und Sympathie zu nähern, andererseits dessen Selbst-Inszenierung durch Recherche und kluge Bilder-Montage zu unterlaufen. Zu Wort kommen schwärmerische Mitarbeiter und ernüchterte Ex-Mitarbeiter, die von Gökers Geschäftspraktiken berichten und das Versprechen vom schnellen Geld als „Blenderei“ bezeichnen, außerdem der Insolvenzverwalter der MEG und mit dem Fall vertraute Journalisten. Lieber nichts sagen wollten erneut die Vertreter der Versicherungskonzerne.

Mit Ausschnitten aus seinem ersten Film belegt Klaus Stern, wie einige Manager Göker wegen der enormen Zahl der vermittelten Abschlüsse um den Hals fielen. Das ist ihnen nun offenbar peinlich, angeblich machen sie keine Geschäfte mehr mit Göker. Der vermeintlich Ausgestoßene sitzt in seinem nicht gerade unbescheidenen türkischen Anwesen und erklärt ungerührt: Er habe sowieso nie direkt Verträge mit den Konzernen geschlossen. Das laufe „über Dritte“. Wenn nicht alles täuscht, ist diese muntere Fortsetzungsgeschichte aus der erstaunlich unterhaltsamen Versicherungsbranche noch nicht beendet.

„Versicherungsvertreter 2“; WDR, Donnerstag, 22 Uhr 30

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