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Prickelnde Erscheinung: Der Peugeot 508 SW ist auf dem deutschen Markt eher eine Randerscheinung. Eigentlich komisch, denn der Franzose bietet nicht nur gestalterische Individualität sondern auch passable Technik.

© Rainer Ruthe

Praxistest Peugeot 508 SW BlueHDi 120 Active: In der Entschleunigungs-Zone

Kleiner Diesel mit großem Kombi, geht das? Der Peugeot 508 SW BlueHDi 120 will das beweisen. Daneben zeigt er sich auch wertig und bequem. Es hakt aber anderen Stellen.

Muss es immer ein VW Passat Variant sein? Oder ein anderer deutscher Kombi, der schon vor dem Haus des Nachbarn parkt? Oder darf es auch mal ein Kombi sein, den man nicht so häufig zu Gesicht bekommt und der deswegen für den heimlichen Blick hinterher gut ist? Der Peugeot 508 SW ist solch ein Auto mit französischer Eleganz: Mit seinen zum Heck hin abfallenden Linien erinnert er eher an einen sportlichen Shooting Brake, so wie der lange nach ihm gestartete Nachahmer Mercedes CLA, als an einen klassisch-kantigen Kombi bekannter Machart. Der Peugeot 508 SW von der Größe eines Mercedes E-Klasse T-Modells setzt auf ruhige Formen. Nun gibt es einen neuen kleinen Basis-Diesel für diesen großen Wagen. Der 1,6-Liter-Selbstzünder leistet „nur“ 120 PS. Ob diese Leistung im Alltag ausreicht, klärt unser Praxistest mit dem Peugeot 508 SW BlueHDi 120 STOP&START, für den mindestens 30750 Euro zu bezahlen sind. Viel Geld. Aber auch gut angelegtes Geld? Es gibt eine überraschende Antwort. 

Außen und Innen

Sein Auftritt ist nach der jüngsten Überarbeitung im vergangenen Jahr wuchtiger geworden. Einfach dominanter. Der Markenlöwe sitzt nun, wie schon mal in den 60ern und 70ern, mittig im aufrecht stehenden Grill. In den schmalen Scheinwerfern blitzen selbst bei der von uns gefahrenen Basisausstattung Active für nur 1140 Euro Aufpreis insgesamt 44 LEDs – das wirkt selbstbewusst, jedoch nicht überkandidelt. Die LED-Hauptscheinwerfer spenden ein grelles die Fahrbahn gut ausleuchtendes Licht. Ein empfehlenswertes Extra also. Und sie sehen überdies nach mehr aus. Das ruhige Heck wird dominiert von der großen Klappe, die jedoch nur manuell zu bedienen ist, und die sich zwar leicht öffnen, aber nur mit etwas Nachdruck schließen lässt. Übrigens zieren auch 36 LED-Lämpchen die auffälligen Heckleuchten; bei Nacht ein Wiedererkennungsmerkmal für den großen Franzosen. Der Peugeot 508 SW ist mit seinen 4,83 Metern Länge und mit Außenspiegeln 2,01 Metern Breite nicht nur messtechnisch ein stattliches Auto. Er wirkt in Natura auch so imposant, aber durch seine bewusst ruhigen Linien elegant und nicht provozierend.

Der kleine Diesel für den Peugeot 508 SW muss mit nur 1,6 Litern Hubraum auskommen. Dafür bewegt er die Fuhre aber sehr ordentlich, was vor allem dem beachtlichen Drehmoment von 300 Newtonmeter zu verdanken ist.
Der kleine Diesel für den Peugeot 508 SW muss mit nur 1,6 Litern Hubraum auskommen. Dafür bewegt er die Fuhre aber sehr ordentlich, was vor allem dem beachtlichen Drehmoment von 300 Newtonmeter zu verdanken ist.

© Rainer Ruthe

Wer einsteigt, stellt erfreut fest, dass dies ein bequemer Akt ist, weil man nicht in die Sitze hineinfällt, sondern eher hin gleitet. Schon beim ersten Blick auf das hochwertige Cockpit mit den weich hinterschäumten Kunststoffen wird klar:  Hier ist gründlich aufgeräumt worden. Es gibt viel weniger Knöpfe, dafür nun einen Siebenzoll-Touchscreen, der auf Berührungen prompt reagiert und einfach bedienbar ist. Wer möchte, kann sein Smartphone per Bluetooth anschließen. Sowohl bei der Materialauswahl als auch bei der Verarbeitung brauchen sich die Franzosen mit dem Peugeot 508 SW nicht hinter deutschen Premiummarken zu verstecken. So gefallen zum Beispiel die Zierleisten mit ihrer raffinierten Oberflächenstruktur. Sehr gut: Die Klimaanlage lässt sich beim 508 einfach über Rädchen einstellen;  man muss dazu nicht den  Touchscreen wie beim 308 bemühen. Weniger gut ist der links unten hinter einer Klappe versteckte Knopf zum Einstellen des Head-up-Displays. Bei dem handelt es sich um eine einfache Lösung mit einer Plexiglasscheibe, welche aus dem Armaturenbrett aus- und wieder einfährt und dabei jeweils ein ächzendes Geräusch verursacht,  so als sei das Schwerstarbeit. Lustig. Aber das System erfüllt seinen Zweck. Geschwindigkeit und Navigationshinweise lassen sich gut ablesen.  

Sitzen und Laden

Um es auf den Punkt zu bringen: Vorn sitzt man  im 508 exzellent. In dieser Beziehung sind nur ganz wenige große Limousinen wirklich besser. Mit ihren weitreichenden Einstellmöglichkeiten zählen die Sitze zu den Besten, die wir in gallischen Fahrzeugen kennengelernt haben. Die großen, gut ausgeformten Sitze, wahlweise sogar mit ausziehbarer Oberschenkelauflage, bieten nahezu perfekten Seitenhalt. Sie sind zwar etwas hoch eingebaut, keine sportliche Sitzposition, aber die passt optimal zu diesem Wagen mit dem besonderen Entschleunigungs-Faktor. Man sitzt lässig leicht nach hinten geneigt und völlig entspannt und hat das wie bei Audi unten abgeflachte Lenkrad gut im Griff. Auch im geräumigen Fond sitzt man sehr gut. Knie- und Kopffreiheit gehen in Ordnung.

Beim Kofferraum hingegen liegen Licht und Schatten eng beisammen. Die Durchladeluke erweist sich als sehr eng, zwei Paar Ski zum Beispiel würden nicht hindurch passen. Die Rücksitze lassen sich leicht umklappen, was auch vom Kofferraum mit einem Handgriff  möglich ist. Ganz eben wird der Ladeboden allerdings nicht. Doch die kleine Steigung lässt sich verschmerzen. Das Kofferraumvolumen des 508 SW beträgt 560 bis 1598 Liter und ist damit im Konkurrenzvergleich zu klein. In den neuen VW Passat Variant, welcher nur fünf Zentimeter länger als der Peugeot ist, passen mit 650 bis 1780 Liter viel mehr Gepäckstücke rein. Und sogar die Skoda Superb Limousine, welche ebenso lang wie der Peugeot ist, schluckt mit 603 bis 1865 Liter deutlich mehr als der französische Kombi. Und sogar der kleinere Peugeot 308 SW lädt mehr ein als sein großer Bruder.

Fahren und Tanken

Nun kommen die Stunden der Wahrheit für den kleinen Diesel im großen Wagen. Passt die Kombination großer Wagen und kleiner Diesel? Nach über 1000 Kilometern Testfahrt steht fest: Der kleine Diesel ist ein ganz Großer! Allerdings muss man die Kirche natürlich im Dorf lassen, und man muss wissen, auf was man sich einlässt. Der neue 1,6-Liter-Diesel, der 120 PS bei bemerkenswert niedrigen 3500 Umdrehungen pro Minute abliefert und dessen Drehmoment von standesgemäßen 300 Newtonmetern, hat mit dem schon leer 1,5 Tonnen wiegendem Kombi einiges zu schleppen. Trotz seines stämmigen Drehmoments kann er aus dem 508 SW keinen behänden Sportler machen – aber er kann etwas anderes: Dieses Auto wie am Gummiband ziehen und so gleichmäßig beschleunigen,  dass nie das Gefühl aufkommt, untermotorisiert zu sein. Und auf der Autobahn, ohnehin das optimale Revier des 508 SW,  befördert er das Auto unangestrengt in den 150er Reisemodus.

Obwohl sich der Peugeot 508 SW mit dem kleinen Diesel auch in der Stadt wohl fühlt liegt das eigentliche Terrain des Franzosen-Kombi außerhalb der City.
Obwohl sich der Peugeot 508 SW mit dem kleinen Diesel auch in der Stadt wohl fühlt liegt das eigentliche Terrain des Franzosen-Kombi außerhalb der City.

© Rainer Ruthe

Und das ohne gleich zum Säufer zu werden. Unter sechs Liter sind selbst in diesen Geschwindigkeitsregionen drin. Dazu trägt sicher auch die aus Verbrauchsgründen lange Getriebeübersetzung bei. Bei Tempo 140 auf der Autobahn dreht sich die Kurbelwelle gerade mal lässige 2300mal in der Minute. Überdurchschnittlich gut funktioniert das Stopp-Start-System; butterweich springt der Diesel nach einer Ampelphase rasch wieder an. Selbst in der Stadt werden es so selten mehr als 5,5 Liter pro 100 Kilometer. Im Durchschnitt der gut 1000 Kilometer waren es bei hohem Autobahnanteil höchst beachtliche 5,3 Liter pro 100 Kilometer. Damit nur 1,1 Liter über dem unrealistischen Normverbrauch. Damit fährt der große Kombi mit nur einer Tankfüllung über 1100 Kilometer weit.

Wer es noch lässiger wünscht, wählt für allerdings selbstbewusste 2000 Euro die Sechsstufenautomatik vom japanischen Spezialisten Aisin, welche weich und passend schaltet – und sich zumindest in der Theorie keinen Kraftstoffzuschlag gönnt.

Das Fahrwerk passt zu diesem Auto, in dem man stressfrei gleitet und nicht rast. Was sind schon ein paar Minuten mehr bis zum Ziel,  wenn man dieses entspannter erreicht? Die Feder-Dämpfer-Abstimmung tendiert zwar zur straffen Seite,  ohne jedoch das nötige Maß an Komfort aus dem elektronischen Blickwinkel zu verlieren. Insgesamt ein gelungener Kompromiss für einen Reisewagen mit eingebautem Entschleunigungsfaktor, dem stressiges Terminbolzen fremd ist. Beachtlich ist trotz der montierten 17-Zoll-Räder der gute Abrollkomfort. Der Kombi überspielt gekonnt kleinere Unzulänglichkeiten der Straße, nur sehr grobe Querfugen und Schlaglöcher werden weniger geschmeidig verarbeitet. Aber das kann nur eine Mercedes S-Klasse viel besser.

Die exakte Lenkung tut ein übrigens, um 508-Fahrten freundlich zu gestalten. Sie bietet eine gute Rückmeldung, könnte in manchen Situationen jedoch etwas leichtgängiger sein. In der Stadt ist das Rangieren wegen des großen Wendekreises von gut zwölf Metern nicht immer ganz einfach.

Hören und Sehen

Vor allem auf der Autobahn ist das Fahren in diesem 508 SW Diesel auch deshalb so entspannt, weil dank aufwendiger Dämmaßnahmen so gut wie nichts vom Selbstzünder zu hören ist. Er klingt auf der Autobahn nicht wie ein Diesel, und selbst die Fahrgeräusche sind Oberklasse-würdig.

Fangen wir bei der Sicht mal ausnahmweise mal „oben“ an. Immer wieder ein Blickfang, vor allem für die Fondpassagiere, ist die "Lichtdusche". Das gewaltige weiße Panorama-Glasdach mit elektrischem Stoffschieberollo für faire 600 Euro Aufpreis zaubert offen und geschlossen ein herrlich samtiges Licht in den Innenraum. Gerade bei Regen fasziniert das. Bonjour Peugeot 508, Au revoir tristesse!

Dafür ist die Sicht nach hinten wegen der kleinen Heck- und Seitenfenster nicht berauschend. Nach vorn und seitlich ist die Sicht gut.

Wählen und Zahlen

Auch bei den Assistenzsystemen hat Peugeot nachgerüstet. So zum Beispiel die für diese Klasse überfälligen optionalen Helfer wie Rückfahrkamera und Toter-Winkel-Warner. Beide Systeme arbeiteten im Test ebenso überzeugend wie das neue Konnektivitätsangebot Connect App,  welches 379 Euro kostet. Es holt zum Beispiel Echtzeit-Verkehrsinfos, aktuelle Benzinpreise umliegender Tankstellen und Tipps für freie Parkplätze online ins Auto.

Allerdings sind Abstandsradar oder ein automatischer Notbremsassistent, wie sie bei vielen Konkurrenten mittlerweile selbstverständlich sind, im 508 nach wie vor nicht zu haben.

Der Kofferraum des Peugeot 508 SW ist zwar durch JBL gut beschallt, bietet aber relativ wenig Ladevolumen und eine zu kleine Durchreiche in der Lehne der Rückbank.
Der Kofferraum des Peugeot 508 SW ist zwar durch JBL gut beschallt, bietet aber relativ wenig Ladevolumen und eine zu kleine Durchreiche in der Lehne der Rückbank.

© Rainer Ruthe

Unser Testwagen steht mit 30750 Euro in der Liste, mit einigen Extras sind es dann 35850 Euro. Nicht wenig, aber im Vergleichsumfeld noch günstig. Wer es lieber eine Nummer stärker hätte, zahlt für den 150 PS starken Diesel gleich 2050 Euro mehr. Noch größer ist dann der Sprung zum 180 PS starken Diesel, weil es diesen Motor nur im Toppmodell GT  und mit Automatik gibt – ab42900 Euro. Wer keinen Kombi braucht, wählt die Limousine und zahlt 1050 Euro weniger.

Gutes und Schlechtes

Dieser komfortable Peugeot 508 SW geht mit dem nur auf dem Papier vermeintlich schwachen Diesel eine solch harmonische Verbindung ein, wie man sie heutzutage nur noch selten antrifft. Vor allem in unserer hektischen Zeit, in der alles schneller und sportlicher vonstatten gehen muss, alles in immer kürzerer Zeit erledigt sein will. Nicht jedoch in diesem Peugeot. Er zaubert: Fahrer und Passagiere wähnen sich wie in einer Entspannungs-Oase. Hektik und Betriebsamkeit bleiben außen vor. Man reist in diesem Franzosen charmant lange Strecken statt angestrengt Kilometer zu bolzen. Richtig gute Diesel können sie bei Peugeot schon immer bauen, und dieser neue 1.6er ist wieder so einer.

Übrigens wird der 508 jetzt auch in China produziert, wo mehr als jedes dritte Auto verkauft wird. Mal schauen, ob der Franzose in seiner jetzigen Entwicklungsstufe vielleicht doch mehr Europäer und Deutsche anspricht. Er ist nämlich irgendwie ein Geheimtipp. Auf jeden Fall aber  eines der am meisten unterschätzten Autos.

Stärken

Individueller Auftritt

Komfortables Fahrwerk

Toller Dieselmotor

Schwächen

Kaum Assistenzsysteme

Großer Wendekreis

Nicht ganz billiger Spaß

Konkurrenz

VW Passat Variant

Mazda 6 Kombi

Opel Insignia SportsTourer

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