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Akten und Fakten. Informationen landen bei Geheimdiensten im Archiv – und bisweilen auch im Reißwolf.

© dapd

Ärger für die Sicherheitsbehörden: Risikofaktor V-Leute

V-Leute machen Berlins Sicherheitsbehörden immer wieder Ärger – manche wollen sie ganz abschaffen. Sind Informanteneinsätze in bestimmten Bereichen der Kriminalität wirklich notwendig?

Gleich zwei Mal in jüngerer Zeit hat der Einsatz von geheimen Informanten die Ermittlungsbehörden erheblich in Stress versetzt. Da war im September die Affäre um einen Verdächtigen aus der Umgebung des NSU, der auch Informant des Berliner Staatsschutzes war. Vor wenigen Tagen würdigte ein Strafrichter das Wirken eines V-Manns in einem Drogenhändlerprozess auf besondere Weise – als „rechtsstaatswidrige Tatprovokation“. Sollte heißen: Erst der V-Mann-Einsatz brachte den Betreiber eines türkischen Kulturvereins dazu, sich als Kokain-Importeur zu versuchen. Ohne die weit über ein Jahr laufende Tatprovokation des V-Manns hätte sich Namik A. nach Auffassung des Gerichts gar nicht erst als Rauschgifthändler versucht – und wäre auch nicht festgenommen worden.

Die Konsequenz der Strafkammer bestand in deutlich milderen Urteilen für Namik A. und mehrere Mitangeklagte. Der Versuch, 97 Kilo reinsten Kokains nach Deutschland zu schmuggeln, hätte ohne die V-Mann-Verlockung zehn Jahre Haft zur Folge gehabt, so der Richter in der Urteilsbegründung. Doch Namik A. kam mit etwas mehr als vier Jahren davon.

Der zweifache V-Mann-Ärger hat zu einer Diskussion über den Einsatz von Informanten in kriminellen Milieus geführt. Zumal die Frage, ob die polizeilichen Ermittler mehr oder minder allein über das Ob und die Dauer von Informanten-Einsätzen entscheiden sollen, umstritten ist. In dem Kokainhändler-Verfahren hatte der eingesetzte Informant nach allem, was im Prozess herauskam, den Auftrag, Namik A. als Heroindealer zu entlarven. Als er damit nicht weiterkam, regte der Informant bei Namik A. den Kokain-Import an.

Die Staatsanwaltschaft war in den V-Mann-Vorgang bis zur Verhaftung von Namik A. nur oberflächlich einbezogen: Wie stets in Fällen, in denen die Polizei der Vertrauensperson den Schutz ihrer Identität zusichert, wurde die Staatsanwaltschaft um Einwilligung gebeten. Das bedeutete, dass in einem späteren Verfahren nicht der Informant als Zeuge zur Verfügung stehen würde, sondern nur dessen Kontaktmann bei der Polizei. Der Fall der mutmaßlichen Kokainhändler weist noch eine weitere Verbindung zu der NSU-Informanten-Affäre auf: Aufseiten der Staatsanwaltschaft war die Abteilung Organisierte Kriminalität der Ansprechpartner der Polizei, geleitet von Oberstaatsanwalt Dirk Feuerberg. Ihn hat Innensenator Frank Henkel (CDU) vor Wochen damit betraut, Berlins NSU-Affäre aufzuklären. Bis zum Jahresende soll Feuerberg über die Pannen bei dem Informanteneinsatz berichten.

Bislang ist der „Einsatz von Vertrauenspersonen im Rahmen der Strafverfolgung“ durch eine weitgehend bundesweit geltende Richtlinie für die Staatsanwaltschaft festgelegt. In der Berliner Politik denken nun manche laut darüber nach, ob man das V-Mann-Wesen neu regeln müsse. Am weitesten geht Udo Wolf, Fraktionschef der Linken im Abgeordnetenhaus. Er ist für die „Abschaltung sämtlicher V-Leute“ – die Linke will einen entsprechenden Antrag ins Parlament einbringen. Wolf zieht aus dem V-Mann-Einsatz im Zusammenhang mit dem NSU den Schluss, solche Leute seien im Zweifel selbst eher Straftäter als Aufklärer. Das Kokainverfahren habe gezeigt, dass V-Leute über lange Zeiten ohne jede Kontrolle agieren könnten. Ihm gehe es um eine Diskussion über das Prinzip „der Zweck heiligt die Mittel“. Das sei der falsche Grundsatz in einem Rechtsstaat.

Der zweifache Ärger in Berlin könnte immerhin dazu führen, dass der Informationsfluss zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft überprüft wird. Das kann sich der SPD-Politiker Thomas Kleineidam vorstellen. Er glaube zwar, dass Informanteneinsätze in Bereichen der organisierten Kriminalität und gegen Terroristen notwendig sind, doch hat er auch „Diskussionsbedarf“ – eben in Hinsicht auf das, was die Ermittlungsbehörden an die Staatsanwaltschaft weitergeben. Doch will Kleineidam mit der politischen Diskussion warten, bis es wieder ruhiger um das Thema V-Mann-Einsatz geworden ist.

Ähnlich sieht es der grüne Rechtspolitiker Dirk Behrendt: Dass man völlig auf V-Leute verzichten könne, „glaube ich nicht“. Doch erwartet er, dass man in der Staatsanwaltschaft nun diskutiert, ob man sich nicht „regelmäßig“ von der Polizei über den Verlauf von V-Mann-Operationen berichten lässt. Dann könnten die Staatsanwälte auch besser bewerten, wie wichtig V-Mann-Erkenntnisse für eine Anklage sind. Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) hat fürs Erste keinen Änderungsbedarf. Er erklärte zu der doppelten V-Mann-Problematik: „V-Leute sind Teil eines Milieus, das wir nicht gut finden können. Daher kann ich die kritische Betrachtungsweise verstehen. Aber ich sehe nicht, wie wir den Rechtsstaat ohne V-Leute effektiv verteidigen können.“

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