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Kampf gegen Anbietern von Ferienwohnungen: 2006 wurde in New York eine Spezialeinheit zur Bekämpfung von illegalen Hotels gegründet.

© Arno Burgi/picture alliance

Airbnb und Gentrifizierung: Häuserkampf trifft auch New York

Ferienwohnungs-Portale wie Airbnb erschüttern nicht nur den Berliner Mietmarkt. Amerikas Metropole kämpft ebenfalls gegen illegale Angebote. Der Widerstand der Bürger hat mehr Erfolg.

Murray Cox steht auf Zahlen. Er vertraut ihnen mehr als Worten. Und je geschwätziger Menschen werden, desto misstrauischer wird Cox. „In der Debatte um Airbnb wurde schon immer zu viel geredet“, sagt der Softwaretechniker aus Brooklyn. Tatsächlich streiten Politiker, Hoteliers, Anwohnerinitiativen und Airbnb-Nutzer auch in New York schon so lange wie es das 2008 gegründete Portal gibt, das weltweit Ferienwohnungen anbietet.

Die Debatten verlaufen wie in Berlin, wo das neue Verbot von illegalen Ferienwohnungen die Gemüter erregt: Es geht um Gentrifizierung und Touristen, um Kieze und ihre Veränderung. In der Kritik steht insbesondere die nicht immer korrekt ablaufende Verdrängung von alten Mietern, wie sie in der Tagesspiegel-Serie „Häuserkampf“ dargestellt wurde. Der Kampf von New York gegen illegale Ferienwohnungen wird immer gern als Beispiel für Berlin genannt. Ist es das richtige? Dafür ist Murray Cox auf jeden Fall der richtige Experte.

„Hier in New York basierten die Diskussionen meist auf irgendwelchen Anekdoten oder PR-Statements“, beklagt Cox. Also begann der 42 Jahre alte Mann Anfang dieses Jahres mit der Auswertung aller Apartments und Häuser, die Airbnb in der Stadt anbietet. Es sind mehr als 27 000.

Er bekam kein Geld aber Aufmerksamkeit

Nach wochenlanger Arbeit veröffentlichte Cox im Frühjahr schließlich die Ergebnisse auf seiner Website, verpackt in einer interaktiven, beispiellos detaillierten Karte. Er hat dafür kein Geld bekommen. Aber etwas anderes erreicht. Denn wenn heute in New York über die Vermietungsmethoden von Airbnb diskutiert wird, beziehen sich die Beteiligten fast immer auf seine Website. Und damit auf Zahlen.

In keiner anderen US-Stadt bietet Airbnb so viele Unterkünfte an wie in New York City. Zeitgleich steigen an wenigen Orten dieser Welt die Mietpreise so rasant. In Vierteln wie Bushwick um 23 Prozent innerhalb des letzten Jahres. Der Markt ist gigantisch, die Verdrängung unübersehbar – kein Wunder also, dass sich die Parteien in New York besonders erbittert gegenüber stehen. So sehr, dass das City Council, das Stadtparlament, Anfang dieses Jahres eine ungewöhnliche Maßnahme ergriff. Es versammelte alle Beteiligten und Gruppierungen zu einer Sondersitzung in der City Hall in Downtown Manhattan.

Hunderte Menschen drängten sich in den Saal, vor dem Gebäude fanden Proteste statt. Acht Stunden lang wurde diskutiert, geschimpft, beschuldigt. Das Online-Magazin „The Verge“ titelte: „Airbnb unter Feuer“. Und am Ende herrschte eine seltsame Einigkeit – darüber, dass es dringend verbindliche Gesetze braucht. Denn, was erlaubt ist und was nicht – wissen die wenigsten.

Auf den Punkt bringt es Helen Rosenthal, Abgeordnete der Demokraten, die das 6th District (Upper West Side) vertritt: „Die meisten Angebote auf Airbnb fallen in eine Grauzone. Es lässt sich schwierig ermitteln, wer sein Apartment eine Woche pro Jahr untervermietet oder wer ein illegales, dauerhaftes Gewerbe betreibt.“ Doch das 13 Milliarden US-Dollar wertvolle Unternehmen hütet sich davor, zu viele Daten zu veröffentlichen, solange es befürchten muss, dass diese dann gegen sie verwendet werden. Denn absurderweise ist ausgerechnet das verboten, was die meisten machen: die Vermietung der eigenen Wohnung für einen Zeitraum unter 30 Tagen. Deshalb ist auch Airbnb an einem neuen Gesetz interessiert – „damit New Yorker die Wohnung vermieten können, in der sie leben“, wie eine Unternehmenssprecherin sagt.

Eine Spezialeinheit zur Bekämpfung von illegalen Hotels

Die Stadt hat sich dem Thema lange halbherzig angenommen. Zwar wurde bereits 2006 eine Spezialeinheit zur Bekämpfung von illegalen Hotels gegründet, die direkt dem Bürgermeister unterstellt ist. Doch das war vor dem Aufstieg Airbnbs. Und so sind die zehn Mitarbeiter, die die 8,5-Millionen-Einwohner-Metropole überwachen sollen, überfordert. In Berlin geht es den Bezirken ähnlich.

Die New Yorker Truppe reagiert lediglich auf Klagen von Anwohnern – und das meist nur verzögert. „Die Regierung sollte proaktiver eingreifen“, fordert Datensammler Cox, der von seinen Ergebnissen selbst überrascht war. „Allein in meinem Viertel Bedford-Stuyvesant werden über 1200 Häuser und Wohnungen gelistet. 93 Prozent davon sind ‚highly available', werden also mehr als 60 Tage pro Jahr angeboten.“ All diese Unterkünfte fehlen dem regulären Wohnungsmarkt.

Auf ganz New York bezogen zeigt Cox' Statistik, dass in knapp 60 Prozent der Fälle ein komplettes Haus oder eine komplette Wohnung angeboten werden. Die Durchschnittsnacht kostet 171 US-Dollar. Und bemerkenswerte 30 Prozent der Gastgeber bieten mehr als eine Einheit an.

Die Rhetorik der Gegner und Befürworter scheint universell. Verdrängung und Lärm beklagen manche Anwohner. „I don't want strangers as neighbors“ (Ich möchte keine Fremden als Nachbarn) – so stand es auf einem Plakat, das vor der City Hall hochgehalten wurde. Andere New Yorker sagen, dass sie sich nur durch die gelegentliche Untervermietung ihre Wohnung überhaupt leisten können. Bei einer Umfrage Ende 2014 stimmten 56 Prozent der Einwohner für die grundsätzliche Möglichkeit, ihr Apartment an Fremde vermieten zu können. 36 Prozent votierten dagegen. Und bei den Politikern stehen sich – wie in Berlin oder London – Gentrifizierungs-Warner und Tourismusgeschäfts-Freunde gegenüber. Die Hotelindustrie ist von Airbnb so entzückt wie das Taxigewerbe von Uber.

72 Prozent der Angebote verstoßen gegen Gesetze

New Yorks Generalstaatsanwalt Eric Schneiderman gehört zu den Chef-Kritikern. Er veröffentlichte im vergangenen Oktober einen ersten Report, der besagte, dass 72 Prozent der Airbnb-Angebote gegen die gültigen Gesetze verstoßen. „Jeder, der hier ein illegales Gewerbe betreibt, sollte wissen, dass wir gegen Steuerhinterziehung scharf vorgehen werden“, sagte Schneiderman. Nur wie genau, das sagte er nicht. Airbnb hatte vor einem Jahr einen offenen Brief an die Regierung New York Citys verfasst. Die zentrale Forderung: Das Unternehmen will Steuern von den Gastgebern einsammeln um diese dann direkt an die Stadt weiterzugeben. So wie es bereits in Städten wie San Francisco geschieht. Doch eine Regelung wurde bis heute nicht gefunden. Der erhöhte Druck führte immerhin dazu, dass das Portal rund 2000 Angebote von seiner Seite nahm. Eine Gruppe von Airbnb-Gastgebern reichte unterdessen Klage gegen das Portal von Cox ein, nachdem ihre persönlichen Daten an Staatsanwalt Schneiderman weitergegeben werden sollten.

„Die Regierung nimmt die Sorgen der Anwohner ernst. Und das ist gut“, sagt Murray Cox, dessen Datensammlung zweifelsohne am zentralen Airbnb-Mantra zweifeln lässt – dass die meisten Nutzer ihre Wohnung nur vermieten, wenn sie im Urlaub sind. „87 Prozent der Angebote sind längerfristig verfügbar“, so Cox. Nun könne sich nun „jeder New Yorker über das Ausmaß“ in seinem Kiez informieren. Der IT-Experte arbeitet bereits an weiteren Karten – für andere Städte, auch international.

Die Datensammlung aus New York: www.insideairbnb.com

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