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Das SEZ in der Landsberger Allee 77 in Berlin-Friedrichshain 2011

© Kitty Kleist-Heinrich

Berlin-Friedrichshain: Der Senat will nun doch das DDR-Spaßbad SEZ zurück

Im Streit um die Nutzung des maroden Schwimmbads SEZ in Friedrichshain, prüft der Berliner Senat nun ob der Eigentümer gegen Auflagen verstoßen hat. Dann könnte der Verkauf rückgängig gemacht werden.

Der Senat will den Verkauf des Sport- und Erholungszentrums – SEZ – an der Landsberger Allee rückgängig machen – 13 Jahre nach der Privatisierung. „Das wird gegenwärtig geprüft“, sagte eine Sprecherin von Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD).

Damit vollzieht Kollatz-Ahnen eine komplette Kehrtwende. Seine Vorgänger hatten entsprechende Forderungen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg und des Steuerzahlerbunds stets zurückgewiesen. 2009 erklärte Finanzstaatssekretärin Iris Spranger: „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit dem Verkauf im Jahre 2003 alles richtig gemacht haben.“ Die Opposition reagierte mit Unverständnis. 2003 ging es dem Land darum, das defizitäre Bad loszuwerden. Die Bäderbetriebe mussten jährlich fast fünf Millionen Euro in das marode Bad stecken.

Verkauf für einen Euro

Der Leipziger Investor Rainer Löhnitz übernahm den DDR-Freizeit-Tempel für einen Euro. Im Gegenzug versprach er öffentlich, den Badebetrieb „in drei bis fünf Jahren“ wiederaufzunehmen. Der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin versprach ein „familienfreundliches Spaßbad“.

Alle Sportpolitiker gingen davon aus, dass das auch im Kaufvertrag klar geregelt ist. Im Vertrag mit dem Liegenschaftsfonds, den Löhnitz später öffentlich machte, wird er aber nur verpflichtet, die Sportangebote des SEZ wie Bowling, Sauna und Fitness aufrecht zu erhalten.

Der „Hallenbadbetrieb“ sollte später wiederaufgenommen werden, wenn es dem Investor wirtschaftlich zumutbar ist. Der Begriff Hallenbad ist rechtlich umstritten, damit könnte auch ein kleiner Hotelpool gemeint sein. Kleinere Wasserbecken hat Löhnitz für den Saunabetrieb ohnehin im Angebot. Das ehemalige Wellenbecken blieb dagegen dauerhaft trocken.

Grundstück sei Millionen wert gewesen

Das Berliner Landgericht urteilte nun in einem Klageverfahren zwischen Löhnitz und dem Berliner Steuerzahlerbund, unter Hallenbad könne im Kontext des Kaufvertrages „nur der Betrieb eines größeren Schwimmbades“ gemeint sein. Auf diesem Passus gründet nun die Hoffnung des Finanzsenators.

Das SEZ war mehrfach als Beispiel für Verschwendung im Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes aufgetaucht. 2014 bezeichnete Alexander Kraus, Vorsitzender des Steuerzahlerbundes Berlin, den Verkauf als „komplettes Verwaltungsversagen oder einen Fall von Korruption“. Eine zweistellige Millionensumme sei das fast fünf Hektar große Grundstück wert gewesen.

Nach der Wende: SEZ auch bei West-Berlinern beliebt

Löhnitz klagte gegen Kraus auf Unterlassung seiner Aussage – vergeblich. Gegen das Urteil sei er in Berufung gegangen, sagt Löhnitz. Das SEZ ist ein DDR-Monument, so ähnlich wie es einst der Palast der Republik war. Die Arbeiter-und Bauern-Republik wollte dem Westen zeigen, dass sie inzwischen auch Spaß und Wellness produzieren kann, sogar mit künstlich erzeugten Wellen. Nach der Wende machte sich das SEZ als Multisportzentrum auch bei West-Berlinern einen Namen.

Allerdings wurde bald klar, dass die Kosten für Heizung und Wasseraufbereitung immer höher steigen würden. Investor Löhnitz hat keineswegs vor, das SEZ wieder aufzugeben. Das marode, teils leerstehende Hauptgebäude soll abgerissen und ein „Campus-Projekt“ mit Sportanlagen und mehreren hundert Studentenwohnungen errichtet werden. Frühere Pläne sahen ein Familienhostel und einen Stellplatz für Wohnmobile vor. Insgesamt drei verschiedene Nutzungskonzepte hatte Löhnitz beim Bezirk eingereicht und war jedesmal abgeblitzt.

Geisel verhängt Veränderungssperre

Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) wollte Wohnungsbau unbedingt verhindern und verhängte eine Änderungssperre für das Gelände. Löhnitz drohte mit einer Klage auf Schadensersatz. Schließlich zog der Senat das laufende Bebauungsplanverfahren für das SEZ-Gelände an sich und änderte die Planziele. Neben Sport-und Erholungsbereichen soll es künftig auch Wohnungen sowie einen Schulstandort geben, erklärte Bausenator Andreas Geisel (SPD). Das Grundstück solle „bestmöglich ausgenutzt“ werden.

Löhnitz’ Anwalt begrüßte die Entscheidung im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Der ewige Streit mit dem Bezirk schien überwunden. Zu früh gefreut. Geisels Verwaltung plant maximal 600 Wohnungen, darunter ein Viertel Sozialwohnungen. Damit Löhnitz nicht einfach das vorhandene Baurecht nutzt, wurde erneut eine Veränderungssperre verhängt.

Und erneut zog Löhnitz dagegen vor Gericht. Auch die Vorgabe, Sozialwohnungen zu errichten – inzwischen üblich bei Bebauungsplänen – lehnt der Investor ab. „Das ist Nötigung. Ich brauche keinen Bebauungsplan.“ Das Gelände sei ihm 2003 als Mischgebiet verkauft worden, also sei Wohnungsbau möglich, wenn auch in geringerem Umfang. Löhnitz pocht auf seine Rechte als Eigentümer und stellt sich auf eine lange juristische Auseinandersetzung ein. „Erstmal bleibt alles so, wie es ist. “Das SEZ bietet weiterhin Sauna und Fitness an, dazu Badminton, Tischtennis und Indoor-Fußball. Nur Schwimmfans haben hier nichts mehr verloren.

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