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Aussteigen, bitte! Am Ostbahnhof halten künftig keine ICEs mehr.

© dpa

Berlin-Glosse: Warum die Bahn auf Sartre hören sollte

Auf der Kurzstrecke zwischen Ost- und Hauptbahnhof macht die Fahrt im ICE am meisten Spaß, findet unser Kolumnist Stefan Jacobs. Doch damit ist es bald vorbei, denn die Bahn stellt ihren Fahrplan um. Hätte sie doch stattdessen nur auf Sartre gehört. Eine Glosse.

Zu den schönsten Bahnreisen gehört die Kurzstrecke zwischen Ost- und Hauptbahnhof. Morgens darf man mit vielleicht einem Dutzend Wartegenossen als erste in den ICE steigen, der sich frisch geputzt aus der Rummelsburger Werkstatt in den Tag schlängelt. Während die anderen noch am Hauptbahnhof frieren und ihren Gedanken über die angezeigte Zugteilung in Hamm/Westf. nachhängen, sitzt man schon im Warmen, sichert Armlehne, Steckdose und Beinfreiheit. Was die Billigflieger in ihrer Jugend als Speedy Boarding teuer verkauft haben, gibt es bei der Bahn hier gratis.

Ebenso schön ist das Pendant auf dem Rückweg – nachdem sich in Spandau und am Hauptbahnhof die Myriaden der Mitreisenden auf den Bahnsteig ergossen haben, ein letztes Mal die Türen schmatzend in den Rahmen fallen und man quasi im Obergeschoss an Hackeschem Markt, Dom und Alex vorbeischwebt bis zur Endstation am Ostbahnhof. L’enfer, c’est les autres, heißt es bei Sartre sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln generell. Oder, auf Berlinisch: „Die andern könn’ mir mal!“

Doch die Tage dieser Einkehr vor der Auskehr sind gezählt: Zum Fahrplanwechsel im Dezember lässt die Bahn die ICEs zwischen Berlin und Rheinland nicht mehr über die Stadtbahntrasse fahren. Stattdessen rollen sie von Norden ins Untergeschoss des Hauptbahnhofs und auch nordwärts wieder raus zur Werkstatt nach Rummelsburg. Entweder unbemannt oder mit Halt in Gesundbrunnen, wie der Berliner Bahnchef Ingulf Leuschel sagt. Bei elf Zügen pro Stunde und Richtung auf der Stadtbahntrasse sei ein knapp 500 Meter langer ICE nicht mehr unterzubringen, ohne den Fahrplan zu ruinieren.

Anders gesagt: Die Regionalbahn von Nauen zum Kleinflughafen Schönefeld hat Priorität. Außerdem kann der immer volle RE 1 seinen Halbstundentakt behalten, wenn kein ICE voll warmer Luft vor ihm herkriecht. Das hat auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bewogen, dem Plan zuzustimmen. Den Berlinern zwischen Friedrichshain und Friedrichshagen geht ein Luxus verloren, den sie dann in der überfüllten S-Bahn zum Hauptbahnhof betrauern können.

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