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Hund und Halter. Elena Kasiyanova und der mittlerweile tote Borges.

© Jens Mühling

Berlin-Pankow: Amtstierarzt will einen Hund einschläfern lassen, der längst tot ist

Das Veterinäramt Pankow will einen Hund einschläfern – der ist nur längst tot. Ein absurdes Stück aus den Amtsstuben, inklusive Polizeieinsatz.

Borges ist tot. Das ist, wenn man so will, die gute Nachricht. Der altersschwache Hund, der seit fast vier Monaten im Mittelpunkt eines befremdlichen Rechtsstreits stand, ist Ende November in der Wohnung seiner Halterin gestorben. Damit ist die Angelegenheit für die Veterinäraufsicht Pankow jedoch nicht aus der Welt, wie die Hundehalterin nun schmerzlich erfahren musste.

Über die Vorgeschichte des Konflikts berichtete der Tagesspiegel Ende August: Borges, ein 17 Jahre alter Collie-Mischling, war bereits damals altersbedingt geschwächt. Gassi gehen konnte er noch, die Treppen hinunter musste ihn sein Frauchen allerdings tragen. Auf dem Weg in den Hof begegnete den beiden eines Tages ein Nachbar, der barsch fragte, warum der Hund getragen werden müsse. Wenig später bekam Elena Kasiyanova Besuch von zwei Mitarbeitern der Veterinäraufsicht – der Nachbar hatte die Polizei verständigt.

Nach Darstellung von Elena Kasiyanova erklärten die Amtsärzte nach kurzer Begutachtung des Hundes, Borges sei unverzüglich einzuschläfern, man werde ihn am besten gleich mitnehmen. Als Frau Kasiyanova protestierte, wurde ihr aufgetragen, Borges von einem Tierarzt ihrer Wahl einschläfern zu lassen. Die von Frau Kasiyanova hinzugezogene Tierärztin kam jedoch zu einem anderen Schluss als die Amtsmediziner: In ihrem Gutachten beschied sie, Borges befinde sich im natürlichen Sterbeprozess, eine Einschläferung sei nicht zwingend geboten, da das Tier nicht unter akuten Schmerzen leide.

Die Amtstierärzte, die das Gutachten als „Einzelmeinung“ abtaten, bestanden auf der Einschläferung. Mehrfach tauchten in der Folge Mitarbeiter der Veterinäraufsicht vor der Wohnungstür der Familie Kasiyanova auf, um die amtlich verfügte Tötung des Hundes durchzusetzen. Kasiyanova öffnete ihnen nicht. Es folgte ein Rechtsstreit, der rund drei Monate später vor dem Oberverwaltungsgericht endete, mit einer Niederlage für die Hundehalterin. Die Anordnung des Veterinäramts wurde bestätigt.

Als sie zurückkehrte, passte ihr Schlüssel nicht mehr ins Schloss.

Zu dem Zeitpunkt, als Frau Kasiyanova den Gerichtsbescheid erhielt, war der Hund allerdings – tot. Ende November hatte sich Borges’ Zustand rapide verschlechtert: Er konnte nicht mehr alleine stehen, wirkte teilnahmslos, litt unter Atemnot. Kasiyanova entschied, ihn von seinem Leiden zu erlösen. Sie rief ihre Tierärztin an, die den Hund am 24. November in der Wohnung der Familie einschläferte. Borges sei friedlich gestorben, sagt Frau Kasiyanova, im Beisein aller Familienangehörigen, die ihn geliebt hätten.

Mit der anschließenden Abmeldung des Hundes beim Finanzamt hielten die Kasiyanovas die Angelegenheit für erledigt. Doch es kam anders.

Am Freitag der vergangenen Woche, während einer Urlaubsreise, erhielt Frau Kasiyanova einen Anruf auf ihrem Handy. Eine aufgeregte Nachbarin erklärte ihr, das Veterinäramt sei angerückt, in Begleitung der Polizei und eines Schlosstechnikers. Die Nachbarin sagte, sie habe den Beamten versichert, dass der Hund, den sie suchten, längst tot sei – aber man habe ihr nicht geglaubt.

Als Frau Kasiyanova drei Tage später, am Montag dieser Woche, aus dem Urlaub zurückkehrte, passte ihr Wohnungsschlüssel nicht mehr in die Tür – das Schloss war ausgetauscht worden. Sie rief sofort die Polizei. Zwei Beamte rückten an und erklärten ihr, sie könne den neuen Schlüssel auf der nächstgelegenen Wache abholen. Frau Kasiyanova sagt, weder an der Wohnungstür noch in der Wohnung selbst habe sich irgendein Hinweis gefunden, der das Geschehen erklärt hätte.

Ein Mitarbeiter der Veterinär- und Lebensmittelaufsicht des Bezirks Pankow bestätigte dem Tagesspiegel, dass die Behörde „einen Durchsuchungsbeschluss beantragt, erhalten und vollstreckt“ habe. Ob die Amtsärzte von einer Nachbarin darauf hingewiesen wurden, dass der gesuchte Hund bereits tot sei, wollte der Behördenmitarbeiter nicht bestätigen. Seine Kollegen seien allerdings in ähnlichen Fällen regelmäßig mit „Schutzbehauptungen von Dritten“ konfrontiert, weshalb sie im Zweifel die Wohnungsdurchsuchung durchführen müssten, „um zu klären, was Fakt ist und was nicht“. Üblicherweise hinterlasse die Polizei in solchen Fällen eine Benachrichtigung an der Wohnungstür. Warum das in Elena Kasiyanovas Fall offenbar nicht geschah, könne er nicht sagen.

Die Hundehalterin will sich nun anwaltlich beraten lassen, ob sie gegen das aus ihrer Sicht unrechtmäßige Eindringen der Behörde in ihre Wohnung gerichtlich vorgehen kann. In erster Linie aber, sagt Elena Kasiyanova, sei sie „froh, dass Borges erst starb, als die Zeit dafür gekommen war“.

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